Beuys, Boys und die Demokratie: Die Kunst, jeden zum Künstler zu machen

„Jeder ist ein Künstler“. So ganz und gar glauben wir das wohl doch nicht. Sonst säßen wir bescheiden in unserem Atelier, würden der erhebenden Inspirationen harren, die uns Künstlern zufliegen zu den unmöglichsten Tageszeiten wie die Fallschirme des Löwenzahns, und uns mit Elan in die Gestaltung unseres Werks stürzen. Schaden allerdings kann es wohl nicht, zwischendurch den Nachbarn zu besuchen, natürlich nur um zu schauen, ob man nicht doch noch etwas lernen könne für die Kunst, seine Kunst zu formen. 

Dass jeder ein Künstler sei, postulierte Joseph Beuys, der Große aus der Reihe der Universal-Artisten, und zu seinem 25. Todestag inszenierte der Kunstverein sein Projekt „Beuys und Die Demokratie“. Bedauerlicherweise hatten am Freitag der Eröffnung, als sich in der Kulturhalle an der Kellerstraße zur Vernissage nicht nur jene versammelten, die ihren künstlerischen Horizont erweitern mochten, sondern ebenso jene, die ihren eigenen Tellerrand erkennen mussten, bedauernswerterweise vielmehr hatten am Eröffnungstag jene keine Zeit und Muße und Muse, die sich zwei Tage vor der Landratswahl auf dem demokratischen Feldzug durch die politischen Herzen des Landkreises befanden: Die Kandidaten – zwei Tage später, einem demokratischen Wahlverfahren geschuldet, da waren’s nur noch zwei.

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Die fünf Boys wären Herrn Beuys und seinem Epigonen Johannes Stüttgen, der Kulturreferent Steffen Kopetzky und Manfred „Mensch“ Mayer bei der Einführung in die um den legendären Filzanzug gescharten Exponate hilf- und wissensreich zur Seite stand, sicherlich willkommen gewesen: Die Verwirklichung der Demokratie nämlich sei – nach Beuys; wir verweisen beflissen, auf dass nicht jemand komme mit Plagiatsvorwürfen – nicht nur ein Abstimmungsverfahren mit dem Ziel „Einer wird gewinnen“ (ein Baustein in der sozialen Skulptur, den uns die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts betonschwer ins Mosaik gesetzt haben), sondern „die primäre Aufgabe der Kunst in der Gegenwart“. Sie hätten also durchaus etwas lernen können auf dem Weg ins angestrebte Amt, den der Meister wohl „Zen oder die Kunst, ein Landrat zu werden“ genannt hätte.

Was hat nun ein roter Kleiderbügel mit Kunst zu tun? Der legendäre Filzanzug hängt an einem Kleiderbügel der Firma Mawa, die – quasi als Vorläufer, als Warm-up – in der Kulturhalle die Ergebnisse eines von Firmenchefin Michaela Schenk ausgeschriebenen Wettbewerbs präsentierte. Dutzende von regionalen und überregionalen Künstlern bereiteten mit ihren Werken so den Weg (Wir können nicht anders: „Zen oder die Kunst, eine Ausstellung zu machen“) für das überwältigende Beuys-Projekt, das man nicht nur seinen Augen, sondern all seinen Sinnen ans Herz legen sollte, solange es noch die Kulturhalle mit seinem genialen Geist erfüllt.

Nüchtern betrachtet, soweit dies bei ihrem hoch ausgeschnittenen Kleid überhaupt möglich war, hätte auch Marie Theres Kroetz-Relin in die Kulturhalle gehört, als sie den Weg(!) ihrer Schell-Familie vorlesend abschritt und sich selbst wiederfand im Moosburger Hof. Sie stützt unsere These, die Kunst sei immer und überall wie das Böse. So lehnen wir uns gleichermaßen beeindruckt wie beleidigt zurück und werden, als würde jemand Schlitten mit uns fahren, diesen Gedanken nicht mehr los: „Jeder ist ein Künstler – nur ich nicht!“