Wie kommt die Kunst ins Finanzamt?

von Lorenz Trapp

Gerne haben Kulturpessimisten an den Worten deutscher Dichter herumgebastelt, und so kam Schillers „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“ aus dem Prolog zu „Wallenstein“ oft in neuem Gewande in Smalltalks zum Zuge: „Ernst ist das Leben, kaum heiterer die Kunst“. Dass keine der beiden Variationen die Wahrheit im rechten Licht trifft, belegt in der Kreisstadt eine Institution, die wir Normalbürger ganz zuletzt mit der Kunst in Verbindung bringen – sei sie nun heiter, heiterer oder gar ernst: das Finanzamt.
Seit sich die Räumlichkeiten der Behörde an der Schirmbeckstraße befinden, finden dort so regelmäßig wie publikumswirksam Kunstausstellungen statt, dass der ehemalige Kulturreferent Hellmuth Inderwies den Vergleich mit einer „Basilika der Kunst“ nicht scheute. Weit davon entfernt, will Josef Lang richtig stellen, sei sein Amt, und wenn er an einem heißen Sommertag über die Kunst und das Leben spricht, belegt er, dass Kunst und Leben beides sind: ernst und heiter, manchmal gleichzeitig, bisweilen das eine mehr, bisweilen das andere weniger, und dass beides auch im Finanzamt stattfindet. Also doch Basilika: eine Halle, in der sich das Leben abspielt!

Josef Lang leitet das Finanzamt Pfaffenhofen bereits seit mehr als zehn Jahren. Doch bis dahin war, so beschreibt er es, ein weiter Weg: „Ich bin Niederbayer, geboren in Osterhofen.“ Nach dem Gymnasium in Vilshofen begann er in Regensburg das Jura-Studium und verließ die Universität nach dem Zweiten Staatsexamen als Volljurist. Er bewarb sich beim Staat und trat 1981 beim Finanzamt Landshut in die Bayerische Steuerverwaltung ein. Als Regierungsrat begann er seine Karriere, und nun, seit 1. Januar 2008, ist der 55-Jährige Leitender Regierungsdirektor.

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Josef Lang, Kunst und Finanzen

Von der Kunst am Bau zur Kunst im Garten
Nach Dienstjahren in Eggenfelden und Kelheim ging Josef Lang 1991 „in den Osten, nach Sachsen“. In Hohenstein-Ernstthal wurde er Leiter des dortigen Finanzamts. „Das ist übrigens der Geburtsort von Karl May“, und hier gerät Josef Lang ins Schwärmen: „Ich als alter Karl-May-Leser habe das nicht gewusst, weil man ihn immer mit seinem Sterbeort Radebeul verbindet!“ Hier kommt, wenn man den Reiseschriftsteller großzügig behandelt, die Kunst ins Gespräch mit dem Finanzbeamten, und das „Faire, Edle“ in dessen Werken hat auch Josef Lang, ebenso wie den Schreiber dieser Zeilen, als Jugendlichen sehr beeindruckt. Faszinierend an der Aufgabe in Sachsen war, aus dem Nichts etwas aufzubauen, denn ein Finanzamt im westdeutschen Sinne hatte es in der DDR nicht gegeben. Nach der Aufbauarbeit im Osten bot sich Josef Lang die Stelle im Finanzamt Pfaffenhofen an. Einige seiner Kollegen sind „drüben“ geblieben oder haben in Ministerien Karriere gemacht, ihn aber zog es zurück nach Bayern, denn er war schon „seit ewigen Zeiten“ mit seiner Lebensgefährtin Agnes verbunden, die in der Nähe von Regensburg einen kleinen Bauernhof betreibt. Da ist er natürlich, soweit es seine Zeit erlaubt, zumindest „als Wochenendbauer“ mit von der Partie. Noch immer keine Kunst im Leben des Josef Lang, doch er weiß, dass auf dem 20-ha-Hof gerade die Gerstenernte ansteht.

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Der „Zyklus des Lebens“: Ausgangspunkt zur Kunst im Garten

Die Kunst kommt mit dem Neubau des Finanzamtes, das von der Kellerstraße in die Schirmbeckstraße zog, und schon in der Planungsphase wurde über „Kunst am Bau“ diskutiert. Das gehörte damals einfach dazu, sagt er heute bescheiden, wenn man ihn als großen Förderer bezeichnen möchte, doch allgemeine Überlegungen in Bezug auf die künstlerischen Möglichkeiten im Amtsgebäude habe er natürlich schon angestellt. Am Anfang aber ging es nur um ein Kunstwerk, das das neue Finanzamt zieren sollte. Die meisten Künstler, die sich um das Projekt bewarben, wollten in den Innenhof gehen, doch „da haben wir gesagt: nein!“ Das Konzept für den Innenhof, „so schlicht und klar“, hatte der Landschaftsarchitekt entworfen, und weil es nicht nur Josef Lang so gut gefiel, musste das Kunstwerk in den Garten umziehen. Der ausgeschriebene Künstlerwettbewerb ist dann darin gegipfelt, dass dieses „rostige Kunstwerk“, und das meint Josef Lang durchaus positiv, vor dem Haupteingang steht. Es ist ein zweiteiliges Werk, erklärt er, mit dem Namen „Archiv“, dessen „zusammengefasste Version“ rechts vor dem Haupteingang zu sehen ist: ineinander gelegte Ringe, bei denen der Rost die Vergänglichkeit des Lebens symbolisiert. Die „offene Version“ trägt den Namen „Zyklus des Jahres“ und ziert übermannshoch den Eingang zum Garten, wo ihm die Skulpturen aus der Kunstaktion des Kultursommers Gesellschaft leisten. Im „Zyklus“ sind die Ringe offen angeordnet, und, das ist der Clou, sie haben die identische Masse wie das „Archiv“. Schon in der Bauphase ist auch die Idee entstanden, das Amt für wechselnde Kunstausstellungen zu öffnen.
Besonders sein Stellvertreter Franz Peter hat sich dabei durch seine Tätigkeit als Holzbildhauer und seine Verbindungen zur regionalen Kunstszene mit eingebracht; er ist Hauptorganisator und Hauptansprechpartner. So konnte das Finanzamt an der Schirmbeckstraße das werden, was sein Amtsleiter nicht so gerne hört: eine Basilika der Kunst in der Kreisstadt, in der im vierteljährigen Rhythmus Künstlern aus der Region, in den Sommermonaten speziell den Schulen, die Möglichkeit geboten wird, ihr künstlerisches Werk zu präsentieren.

Josef Lang selbst ist nicht künstlerisch tätig, doch er freut sich über jedes neue künstlerische Ereignis. Gerade ist die Ausstellung der Schüler der Teilhauptschule Niederscheyern eröffnet worden, und so trägt sein Amt wieder viel dazu bei, dass Kunst im Alltag wahrgenommen wird. „Eine Sisyphos-Arbeit?“ Josef Lang sieht es gelassen: „Man muss sich Sisyphos einfach als glücklichen Menschen vorstellen!“