Nur, damit keine Missverständnisse stehenbleiben: Ich weiß natürlich, dass der Original-Text des Lieds von Franz Straßmann nicht „Wer hat denn den Käser zum Rathaus gerollt?“ lautet, sondern ein ganz klein bisschen anders. „Wer hat denn den Käse zum Bahnhof gerollt?“, so fragte Herr Straßmann in den Goldenen Zwanzigern des letzten Jahrhunderts; also doch schon eine Zeitlang her, und nur die Älteren, quasi die ganz Alten, unter uns werden den Text noch – und wenn, dann im Höchstfall rudimentär – aus den grauen Meeren der Erinnerung fischen können.
Der Unterschied zwischen einem Bahnhof und einem Rathaus, so flüstern mir die fähigsten Köpfe aus meinem Beraterschränkchen zu, besteht darin, dass es ihn nicht gibt. Man kann sowohl in einen Bahnhof als auch in ein Rathaus einlaufen; Gleiches gilt für das Auslaufen. Wobei hier doch die feinen Unterschiede ins aufmerksame Auge fallen sollten: Während der durchschnittliche Mensch beim Betreten des Bahnhofs bereits einen Fahrplan im Kopf und das zügige Verlassen des Gebäudes im Sinn zu haben pflegt, gibt es Menschen, denen ein sich über Jahre erstreckender Aufenthalt in einem Rathaus als höchstes Ziel erscheint. Dabei einen Plan im Kopf zu haben, hat sich als förderlich für die Länge der Präsenz in kommunalen Gebäuden herausgestellt, was nicht ausschließt, von mehr oder weniger (eher weniger) spontanen Fahrplanänderungen einer mobilmachenden Bürgerschaft wieder aus dem Rathaus und speziell dessen Sitzungssaal befördert zu werden. In diesem Zusammenhang muss offen bleiben, welcher Beförderungsmittel sich die Fahrplanrevolutionäre bedienen werden, wiewohl einiges dafür spricht, dass sich die Transporte in demokratisch vertretbarem Rahmen abspielen werden. Zumindest optisch ergäbe die Verwendung von Schubkarren ein schönes Szenario – falls sich jemand findet, der das Vehikel rollt.
Revenons à nos moutons! Zurück zu den Schafen, zurück zu Markus Käser, der mit Rollstuhl vor dem Rathaus steht. Nicht, dass Sie weiterhin denken, ein aufgebrachter Pöbel hätte ihn gerade aus dem Zentrum der Kommunalpolitik gezerrt, um den armen Stadtrat nun irgendwohin abzuschieben. Mitnichten, ganz im Gegenteil!
Markus Käser bereitet sich vor auf den „Aktionstag 2014 zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“. Schon seit 20 Jahren veranstalten Organisationen der Behindertenhilfe im Mai zahlreiche Aktionen. Unter dem Motto „Schon viel erreicht – noch viel mehr vor“ machen das Heilpädagogische Zentrum, die Lebenshilfe-Werkstätten der Region 10, das Caritas-Zentrum Pfaffenhofen, der Landkreis Pfaffenhofen, die VHS Pfaffenhofen, die Regens-Wagner-Stiftung Hohenwart, Pro Familia Ingolstadt und das Bündnis Familie Pfaffenhofen am Samstag, 10. Mai 2014, von 9 bis 12.30 Uhr am Hauptplatz auf die Situation von Menschen mit Behinderung aufmerksam.
Wer Entscheidungen für Menschen mit Behinderung trifft, sollte auch deren Bedürfnisse kennen. Mit diesem Gedanken im Hintergrund entwickelten die teilnehmenden Organisationen eine ganz spezielle Aktion: Der Bürgermeister, Vertreter der Stadtverwaltung sowie Mitglieder der Stadtratsfraktionen und weitere bekannte Persönlichkeiten nehmen am sogenannten „Rollstuhl-Parcours“ teil, um die Stadt im Rollstuhl zu erkunden. Begleitet und „geschoben“ werden sie dabei von behinderten Menschen, die ihnen an diesem Tag die alltäglichen Herausforderungen in der Stadt vor Augen führen – wenn sie diese nicht am eigenen Leib erfahren. Ab 12 Uhr findet dann im Rathaussaal die abschließende Diskussion statt, in der die prominenten „Kurzzeit-Rollis“ sich über ihre Rollstuhl-Erfahrungen austauschen. Zuschauer und Diskussionsteilnehmer – behindert und nicht behindert – sind dort herzlich willkommen!
Wenn Sie also Bürgermeister, Stadträte und andere Prominenz mal an den Rollstuhl gefesselt erleben wollen, merken Sie sich den 10. Mai, den Aktionstag 2014, ganz dick im Kalender vor. Und seien Sie auf jeden Fall dabei, dann nämlich erleben Sie, wer den Käser zum Rathaus rollt.