Waschechter Isar-Indianer auf Kriegspfad an der Ilm

Musikkneipe Sigl bietet internationale Musik und Kultur – Wirt Adi Descy plant Kulturhalle in der Kreisstadt

Von Lorenz Trapp

Stars kennt er nun genug, und von Willy Michl kennt er sogar den Hund. Einen großen Kalbsknochen hat er für den Rottweiler besorgt, als der Isar-Indianer vier überragende Konzerte in seiner Musik-Kneipe absolvierte. Denn für Adi Descy gehört eine Rundumbetreuung seiner Künstler ganz selbstverständlich dazu. Schließlich hat sich der Sigl-Bräu am Hauptplatz zu einem renommierten Veranstaltungsort entwickelt, und diesen Ruf will der Wirt nicht nur aufrechterhalten, sondern noch steigern.

Ganze 22 Jahre jung war Adi Descy, als er 1984 als Gast den gerade eröffneten Sigl-Bräu betrat und der Wirtin, seiner zukünftigen Frau, in die Augen blickte. „So bin ich Wirt geworden,“ sagt der gebürtige Pfaffenhofener und gelernte Bankkaufmann. Nach der Bundeswehr hat er bei einer Möbelspedition gearbeitet und ist dann in die Kneipe mit eingestiegen.

Nie bereut hat er die Entscheidung, in die traditionsreiche Gaststätte, die bis 1908 einer der acht am Hauptplatz angesiedelten Brauereien gehörte, sein Herz zu hängen. „Dann homma halt gemeinsam aufg`sperrt,“ meint er lakonisch, und gleich darauf hat er seine Idee der Musikkneipe in die Tat umgesetzt. Das erste Konzert bestritten die „Guglhupfa“, eine Band, an die sich niemand mehr erinnern wird, und dann traten ein paar Lehrer mit ihren Schülern auf.

Lehrerband und Guglhupfa bildeten den Auftakt

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„Joy of Jazz“ nannten sie sich, und ihr Konzert war ein großer Erfolg, denn in Pfaffenhofen gab es nichts Vergleichbares, seit der Kulturverein „Basilisk“ aufgehört hatte, sich in der Richtung zu engagieren. Doch im Sigl fanden, zuerst „unregelmäßig, aber immer öfter“ Künstler eine Auftrittsmöglichkeit, und Adi Descy ging daran, auch bekanntere Bands zu verpflichten. Begonnen hat er mit Jazz, aber dann ist er irgendwann beim Blues gelandet.

Zu diesen „Bluesern“ gehörte auch Willy Michl, nicht nur wegen seines Hundes eine herausragende Gestalt. In den 90ern, zu einer Zeit, wo der Isar-Indianer fast nicht mehr aufgetreten ist, hat der Wirt was über ihn gelesen und ihn kurzerhand angerufen. Adresse und Telefonnummern „seiner“ Künstler hatte er von einem Spez‘l aus Rosenheim inklusiveGageforderungen erhalten, der ihm Schläge angedroht hatte für den Fall, dass er das weitererzählt. Schon am Tag nach dem Anruf stand der bairische Bluesbarde in voller Indianer-Montur im Sigl, und es entwickelten sich harte Preisverhandlungen.

Längster Soundcheck mit Carpaccio

„Das kann ich mir nicht leisten“, musste Adi Descy die Forderungen des Künstlers über einige Tausend Mark abwürgen, und die beiden einigten sich auf die kompletten Eintrittsgelder. Der Kartenvorverkauf war so überwältigend, dass der Isar-Indianer mit vier Zusatzkonzerten „eine Menge Geld verdiente“.

Für Adi Descy war es auch eine Menge Aufregung: „Das war der längste Soundcheck, den ich je erlebt habe.“ Mittags hätten sie angefangen, und abends um sieben waren sie immer noch nicht fertig. Bis Willy Michl seinen Sound-Techniker beauftragte, die Stromspannung zu checken: „Carpaccio,“ so nannte er den Mann, der Karpati hieß, „wir haben zu wenig Strom.“ Tatsächlich, erinnert sich Adi, haben sie dann irgendwas an der Anlage umgestellt und hatten dann plötzlich den „Sinatra-Sound“, den der Isar-Indianer wollte, gefunden. Der Wirt wurde den Eindruck nicht los, dass der Michl „ein Wahnsinniger“ ist.

Auch die Klassik kommt bei Adi nicht zu kurz

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Doch während des Auftritts hatte der Isar-Indianer, der stets mit Kriegshemd, Dreamcatcher und Pfeil und Bogen – neben der Gitarre natürlich – auf die Bühne kam, sein Publikum vom ersten Ton an im Griff. Er verbat sich alle Gespräche und Zwischenrufe, und trotz seiner „Launen“ war das Publikum vollauf begeistert. Am Ende der „Konzertreihe“ hatte er allerdings Pech, dass sein Auto, „sein Mustang“ lahmte und den Geist aufgegeben hatte. „Also habe ich ihn auch noch heimgefahren,“ erzählt Adi Descy, samt seiner Talismänner. Die führte der Indianer immer mit sich: „Ich bin immer auf dem Kriegspfad.“ Für Adi Descy bedeutete dies, dass er den Blues-Barde nie mehr einlud: „Willy Michl schafft man nur einmal im Leben!“

Einer von denen, die auch heute noch die kleinen Clubs füllen, ist der Zither-Manä. Auch er war mit seinem Zither-Rock zu Gast im Sigl. Mit dem Söllner Hans, dem bairischen Rastafari, sei er ebenfalls schon einig gewesen, erzählt Adi, und innerhalb von einem Tag hätte er 100 Karten verkaufen können. Doch Hans Söllner hat abgesagt, stilgerecht und telefonisch aus Jamaica. Und Konstantin Wecker habe ihn vier Mal versetzt. „Dann ist mein Interesse an ihm eingeschlafen,“ bemerkt der Wirt lapidar, und auch Konstantin Weckers Karriere geriet kurz darauf auf einen Tiefpunkt.

Highlight im Sigl waren natürlich die Konzerte mit internationalen Stars wie der Jazzlegende Dave Brubeck. Siebenmaliger Grammy-Preisträger war Eddie Palmieri, und auf die korrekte Wiedergabe der Zahl legte er auch Wert. Nachdem die Lokalzeitung ihm nach dem Konzert nur fünf Grammys zugeschrieben hatte, hat der Latino-Superstar und König des Salsa den armen, unschuldigen Wirt „total zusammengeschissen.“ Anderen, wie Taj Mahal, einer der größten Blueslegenden der Gegenwart, eilt der Ruf voraus, sehr schwierig zu sein, doch der Musiker entpuppte sich als äußerst umgänglich. Noch morgens um drei saß er im Sigl an der Theke und „riss einen Witz nach dem anderen.“

Auf die Frage, wie denn die Kneipe an „normalen“ Tagen gefüllt sei, antwortet der Wirt erst mal: „Schon gut“, und verbessert sich dann: „Schon nicht schlecht.“ Auf jedem Fall bleibt ihm Zeit, auch noch andere kulturelle Ereignisse in PAF zu organisieren. Das Open Air mit den Münchner Philharmonikern, 1996 vor dem Haus der Begegnung, war total verregnet und musste in die Mehrzweckhalle Niederscheyern ausweichen. Adi Descy ließ sich nicht beirren und startete im darauffolgenden Jahr einen Versuch mit den Bamberger Sinfonikern: „Auch verregnet – und ab in die Halle!“

Sein Lieblingssong ist „Going back to Georgia“

 

Bis 2003 war der umtriebige Wirt und Kulturfreund auch mit der Organisation des Christkindlmarkts beschäftigt, den er 1997 am Kirchplatz ins Leben rief. Die hiesigen Geschäftsleute konnten sich eine „Hütte“ mieten, und er hat in einem Veranstaltungszelt „mit Glasbläsern und Holzschnitzern“ das Seine dazu beigetragen. Auch der Nachtflohmarkt, der in der Stadt zu einem echten Publikumsmagneten geworden ist, kam aus seiner Ideenwerkstatt. „Wie eine Bombe eingeschlagen“, hat der Nachtflohmarkt in Pfaffenhofen. Händler und Besucher kommen inzwischen aus ganz Bayern am zweiten Sonntag im August in die Kreisstadt, um Schnäppchen, Wertvolles und Seltenes zu kaufen oder zu verkaufen. Gerechnet hatte er beim ersten Flohmarkt mit 4000 Besuchern, doch gekommen sind dann glatte 20000! Mit angelockt hat die Menschen natürlich auch die Live-Band, die Adi Descy engagiert hatte. „In einem Anfall von Wahnsinn“, erinnert sich der Organisator an seinen ersten Nachtflohmarkt, „habe ich allen Standl-Betreibern Strom zugesichert“. Das hätte dann dazu geführt, dass am Hauptplatz kurzfristig gar kein Strom mehr zur Verfügung stand.

„Echt schon viel gemacht“ hat er, findet Adi Descy, wenn er sich zurückerinnert an die letzten 23 Jahre, und damit das auch so klappen kann, muss man sich auf die Unterstützung der Stadt verlassen können. So wie beim Biergarten auf dem Hauptplatz, den er betreibt, habe man sich nach anfänglichen Schwierigkeiten stets zusammengesetzt und „dann hat’s passt“. Die Stadt, insbesondere Bürgermeister Hans Prechter, habe ihm immer geholfen, wo es ging. Bei großen Projekten braucht man auch die Feuerwehr, und auch das war nie ein Problem. „Wenn es sein musste, haben wir uns hingesetzt und alles ausgeredet“, sagt er und konnte sich immer darauf verlassen, dass die Stadt ihm „die Stange hält“.

Unter der Woche läuft alles „normal“ in der Kneipe, da hat der Wirt die Möglichkeit, an neuen Ideen zu spinnen und sich von der richtigen „Mischung“ seiner Gäste inspirieren zu lassen. Jung und Alt sitzen da beieinander, und Adi Descy ist stolz, dass es den „Sigl“ immer noch gibt, obwohl die Konkurrenz in der Stadt beträchtlich zugenommen hat. Manchmal allerdings muss ein „Höllenkonzert“ vor nur 80 Leuten stattfinden, weil sich erst nach dem fulminanten Auftritt herumspricht, dass die „Big Town Playboys“ die Begleitband von Eric Clapton sind. Adi Descys absolutes Lieblingsstück ist „Going back to Georgia“, und als die „Climax Blues Band“ den Titel auf „seiner“ Bühne spielte, sagte er dies der Band beim Kaffeetrinken nach dem Konzert. Der Bandleader deutete auf seinen Gitarristen: „Lester wrote it.“ Adi schaute ihn voller Bewunderung an: „Bloody bastard!“ So drückt man unter Musikfreaks wohl seine Anerkennung aus, und Lester Hunt antwortete ebenso prägnant: „Pure and absolute, my Friend!“ Solche Augenblicke will der Konzertveranstalter nicht mehr missen. Da wundert es nicht, dass er gerade auf der Suche nach einer „Kulturhalle“ ist, die er eröffnen möchte. Allerdings hat er ein geeignetes Gebäude, in dem er in entsprechendem Rahmen Theater, Konzerte und Kleinkunst bieten könnte, in Pfaffenhofen noch nicht gefunden. An eine Auszeit denkt er also nicht. Die hat er am Anfang des Jahrtausends einmal genommen, doch dann hat er den „Sigl“ wieder aufgesperrt mit der Annonce: „Vier Jahre Urlaub sind genug. Und bildet euch ja nicht ein, ich wäre freundlicher geworden.“ Ist er tatsächlich nicht. Er war schon so.