„Des kamma gor ned sog’n, so schee is des“

Therese Pfab ist seit 43 Jahren Marktfrau mit Leib und Seele – nebenher war sie auch im Sulky beim Pferderennen sehr erfolgreich

Von Julian Knapp

Es muss ein kalter Tag im Spätherbst Anfang der 60er Jahre gewesen sein, an dem sich für Therese Pfab der weitere Verlauf ihres Lebens entschied. Aufgewachsen war sie in dem romantisch gelegenem Einödhof Witzelsberg bei Hofkirchen am schönen Donauwald. Eine Gegend, die einem Menschen vielleicht von kleinauf Sinne und Augen für die Schönheit, die Früchte und Wunder der Natur öffnet.

Eine Landschaft, die Augen und Sinne für die Schönheit schärft

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Draußen in der Natur hat sie damals auch ihren Mann Hermann kennen gelernt. Der war zum Tannengrünschneiden in den Wald ihres Vaters gekommen und sei waghalsig mit den Steigeisen bis in die Fichtenwipfel gekraxelt. Das hat sie wohl beeindruckt, denn schon kurze Zeit später kam sie erstmals mit nach Pfaffenhofen und sah sich das Marktgeschäft ihres künftigen Mannes etwas genauer an. Sie war wohl angetan von dem, was sie zu sehen bekam und verstand sich auch gut mit der Tante Therese Seger ihres Mannes, die das Geschäft schon 1934 begonnen hatte. Der Obst- und Waldfrüchtehandel von Therese Seeger war gut angelaufen. Rentner und Schulkinder brachten Pilze und Schwarzbeeren aus dem Wald, die an eine Fabrik nach München und eben am Wochenmarkt verkauft wurden. Doch der Zweite Weltkrieg machte der dynamischen Jungunternehmerin einen Strich durch die Rechnung, und zu allem Unheil kam hinzu, dass ihr Mann nicht aus dem Krieg heimkehrte.

Damit stand nach 1945 bald fest, dass Hermann Pfab, der seine Tante mit aller Kraft unterstützte, das Geschäft irgendwann übernehmen würde. Um 1950 wurde der heute noch vielen älteren Pfaffenhofnern bekannte „Fruchthof am Platzl“ an der Oberen Stadtmauer eröffnet. Schon Hermann Pfab achtete stark auf die Qualität seiner Ware und wollte für seine Kunden nur die besten Kirschen, weshalb er die edlen Früchte von ein paar handverlesenen Bauern bis aus Franken und vom Kaiserstuhl herankarrte. 1964 heiratete er dann seine Therese und merkte sicher gleich, eine Partnerin gefunden zu haben, die bestens mit anpacken konnte und ein hervorragendes Gespür für Qualität von Obst und Gemüse hatte.

Das Mädchen vom Einödhof in Münchens Großmarkthalle

Aber wie mag es wohl gewesen sein, als die Therese Pfab aus Witzelsberg das erste Mal in der bayrischen Hauptstadt München in der vor Leben, Treiben, Gerüchen, Geräuschen und Farben überquellenden Großmarkthalle stand“ Ihre funkelnden, stets blitzenden und oft etwas verschmitzt dreinblickenden Augen sind wahrscheinlich hektisch hin- und hergesprungen. Gefallen aber hat es ihr sicher. Noch heute ist die Großmarkthalle ein quirliger Ort und eine eigene Welt mitten in München. Aber damals muss es doch noch ganz anders gewesen sein. Viel größer, viel mehr Leute, viel lauter und chaotischer. Schließlich kauften damals Handelsketten wie Edeka alles in der Großmarkthalle ein. Heute lassen sich die Supermärkte direkt beliefern, und es geht wesentlich ruhiger zu, dort wo Therese Pfab jeden einzelnen Händler persönlich kennt.

Auch am Wochenmarkt kennt sie jeden Kunden persönlich. Alles kleine Freundschaften. Der kurze Tratsch am Marktstand ist das verbindende, ja retardierende Moment im Marktalltag der Therese Pfab. Mancher kommt auf ein Schwätzchen, obwohl er gar nichts braucht. Einmal über den Markt schlendern, das muss sein. Ähnlich ergeht es den Verkäuferinnen. Kaum eine schafft es, den Wochenmarkt ganz zu vergessen. Wenn eine der Frauen in Rente geht, kommt sie noch über Jahre den Stand besuchen und hilft gerne aus. „Wir Marktleit san halt a eig’nes Volk“, meint Therese Pfab nicht ohne Stolz.

„Marktleit san a eig‘nes Volk“

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Der Wochenmarkt hat sie geprägt. Zwar tritt sie nun langsam kürzer – den Laden hat sie ihrer Tochter Therese und dem Sohn Helmut übergeben – den Wochenmarkt aber kann und will sie noch nicht aufgeben. „Vo heit auf morgn ko i des ned.“ Der Markt war und bleibt ihr Leben, das spürt man: „Die Freiheit draußen, die netten Kunden … Wochenmarkt is einfach schee. Wenn i in da Früh um fünfe raus geh, ohhh mei…, die Luft, die Vögel, wie`s singa, wie ma se heert,
weil’s so schee staad is. Des kamma gor ned sog’n, so schee is des.“

Genau dasselbe genießt auch der Kunde am Wochenmarkt. Ungezwungen einkaufen unter freiem Himmel. Auch das Zwischenmenschliche zwischen Kunde und Händler ist hier noch in Ordnung, nicht wie in manchen Geschäften. „Do kriagst ko Bittschön und ko Dankschön mehr und d’Verkäuferin hockt drin mit am Gesicht…“, erzählt Therese Pfab. Sie will auch nicht mit künstlicher Freundlichkeit behandelt werden. Das workshopgeschulte Mc-Donalds-Grinsen mit auswendig gelernten Aufsagern wäre ihr, wenn sie denn jemals am Burger-Fließband gestanden wäre, sicher zuwider gewesen: „Des Übersüße, des mog i aa ned.“

Der Marktstand aber war ihr immer so schön und lieb, dass sie die letzten 43 Jahre eigentlich 24 Stunden, sieben Tage die Woche nichts anderes als ihren Markt im Kopf hatte. Ein einziges Mal war ein Urlaub geplant. Auf der Donau von Passau bis Budapest. „Einmal die Wachau sehen, des war mein Traum.“ Es war schon alles gebucht und zum 30. Hochzeitstag sollte es losgehen, da stellte sich heraus, dass der Pass ihres Mannes bereits zehn Jahre abgelaufen war. Aber Therese ließ sich nicht abbringen und fuhr alleine. Die wunderschöne Wachau hatten sie gerade passiert, da mussten sie auf Busse umsteigen, da der Fluss zu wenig Wasser führte. Doch das empfand Therese Pfab im Nachhinein als Glücksfall. „So sind wir quer durch Ungarn und die Armut dort, das hätte ich mir nicht vorstellen können. Da wurde mir bewusst, wie gut es uns in Deutschland eigentlich geht.“

Ein paar Kurzreisen gab es noch. Jährlich macht sich Therese Pfab im Frühling zur Blüte und im Spätsommer zur Ernte auf nach Reichenau am Bodensee, um – pathetisch gesprochen – die Träger der Früchte ihres Lebens mit eigenen Augen zu sehen, an Blüten zu schnuppern und rotbackige Äpfel zu zupfen. Therese Pfab ist es wichtig, eine Beziehung zu dem zu haben, was sie macht. Die Ware, deren Qualität ihr höchstes Gut ist, sieht sie nicht einfach als Produkt. Sie ist Teil der Natur und eines wundersamen, göttlichen Kreislaufes, dem sie alljährlich am Bodensee nachspürt und fühlt, um ihn für sich erfahrbar zu machen.

Den Biotrend beobachtet sie schon länger – endlich ist er da

Nun lässt sich denken, wie froh Therese Pfab über den Trend hin zu bewussterer Ernährung, zu Bio und Qualität ist. Die Entwicklung konnte sie an ihrem Marktstand ganz genau verfolgen. Bio boomt seit Jahren, aber speziell seit der zweiten Jahreshälfte 2006 ist die Nachfrage noch mal extrem gestiegen. „Auch bei de jungen Leit. Die kochen wieder und achten auf des, was sie essen“, schwärmt sie von ihren jungen Kunden. Das sei früher anders gewesen. „Billig“ war in den Siebzigern und Achtzigern das wichtigste Schlagwort. Ein ganzer Korb irgendwas für fünf Mark, fast schien es egal zu sein, was drin war, war immer das Topangebot, auf das die Mehrheit wartete. „Dann hams halt die Hälft’n wieder wegg’schmiss’n, aber des war dann egal. Genauso beim Düngen. Erträge, dass fast die Hälfte übrig blieb. Des brauchts doch ned“, ärgert sich Therese Pfab und ist froh, dass scheinbar ein Bewusstseinswandel eingesetzt hat.

Für ihr eigenes Bewusstsein war Therese Pfab noch eine letzte Reise wichtig. Einmal im Leben wollte sie einen echten Orangenbaum sehen. Ein Händler in der Großmarkthalle hat sie dann irgendwann eingeladen zu einem Flug nach Spanien, für ein Wochenende, an dem er ihr alles vor Ort im heißen Andalusien zeigte. In Sachen Urlaub haben sich damit bereits all ihre Wünsche erfüllt, denn wohin es die anderen zieht, interessiert sie wenig. Ihr Kommentar zum Ballermann: „Mallorca oder so. Zwei Wochen am Strand liegen. Oh Gott, i dad eingeh.“

„Mallorca, zwei Wochen Strand – oh Gott, da dad i eingehn“

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Nur in der Sonne braten, das wäre ihr viel zu langweilig. Diese Frau braucht Action. Noch mit 50 Jahren saß sie im Sulki und fuhr in Pfaffenhofen oder Daglfing Rennen. Einer ihrer größten Erfolge war ein mit 21.000 Mark dotierter Sieg in Daglfing. Thomas und Johnny Boy waren zwei ihrer erfolgreichsten Pferde, deren Portraits noch heute an der Wand im Haus in der Niederscheyrerstraße hängen. „Es war a Hobby vo meim Mo und do war für mi selbstverständlich, dass i mi beteilig’.“ Aber gleich als Rennfahrerin“ War ihr als Unabkömmliche am Marktstand das Verletzungsrisiko nicht zu groß“ Hatte ihr Mann nicht eine Heidenangst um sie“ „A geh, die hod des kennt, do hob i koa Angst hobn braucha“, erwidert ihr Mann kurz und trocken. Als dann die Siegerprämien geringer wurden und die Konkurrenz der berufsmäßigen Rennfahrer immer größer und härter, da hat es Therese Pfab schließlich doch sein lassen. „Die san einem für an Hunderta über d’ Fiaß g’fohrn. Des hob i als Fahrerin und Pferdehalterin aus Leidenschaft ned braucht.“Wenn ihr was nicht passt, dann trifft sie ihre Entscheidung und sagt deutlich ihre Meinung. Einer der Punkte, den ihre Tochter Therese so an ihr schätzt. Für die Erziehung der eigenen Kinder hat die Tochter da viel gelernt, und so manchen Spruch gibt sie heute wortwörtlich weiter. An ihren Sohn Bernhard zum Beispiel: „‚Wer furt geh ko, der konn aa friah aufstehn.’ Des war immer ihre Devise. Auch, dass nicht jede Viertelstunde Arbeit aufgeschrieben wird, schließlich sind wir ein Familienbetrieb.“

Heuer wird Therese Pfab 65 Jahre. Am dritten August. Löwe ist sie also. Das passt. Und so bleibt ihr zu wünschen, dass sie sich ihre unbandige Kraft und Energie, ihr glückliches Lachen und ihren Tatendrang noch lange erhält.

Langsam versucht sie, sich von ihrem Markt zu lösen

Schritt für Schritt will sie sich aus den aktiven Geschäften zurückziehen, um ihre Kinder weiter heranzuführen und sich selbst langsam zu lösen. Von ihrem Markt, der alles für sie war und ist. Wenn sie einmal nicht mehr am Stand persönlich verkaufen wird, dann schlendert sie bestimmt zwischen den Ständen umher, wird mit den Kollegen plauschen, und der Tratsch mit altbekannten Kunden kann beliebig ausgedehnt werden. Nur eines steht fest. Sofa-Renterin vor der Glotze wird eine Therese Pfab sicher nie.