Vom Glück ein eigenes Land zu haben – Wie junge Menschen in einem Krisengebiet leben können

Von Julia Mähner

Obwohl die Situation mit Palästina und den restlichen Nachbarstaaten sich augenblicklich beruhigt hat, ist der Konflikt Israels immer noch oft in den Nachrichten. Nicht nur wegen der Distanz von etwa 2500 km erscheinen diese Spannungen teilweise bizarr und wie ein Film.

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Eine Gruppe von Schülern des hiesigen Gymnasiums hatte die Chance, die Situation aus nächster Nähe zu betrachten, bemerkte zunächst jedoch wenig von dem politischen Hin und Her. Aber es gab Dinge, die sofort ins Auge stachen, beispielsweise die Entspanntheit, Offenheit der dort lebenden Menschen. So sahen sich die deutschen Schüler sofort von einer Traube schnatternder Israelis umgeben, als sie das erste Mal einen Fuß in die Schule setzten. „Cool, Germans!“, sprach eine völlig Fremde die Jugendlichen im Stadtzentrum an. Dinge, die in Deutschland selten jemand machen würde, wie uneingeladen auf privaten Hausparties zu erscheinen oder einfach so die Schule zu schwänzen, um an den Strand zu fahren, werden in Israel mit einem lässigen Schulterzucken spontan geplant und durchgeführt. „Das Leben ist viel zu kurz, um es nicht zu genießen“, lachen sie.

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Dieses Motto kommt nicht von ungefähr. Geprägt von der Vergangenheit und der Gegenwart, versuchen die Jugendlichen so schön und aufregend zu leben wie möglich, da sie wissen, in wenigen Minuten könnte alles schon vorbei sein. Das Dritte Reich, die Neo-Nazis in Deutschland und „die Araber“ sind wie offene Wunden, die scheinbar nie verheilen werden. Als die Israelis per Internet von dem Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern erfuhren, hörten sie nicht auf, sich Sorgen zu machen, bis ihre deutschen Partner ihre Bedenken durch gutes Zureden zerstreuen konnten.

Bereits im vorigen Sommer, während die Schüler aus Israel ihren Deutschlandaufenthalt hatten, riss der Besuch im KZ Dachau den dünnen Schorf der Wunde auf. „Wir haben so viel Glück, dass wir jetzt ein eigenes Land haben!“, schluchzte eines der israelischen Mädchen angesichts der Verbrennungsanlagen.

Die Bewohner Israels, sowohl männlich als auch weiblich, leisten Wehrdienst, nur selten will sich jemand davor drücken. „Ich will ein paar Araber töten“, sagt ein junger Mann, der seinen Dienst im September beginnen wird. Seine beste Freundin nickt zustimmend und stolz: „Ich werde dir helfen.“ Und sie meinen es ernst.

Daraufhin weiß man zuerst nicht, was man erwidern soll. Wenn einem Gleichaltrige erzählen, sie seien bereit, ein Leben auszulöschen, schluckt man erst einmal. Von einer Sekunde auf die andere wechseln die Jugendlichen von lockeren Witzen zu ernsthaften Statements.

Das ist die Art, wie solch junge Menschen mit der Situation klarkommen: Sie wandeln auf dem schmalen Grad zwischen Sicherheit und Gefahr, Spaß und Pflichten, Leben und Tod. Ein gewisser Sarkasmus zum Selbstschutz ist natürliche Anpassung. Genau das ist das größte Verbrechen dieser feindlichen Regierungen: Durch deren Verstocktheit und Kompromisslosigkeit werden junge Menschen dazu gezwungen, schon so früh geistig zu altern.