Unter roten Dächern: viel Grün, Bäume, Licht und Wasser / Kreative Bürgerideen zur Hauptplatzgestaltung zeichnen ein arkadisches Bild – nun sollen Experten Leben in die Wüste bringen

von Lorenz Trapp

Gute Zeiten sind das für Agoraphobiker. Seit Wochen enthält die Kreisstadt ihren Platz dem, der auf der Suche nach der Piazza durch die Stadt streicht, schlicht und einfach vor und bietet eine Baustelle. Wüst wuchert das Leben zwischen Pflastersteinen und Baumaschinen. Gitterzäunchen zwingen die Fußgänger nahe an die Häuserzeilen, und nur der schräge Blick nach oben bringt die ansprechende bürgerliche Fassade, die den Hauptplatz umrundet und seinen ursprünglichen und zukünftigen Glanz erahnen lässt, wieder ins Gesichtsfeld.
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Die Pflastersteine sollen liegen, und die Baumaschinen sollen brummen, wünscht sich der Bürger, der sehr interessiert und ein wenig skeptisch den Fortschritt begutachtet. Die Geschwindigkeit, in der die Arbeiten voranschreiten, erscheint ihm, der dem gesunden Menschenverstand vertraut, doch ein bisschen zögerlich. Einigkeit herrscht da wohl zwischen ihm und den Geschäftsleuten rund um den Hauptplatz, die Umsatzeinbußen verzeichnen und denen die Hände, die sie jetzt ja frei hätten, gebunden sind. Um die Bauarbeiten zu beschleunigen, hatte der Stadtrat die Möglichkeit der Sonntagsarbeit diskutiert, den Vorschlag aber auf Grund von massivem Widerstand wieder zu den Akten gelegt. Aber immerhin: Auch am Samstagvormittag waren schon zwei Pflasterer zu sehen, die am Rande der bereits gelegten Steinreihen vor dem Rathaus gen Westen blickten. Weit ist der Weg noch bis zum Marienbrunnen, aber: Es geht voran.

Mit „PAF und DU“ haben die neuen Kräfte in der Stadtverwaltung ein Aktionsprogramm ins Leben gestellt, in dem die Bürger, natürlich im Internet, „mitreden, mitgestalten und mitwissen“ dürfen. Sehr löblich, und primär im Angebot der aktuellen Bürgerbeteiligung steht die Abstimmung über die Gestaltung des Marienbrunnens. Klaus Immich, seines Zeichens seit Jahren der Haus-, Hof- und Platzplaner der Stadt, hat dazu drei Entwürfe gefertigt, die der Mariensäule zu der ihr zustehenden Geltung verhelfen sollen. Eine umlaufende Steinsitzbank mit dahinter liegender Buchshecke und Rosenbepflanzung konkurriert mit einer umlaufenden Steinsitzbank mit dahint

Die Frage, warum der Zugang zu diesem, Immichs Zeichnung betrachtend, von Süden erfolgen sollte, müssen wir nicht mehr stellen, denn 65% der klickenden Bürger präferieren die dritte Variante, die eine umlaufende Steinsitzbank mit dahinterliegendem Brunnenbecken zeigt. Vier Hähne werden aus der Mariensäule ragen und das Becken mit Wasser versorgen. Nostalgie ergreift uns: Beruhigendes Wasser im Rücken und die Lambrusco-Flasche im Blick nutzten wir als Schüler schon vor Jahrzehnten dieses Ambiente im Zentrum des städtischen Lebens zur Entspannung nach dem stressigen Schulalltag, und noch immer hat ein der jugendlichen Alltagstauglichkeit misstrauender Flaneur alljährlich Gelegenheit, ihren Abschluss feiernden Schülern beim kurzen und erfrischenden Bad im Becken zuzuschauen: ein Anblick, der uns auch in Zukunft, wenn denn das Votum der Bürger bei der Gestaltung des Brunnens zum Tragen kommt, nicht nur nicht erspart bleiben, sondern auch weiterhin erfreuen wird. Wie Wasser in der Wüste.

71 Entwürfe und eine Jury
Ein ganz neues Gesicht aber wird der untere Hauptplatz tragen. „PAF und DU“ hat einen Wettbewerb ausgeschrieben und alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sich mit ihren Ideen und Wünschen für die Gestaltung des unteren Hauptplatzes einzubringen. Der Erfolg war gigantisch: 71 Entwürfe reichten ambitionierte Hobby-Städteplaner aus Pfaffenhofen und Umgebung ein, und Bürgermeis-ter Thomas Herker zeigte sich ob der Beteiligung „begeistert“. Wie es sich gehört, trat eine Jury auf den Plan, die sich durch die Tatsache, dass sie von den eingereichten Entwürfen erstmal „überwältigt“ war, nicht unbedingt ein Zeugnis der Professionalität ausstellte, aber es schaffte, drei der Entwürfe als Preisträger mit je 500 Euro zu bewerten.

Rot leuchten die Dächer und Grün dominiert in den eingereichten Exponaten. Dazu wünschen sich die Wettbewerbsteilnehmer Bäume, viel Wasser, Licht, Ruhezonen und Spielmöglichkeiten für Kinder. Daran gibt es nichts zu meckern. Wie der brave Soldat Schweijk, dem nach dem Zusammenbauen seines Gewehrs „auf zwei Gewehre ibrig geblieben“ ist, stellte der Bürgermeister angesichts der Vielzahl und Variabilität der Vorschläge fest, es böte sich nun sogar, da ja nicht alle Anregungen auf dem Hauptplatz realisiert werden könnten, die Möglichkeit, sie an anderen Orten und Plätzen in der Stadt in die Tat umzusetzen. Damit könnte sich endlich auch die Insel zu einer zweiten Wohnstube des Zentrums wandeln.

Priorität jedoch hat der Hauptplatz. Noch ist er wüst und leer. Doch in die laue Luft über dem Wüstensand setzen die Fata Morganas, die die Teilnehmer einreichten, für die Damen und Herren der Verwaltung ein mahnendes Zeichen, denn allen Vorschlägen ist der Wunsch nach einem Ort gemeinsam, der zum Verweilen einlädt. Der Schluss, dies sei in der Vergangenheit nicht in ausreichendem Maße gegeben gewesen, ist erlaubt. In den Vorstellungen treffen Oasen mit Springbrunnen auf ein römisch beeinflusstes Atrium mit schützendem Sonnensegel, und wenn italienisches Flair übergewichtig propagiert wird, setzt ein Rondell mit Brunnen wie eine fliegende Untertasse einen futuristischen Kontrapunkt. Hoffentlich wird das der Stadt nicht zu bunt.

Von Bühnenspiel zu Ramblas
Die drei Preisträger bauen auf Wasser. Reinhard Beck platziert einen Bachlauf in den Hauptplatz, den er „in parkähnlicher Umgebung“ gern gesäumt sähe mit Kirschbäumen, die, sollten sie gepflanzt werden, sicher ein japanisches Fest evozieren. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, bleibt Gerhard Wohlrab, der ein „Bühnenspiel“ gezeichnet hat: Sein Podest verwandelt sich, wenn es nicht bei Veranstaltungen als Bühne Verwendung findet, in einen von Wasser überfluteten Tisch, der den Hauptplatz vor dem Rathaus mittels integrierter Beleuchtungskörper in ein angenehm schimmerndes Licht tauchen soll. Eine Krone in Form eines Hopfengartens setzt Manfred Habl dem Hauptplatz auf: Siebzehn Stangen vor dem Rathaus, die zum einen Teil Licht, zum andern Wasser spucken, leiten über in den ehemaligen Bereich des Bürgergartens, den der Künstler als „Ramblas“ gestaltet haben will – Barcelonas Prachtstraße lässt grüßen.

Pfaffenhofens Hauptplatz nimmt dankend an? „Man weiß es nicht“, pflegen Psychologen zu sagen, wenn sie selbst etwas nicht wissen. Wer nicht weiß, muss fragen. Gefragt wurde eine Jury, und wenn alles wie geplant läuft, wird deren Mitglied, der oben erwähnte Klaus Immich, die Aufgabe übernehmen, auf der Basis der eingegangenen Entwürfe zwei bis drei Varianten zu erarbeiten. Künstlerisch beratend unterstützen soll ihn Andreas Sobeck, ein renommierter Künstler, dessen Frühwerk, ein „moderner“ Brunnen, 1967 die Bevölkerung in Deggendorf dergestalt polarisierte, dass sein Wasser nur ganze 41 Tage sprudelte.

Gute Zeiten für Agoraphobiker? Ein bisschen Angst kann uns schon werden angesichts der präzisen Angabe von „zwei bis drei“ Varianten, die von so und so viel Experten erarbeitet werden möchten. Hoffentlich entsprechen diese dann der Wahrheit, die Pfaffenhofens Bürgerinnen und Bürger in Zukunft auf dem Hauptplatz erleben wollen. Sonst bleibt nicht mehr als ein kleiner Aphorismus, der sich nie mit der Wahrheit deckt; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder gleich anderthalb. Wir bleiben auf dem Boden und halten es mit den Fußballern: Die Wahrheit, sagt deren Weisheit, liege auf dem Platz. Schauen wir mal.