Sankt Stephan strahlt zur Weihnachtszeit / Haimpertshofens Kleinod genießt sonst kaum die adäquate Wertschätzung

von Hellmuth Inderwies

So sehr der Pfaffenhofener Ortsteil Haimpertshofen vom dichten Verkehr auf der B13 frequentiert wird, so wenig schenkt man der markanten Filialkirche inmitten des Dorfes auf der flüchtigen Durchfahrt Beachtung. Die Insassen eines Autos nehmen allenfalls die mächtige dunkle Zwiebel der Turmhaube und das helle Rot des Daches eines sonst eher kleinen, scheinbar unbedeutenden Gotteshauses wahr. Es ist dem heiligen Stephanus geweiht und steht, von den lokalen Besuchern abgesehen, nur einmal im Jahr im Mittelpunkt öffentlichen Interesses, obwohl es sich um ein historisches Denkmal typischer bayerischer Wesensart handelt, das ein außerordentlich bedeutendes Kleinod sakraler Kunst birgt.

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Am Nachmittag des 26. Dezember, dem Patrozinium des Heiligen, feiert Haimpertshofen sein jährliches Festival als ein von Weihnachten nicht wegzudenkendes Ereignis. Zusammen mit zahlreichen Besuchern aus der Region sammelt sich hier vor allem auch die politische Prominenz der Kreisstadt, um beim „Stephaniritt“ wenigstens am Umzug teilzunehmen, wenn manche schon die religiöse Andacht, die den Auftakt bildet, versäumen. Bei dem 1990 nach drei Jahrzehnten neu belebten traditionellen Brauch umrundet die Prozession dreimal die Kirche, beim ersten Mal auch der Pfarrer mit der Reliquienmonstranz des hl. Stephanus. Dem Spielmannszug der Stadtkapelle Pfaffenhofen folgen die berittenen oder vor Droschken und Kutschen gespannten festlich geschmückten Pferde, Ponys und Esel. Auch heuer werden sie zum Abschluss wieder ein Säckchen mit geweihtem Hafer und den mit Weihwasser erteilten geistlichen Segen des Pfarrers, Pater Alois Gurtner MSC, erhalten. Unheil und Krankheiten sollen damit von ihnen fern gehalten werden.

Mächtige Außenmauern auf spätromanischem Fundament
1953 hat Michael P. Weingartner diese Szene im Deckengemälde der Kirche festgehalten. Das Publikum bilden hier zusammen mit den Tieren die Bürger der damals noch selbständigen Gemeinde, die Pfarrer Andreas Scheitle unter dem Obdach eines von Ministranten gehaltenen Traghimmels gerade segnet. Auf den Wolken darüber erscheint im Strahlenglanz des Himmels die Gestalt des hl. Stephanus, der seine Arme schützend über Menschen, Tiere und Dorf ausbreitet. Als diese Darstellung wohl wegen ihres etwas zu „rustikalen“ Charakters der vor der Jahrtausendwende stattfindenden Renovierung der Kirche zum Opfer fallen sollte, verhinderten dies die Haimperts hofener mit Nachdruck und gewiss auch zu Recht. Denn das Andenken an die fast durchwegs leicht identifizierbaren Dorfbewohner sollte auch für die Zukunft erhalten bleiben, wie Manfred Hörmann, Mitglied der Kirchenverwaltung, und Mesner Ludwig Seitz mit ein wenig Stolz auf diesen Sieg über die Restaurateure berichten. Überhaupt ist die Kirche ein wichtiges Monument der 1080 beginnenden wechselvollen Geschichte des Ortes, dessen adeliger Name sich von einem „Raffolt de Haimpertshoven“ herleitet. Aus sechs bis sieben Jahrhunderten stammen ihre Bausubstanz und die Kunstwerke im Innenraum. Teile ihrer mächtigen Außenmauern deuten darauf hin, dass der am Ende des 15. Jahrhunderts errichtete gotische Bau auf einem spätromanischen Fundament basiert. Im 18. Jahrhundert erfolgte dann, wie es in Bayern allenthalben geschah, die Barockisierung des Gotteshauses. Lediglich die Apsis mit ihrem Sternrippengewölbe auf Mauerkonsolen blieb in alter Form erhalten. Sie birgt jenes Kleinod eines Renaissancealtares, der selbst sehr bedeutende Kirchendenkmäler in hohem Maße schmücken würde.

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Ausschnitt aus dem Deckengemälde von M.P. Weingartner

Beim Betreten der Kirche zieht die wertvolle, aus Holz gefertigte Altarretabel aus der Zeit um 1520 die Blicke des Besuchers unwillkürlich auf sich, auch wenn ihr Exterieur gegenüber dem goldenen Glanz der barocken Seitenaltäre eher sachlich und nüchtern wirkt. Zwischen 1994 und 1998 wurde sie mit großem Aufwand restauriert und ihr ursprüngliches Erscheinungsbild wieder hergestellt. Sie ziert ein reiches filigranes Ornament aus Pflanzenranken, Perlschnüren, Eierstabzierleisten und Zahnschnitt sowie den Akanthusblättern in den Kapitellen der tragenden korinthischen Pilaster. Auf der mittleren Ebene, dem Hauptgeschoß und Zentrum ihres dreistufigen Aufbaus, steht die Figur des Kirchenpatrons unter einem offenen Rundbogen. Während er mit der rechten Hand in seinem geschürzten Gewand die Steine trägt, mit denen seine Hinrichtung vollzogen wurde, hält er in seiner linken einen Palmwedel als Zeichen seines Märtyrertums und zugleich als Symbol der Auferstehung und des ewigen Lebens. „Unverkennbar ist der römische Triumphbogen, das Monument für Kaiser und siegreiche Feldherren, Gestaltungsmotiv für den Altar gewesen.“ stellt Klaus Kratsch, ehemaliger Hauptkonservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, fest.

Auf den ersten Blick vermag man keinen stimmigen Zusammenhang zwischen dem Fest des hl. Stephanus, der als Prediger der christlichen Lehre als Erster einen grausamen Märtyrertod auf sich nahm, und Weihnachten als dem freudevollen Fest der Geburt Christi zu erkennen, sieht man davon ab, dass der Diakon mit dem griechischen Namen (Stephanus/altgriech. στέφανος = Stirnband, Kranz, Krone, Sieg) auch für soziale Aufgaben in seiner Gemeinde in Jerusalem zuständig war und Weihnachten als Fest des Gebens und Schenkens gesehen wird. Aber im frühen Christentum war, wie vielfach schon in der antiken klassischen Philosophie, der „Tod als zweite Geburt“ allenthalben ein alltägliches und beliebtes Thema. So schrieb Ignatius von Antiochien kurze Zeit vor seiner Hinrichtung im Circus Maximus (Er wurde nach Eusebius dort von Löwen zerrissen.) in einem Brief an die Römer (6. Kap.): „Mir steht die Geburt bevor… hindert mich nicht das Leben zu gewinnen.“ Und ebenso sah es wohl auch Stephanus bei seiner Steinigung, wie es in der Apostelgeschichte zum Ausdruck kommt. Deshalb steht die Thematik der Retabel keineswegs im Widerspruch zur schönen Haimpertshofener Weihnachtskrippe. Sie wurde von 2002 an als ein Anliegen von Pfarrer Alois Gurtner in Etappen gefertigt und wird jedes Jahr auf dem linken Nebenaltar der Kirche in der weihnachtlichen Zeit aufgebaut.

Es handelt sich um eine typische Heimatkrippe mit Figuren, die sich sehr stark am Nazarenerstil orientieren. Von der Herbergssuche mit einer schwangeren Maria (Idee der verstorbenen Kirchenpflegerin Berta Reisner) bis zur Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten werden alle wichtigen Szenen des biblischen Weihnachtsgeschehens vor Augen geführt. Landschaft und Gebäude, die von dem Haimpertshofener Andreas Hörmann geschaffen wurden, lassen den heimatlich-ländlichen Raum früherer Zeiten in Erscheinung treten. Die Figuren wiederum stammen aus dem Holzbildhaueratelier „Gerhard Ploner“, das in Gufidaun oberhalb von Klausen in Südtirol beheimatet ist. Sie sind ausschließlich in Handarbeit geschnitzt. Beides harmoniert in einem Maße, dass man die Haimpertshofener Krippe zu den schönsten in der Region zählen kann. Sie kündet zur Weihnachtszeit in jener Weise den Menschen den Frieden, wie ihn in seiner vielfältigen Symbolhaftigkeit der Palmzweig des hl. Stephanus das ganze Jahr über vermittelt. Mag seine Kirche in Haimpertshofen von außen auch sehr unscheinbar wirken, für sie gilt das, wozu J. W. von Goethe in einem seiner bekanntesten Gedichte aufgerufen hat:

„Kommt aber nur einmal herein!
Begrüßt die heilige Kapelle;
Da ists auf einmal farbig helle,
Geschicht und Zierat glänzt in Schnelle,
Bedeutend wirkt ein edler Schein.
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaut euch und ergetzt die Augen!“

Weihnachtskrippe

Weihnachtskrippe

Herbergssuche – die schwangere Maria

Herbergssuche – die schwangere Maria