Von Lorenz Trapp
Pfaffenhofen
Der Hauptplatz sei „rechteckig wie eine Haustüre,“ so beginnt der Roman „Der Zwischenfall“ von Josef Maria Lutz. „Oben steht die Kirche mit einem hohen Turm“, schreibt er weiter, „unten schließt das Rathaus den Platz ab. Auf dem Marktplatz haben die Geschäftsleute ihre stolzen Häuser, und dazwischen stehen, rechts und links gerecht verteilt, acht Brauereien. Unweit der Kirche spreizt sich, in etwas besonderer Bauart, das Bezirksamt“.
Das Bezirksamt spreizt sich nun als Landratsamt, war dieser Bau doch nicht dazu angetan, das Gesamtbild des Hauptplatzes zu verschönern.
Sicher, Josef Maria Lutz, der große Heimatdichter und Schriftsteller hatte sich in seinem Roman von 1929 nicht auf Pfaffenhofen festgelegt, nannte die Stadt auch „Kleindlfing“, und hat immer geleugnet, dass der Roman autobiographische Züge trüge. Doch zu viele Pfaffenhofener haben sich in seinem Werk wieder erkannt, sonst wäre es damals sicher nicht zu den Animositäten zwischen „Volk und Dichter“ gekommen, wie es Franz Rutsch in seiner „Hopfakirm“ aus der heimatlichen Schriftenreihe des Landratsamtes nennt.
Schlummernde Museen möchten erweckt werden
Als 1971 das Landratsamt eingeweiht wurde, war davon auf jeden Fall nichts mehr zu spüren, und der Dichter, der dazu eingeladen war, überlebte das Ereignis nur um ein Jahr. 1972 starb er in München. Seine Heimatstadt widmete ihm großzügig eine Straße, und sein Nachlass fand eine Heimat im Flaschl-Turm am Platzl.
Einen leichten Hauch von Sackgasse beinhaltet die Adresse, doch dem ist beileibe nicht so. Durch den Turm hindurch führt der Weg an den Resten der Pfaffenhofener Stadtmauer entlang, und im idyllischen Türmchen könnte der Besucher die Wohnungseinrichtung und unendlich viele Unterlagen und Dokumente aus den Lebzeiten des Dichters bewundern. Ein kleines bisschen nämlich lässt die Stadt ihr Museum im Regen stehen, wie in einer Sackgasse, denn es tut sich relativ wenig, befindet Franz Rutsch, der sich um das museale Kleinod kümmert und die Führungen durchführt. „98 Besucher hatten wir im Jahre 2006“, berichtet er, „und die kann ich auch gleich zum Kaffee mit nach Hause nehmen.“
Es verwundert, dass die Stadt das Museum eines ihrer berühmtesten Söhne und ihres Ehrenbürgers nicht mehr fördert. Auch das Heimatmuseum im Mesner-Haus öffnet sich dem interessierten Besucher erst nach telefonischer Terminvereinbarung. Dass der Theaterspielkreis zum 100. Geburtstag des Dichters im Jahre 1993 das Stück „Der fremde Kaiser“ in Uraufführung auf die Bühne gebracht hat, war nur ein Tropfen auf den heißen Stein des Andenkens an Josef Maria Lutz. Vielleicht trägt ihm die Stadt seinen kritischen, aber liebevollen Blick immer noch nach.
Schon im Jahre 1927 diente der Hauptplatz als Parkplatz für die zeitgenössischen Fortbewegungsmittel. Die zugehörigen „Pferdestärken“ vergnügten sich derweil an umliegenden Tränken. Fotos: Rutsch
Kunst und Künstler finden ein Zuhause
Überhaupt sind die Museen in der Stadt sehr klein, so dass Pfaffenhofen sich nicht gegen die Bezeichnung Kleinstadt auflehnen darf, und außer dem Dichtermuseum und dem Heimatmuseum gibt es nur noch das Wachsziehereimuseum in Privatbesitz. Die Stadt lässt ihre Kleinode im Stillen ruhen und pflegt zwei Museen im stillen Kämmerlein einer Sackgasse.
„Das Boot in meinem Teich ist größer,“ soll ein Pfaffenhofener Künstler geäußert haben, als ein langgehegter Wunsch aller Kunstfreunde vor einigen Monaten in Erfüllung ging: Die Städtische Galerie im Haus der Begegnung wurde offiziell ihrer Bestimmung übergeben. Nachdem man jahrelang in einer Sackgasse gekämpft hatte, bekamen die Pfaffenhofener Künstler endlich einen eigenen Raum für ihre Aktivitäten. Kraftvoll bewegt sich Pfaffenhofen also dann doch noch im Kreis.
Gerade die Europäischen Kulturtage im Sommer sind ein Beleg dafür, dass mit Konzerten und Ausstellungen, mit Theater und Lesungen künstlerisches Flair auf europäischem Niveau in der Stadt an der Ilm durchaus seinen Platz hat. Einem umtriebigen und durchsetzungsfähigen Kulturreferenten kann dafür nicht genug Dank ausgesprochen werden.
Andernorts, und damit sind wir wieder beim Hauptplatz, wird abgeholzt. Drei Kastanien, die seit sechs Jahrzehnten den Hauptplatz zieren, werden gefällt, zwei weitere werden so kräftig zugeschnitten, dass mit Biergarten-Idylle erst mal Schluss ist. Wobei man von Idylle gar nicht unbedingt sprechen konnte.
Seit Jahren nämlich bewegt sich die Stadt mit der Diskussion um den schöneren Hauptplatz in einer – richtig: in einer Sackgasse. Noch immer scheint ihm die Stadt als Magneten für metallische Fortbewegungsmittel erhalten zu wollen, wo er doch, so meinen die anliegenden Geschäftsleute, eigentlich Besucher in ihre Geschäfte locken sollte. Obwohl der Hauptplatz ständig zugeparkt ist, befinden sich angeblich zu wenig Kunden in den Geschäften. Die Befürchtung der Geschäftsleute geht noch weiter: Wenn der Hauptplatz wohnlicher, also als „gute Stube“ der Stadt gestaltet würde, müsste man Parkplätze opfern, und mit den Autos kämen doch die Besucher, und wenn kein Parkplatz, dann …
Geschäfte fliehen aus der „guten Stube“
In vielen „guten Stuben“ vergleichbarer Städte halten sich deutlich mehr Menschen auf als Autos. Irgendwie muss sich da herumgesprochen haben, dass der Aufenthalt in so einem „Wohnzimmer“ durchaus seine Annehmlichkeiten bietet, während man in Pfaffenhofens „Geschäftszimmern“ stets den Eindruck hat, als müsste man durch parkende und parkplatzsuchende Autos fliehen. „Geflohen“ ist ja bereits ein traditionsreiches Eisenwarengeschäft, und auch das Ilmgau-Kaufhaus steht noch immer leer. „Und unten schließt das Rathaus den Platz ab“, schreibt Josef Maria Lutz, der fast Vergessene, und er war wohl nicht so frech zu behaupten, dass es immer die Bürokraten sind, die am Ende der Sackgasse vergessen, sich umzudrehen. Abschließen darf man das Problem dennoch nicht: Eine Stadt wie Pfaffenhofen muss in der Lage sein, sich ein gemütliches, von ihren Bürgern auch angenommenes „Wohnzimmer“ zu leisten. Wie so ein Wohnzimmer aussehen könnte, konnte man in den sonnigen Tagen während der Fußball-Weltmeisterschaft beobachten. Kommunikation und Freude in der Stadt bestimmten den Hauptplatz, und darüber hat erst mal niemand die Frage gestellt, wo denn all die Autos geblieben waren.
Noch blickt der Spaziergänger ratlos in die Zukunft. Doch in absehbarer Zeit sollen durch die Unterführung auch die Autofahrer die Parkplätze auf der Ostseite des Bahnhofs erreichen können. Foto: Knapp
Summernight-Shopping und neue Bauprojekte
Ebenso zeigten sich beim Summernight-Shopping, wie man Spaß und Unterhaltung mit Einkaufen in eine glückliche Symbiose führen kann, in der sich Ausgehen als Hineingehen in die Stadt wieder lohnt. Vielleicht bietet ja das innerstädtische „Filetstück“ der Stadt nun Gelegenheit, auch im Hinblick auf Parkplätze der Not der Geschäftsleute Abhilfe zu schaffen. Mit der Neugestaltung des Areals zwischen Frauenstraße und Stadtgraben sind nun alle Voraussetzungen gegeben, auch dem Hauptplatz ein neues, nicht zugeparktes, sondern von Menschen belebtes Gesicht zu geben, und die Sackgasse endlich zu verlassen.
Große Bauprojekte sind ja auch im Osten der Stadt geplant. Schon im November soll das neue „Kaufland“ seine Tore öffnen. Der Einkaufsmarkt wird dann der größte seiner Art in der Kreisstadt sein, und, so muss man wohl hoffen, nicht die Kunden aus dem Zentrum abziehen. Apropos hoffen: Dass der Name „Pfaffenhofen“ etwas damit zu tun hat, dass „Pfaffen hoffen,“ ist ein flaues Gerücht. Man tut schon auch was: Flossen nicht unerwartet 9 Mio. Euro mehr an Gewerbesteuern in die Stadtkasse“
Weil „statische Probleme“ beim Holzboden unter dem großen Festsaal im Rathaus aufgetreten sind, dachte der Stadtrat gleich „global“ und billigte eine Komplettsanierung des Gebäudes. Die Arbeiten laufen bereits und viele Stadträte und Verwaltungsangestellte freuen sich bereits jetzt auf den neuen Blick, den sie dann auf den alten Hauptplatz werfen dürfen. Aufwerten wird die Stadt sicher auch die Genehmigung für ein Hotel auf dem Anwesen des Moosburger Hofs. Denn nach der Schließung des „Bortenschlager“ waren Hotelzimmer in einer Stadt dieser Größe unterrepräsentiert. Durch diese touristische Gasse sollte die Entwicklung kommen, schließlich hat die Stadt unter Bürgermeister Hans Prechter auch schon die Anpassung des Straßennetzes in Angriff genommen.
Sieben Monate lang herrschten chaotische Zustände im Bahnhofsbereich. Die gigantische Unterführung, die im Zuge des Ausbaus der ICE-Trasse nötig geworden war, präsentiert der Kreisstadt nun eine wirkliche Sackgasse. „Für die Zukunft gebaut“ endet sie an ihrem eigenen Ende. Dem auf der B 13 vorbeifahrenden Automobilisten eröffnet sich nicht, wohin sie führt, und wer auf der Schrobenhausener Straße in Richtung Bahnhof fährt, kann sie nicht passieren. Das „Gesperrt-Schild“ verbietet die Einfahrt, die auch völlig sinnlos wäre: Die Unterführung endet an ihrem Ende. Die Parkplatzprobleme des Bahnhofs sollen dort gelöst werden, doch bisher kämpfen die Pendler noch täglich damit, den morgendlichen und abendlichen Spaziergang zum Bahnsteig zu bewältigen. Der Umbau des Bahnhofsgeländes hat schon vor der Unterführung mit behinderten-unfreundlicher Überführung und „vergessenen“ Lifts so viel Staub aufgewirbelt, dass man vorübergehend eine Sackgasse gar nicht erkennen konnte.
Pfaffenhofen in der Sackgasse“ Man will es nicht hoffen! Einer Kreisstadt, die sich ihre unverwechselbare Identität schaffen will, stehen alle Wege offen. Auch wenn heimliche Videoaufnahmen, die eine aufgebrachte Lehrerin zeigen, von Schülern ins Internet gestellt werden, und zukünftige Abiturienten damit nicht unbedingt Zeugnis darüber ablegen, dass sie in einem angenehm gestalteten Wohnraum kommunizieren können, lässt der Umgang der Stadt mit der Kunst hoffen. Alles bleibt im Fluss und fließt in die richtige Richtung, wenn die Stadtverwaltung beschließt, den alten Tresor aus dem Rathaus nun doch nicht in der Ilm „halb“ zu versenken. Golden lackiert hätte er dem Schlenderer an der Ilm einen Lichtblick bieten sollen. Humor hat der Performance-Künstler Habl nicht nur bei seinem kostengünstigen Vorschlag bewiesen, sondern auch, als er sich begeistert über die Ablehnung zeigte. Schon dass er eine so breite Debatte auslöste, sei ihm Künstlerlohn genug.
Gut passt da ins Bild, dass nun viele Pfaffenhofener dem Aufruf eines Immobilien-Kaufmanns Folgen leisten. Sie werden, was sie beim Verzicht auf Genussmittel wie Zigaretten, Süßigkeiten und Alkohol einsparen, dem Verein „Familien in Not“ spenden. Da wird sich die Stadt ein Beispiel nehmen und das, was an einer Stelle gespart werden kann, an anderer Stelle sinnvoll und umsatzbringend einsetzen. Nicht, dass der Pfaffenhofener an sich, wenn es ihn denn gibt, seine Stadt charakterisiert als einen Ort, wo abends nur die Lichter ausgehen. Wie in einer Sackgasse.