von Hellmuth Inderwies
„Wenn die Sonne der Weisheit am tiefsten steht, werfen selbst Zwerge große Schatten!“
Weil es in Pfaffenhofen, der Stadt der Superlative, keine Zwerge gibt, braucht sich von diesem Aphorismus von Karl Kraus auch niemand betroffen fühlen. Man kann hier derzeit allenfalls jene farbenträchtigen Kampfplakate für die Gemeinde- und Kreisratswahlen damit in Verbindung bringen, die Gehwege, Geländer und Gartenzäune mit ihren scheinbar vor Geist strotzenden Parolen zieren und für ein paar Wochen den Blick vom Straßenverkehr ablenken. Zwar ist dieser politische Kunstwald der Fotografie nicht mehr ganz so dicht wie in früheren Zeiten, weil das Internet mit seiner Ausholzung eine spürbare finanzielle Entlastung der Parteienkasse gebracht hat. Aber man ist bei den Politoberen zugleich vorsichtig geworden. Trotz allen Jugendkults begreifen sie in unseren Tagen nun doch so langsam, dass auch bei Wah-
len das Übergewicht in der Altersstruktur der Bevölkerung mehr und mehr den Senioren zufällt. Und von denen hat sich eben ein Großteil noch nicht zum Facebook-Freak und dessen sprachlicher Akrobatik gemausert.
Vom Nutzen einer
politischen Wanderhure
Jene Pfaffenhofener „Burzl-baam“-Parolen, denen man auf diesen werbeträchtigen Plakaten begegnet, scheinen zumindest wegen ihres enormen stilistischen Einfallsreichtums als so etwas wie ein geistiges Proseminar auf diesen noch ausstehenden internetaffinen Karriere-sprung im Rentenalter gedacht zu sein. Unsere örtlichen Parteien haben sich – je nach Finanzlage – mit selbst gestrickten oder von Werbemanagern zusammengezimmerten Schlagwörtern einmal wieder alle Mühe gegeben, ihre politischen Zukunftsvisionen auf eine oberlehrerhafte Formel zu bringen. Da geht der amtierende Bürgermeister Thomas Herker mit dem Gesundheitsslogan „Gemeinsam bewegen“ hausieren, was aus Gründen der Fitness gerade im Alter unbedingt ratsam ist. Es bleibt aber sein Geheimnis, ob er nur die Aktion einer deutschlandbekannten Krankenkasse unterstützen oder dieses Unterfangen erst mit den hiesigen Naturfreunden beginnen will und dabei vielleicht an Nordic Walking denkt oder ob er gar mit seiner SPD und dem Rest der Bevölkerung an der alljährlichen Inline-Tour seines potentiellen Neugenossen Wolfgang Inderwies beim BC Uttenhofen teilnehmen möchte.
Wie konnte in diesem Zusammenhang ein CSU-Oberer mit seiner ach so einfallsreichen Wortschöpfung einer „politischen Wanderhure“ nur den gesundheitlichen Nutzen solcher körperlichen Übung in Frage stellen und zudem in Unkenntnis der noch recht jungen Geschichte seiner eigenen Partei ein ziemlich „faules“ Eigentor schießen? Wie konnte er trotz seiner Seilschaftsmentalität nicht wenigstens daran denken, dass der verdienstvollste Repräsentant seiner „schwarzen“ örtlichen Zunft, der einstige bayerische Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann, eben zur gleichen Wandergilde zu rechnen war, als er sich 1954 von der Bayernpartei verabschiedete? Gab es neben zahlreichen Beispielen sehr prominenter Politiker in hohen Ämtern nicht sogar einen Bundespräsidenten, der seine Wanderschaft als deutscher Innenminister bei der CDU begann, sie dann mit der Gründung der GVP für eine kurze Ruhepause unterbrach, um sie hernach bei der SPD zu beenden? Aber wer braucht sich denn als Meister elitärer Wortschöpfungen noch an Gustav Heinemann erinnern? Nein! Mit dem sonst durchaus ehrenwerten Lebensprinzip „Einmal Löwe – immer Löwe!“ ist man selbst als CSUler manchmal halt doch nicht „Näher dran.“! – An der politischen Weisheit! Versteht sich! Hoffentlich ist es wenigstens der Thomas Röder.
Dass sich wiederum die kleineren im Stadtrat vertretenen Parteien selbst Mut machen müssen, ist nur allzu verständlich.
Sollen sich doch die „Freien Wähler“ beim Aufruf ihrer Internetseite lediglich auf Platz 5.730.395 in Deutschland befinden. Man wird sehen, ob die sehr selbstbewusste, aber doch auch recht hypothetische Behauptung ihres Spitzenkandidaten Albert Gürtner „Weil ich’s kann“ ausreicht, um daran etwas zu ändern und über den gewiss honorigen Status eines Reservekapitäns und Glückwunschbürgermeisters in der bunten Koalition hinauszuwachsen. Davon abgesehen: Was stecken denn da sonst noch für verborgene Fähigkeiten hinter diesem „Es“, das er zu können vorgibt? Wo er doch gleichzeitig in seinem Internet-Exposé, in dem er seine Wahlstrategie mit der des amtierenden 1. Bürgermeisters vergleicht, recht bescheiden im Stil der Sybillinischen Bücher konstatiert:
„Und anders als er bewerbe ich mich nicht für dieses Amt, weil ich um jeden Preis Bürgermeister werden möchte. Ich bewerbe mich für dieses Amt, weil ich’s kann.“ Es wäre über dieses mysteriöse Können hinaus gut zu wissen, was er denn, abgesehen von diesem Amt, dann um jeden Preis möchte, wenn er’s wirklich kann. Man muss ja nicht alles gleich verraten. Eine ausgeklügelte Taktik steckt mit Sicherheit dahinter, zumal diese mutige hintergründige Devise nur als kleine Randnotiz auf seinem Plakat erscheint. Dass andererseits die ÖDP dem jungen Richard Fischer mit dem altklugen sittlichen Ratschlag an die Bürger „Werte kann man wählen“ eine nicht leichte Bürde auferlegte, steht außer Zweifel. Welche Werte sollen es denn noch sein, wenn Pfaffenhofen schon den alles umfassenden Superlativ der „lebenswertesten Stadt der Welt“ genießt und zudem seine Bürger zu den „nachhaltigsten“ Garanten der ÖKO-Werte gekürt worden sind? Schleppt er denn wirklich einen so immensen Katalog von Werten mit sich herum, dass man vor Verwunderung gar nicht mehr an die Möglichkeit denkt, eine Auswahl treffen zu können? Oder sind diese „Werte“ doch eher als eine sehr selbstbewusste Metapher für die Wählbarkeit seiner eigenen Person zu begreifen?
Gleichwie! Da treffen wenigstens der Roland Dörfler und seine Parteifreundin Kerstin Schnapp eine klare und zudem logische Aussage darüber, was für sie von zentralem Wert ist, wenn sie mit Nachdruck fordern: „Zeit für Grün“. Sie legen da den Finger an den Puls der Zeit und sprechen ihren Zeitgenossen aus dem Herzen. Ihnen fehlt es gleichermaßen in ihrem Leben oft an Zeit für sehr viele wünschenswerte Dinge. Sogar über Grün hinaus! Auch wenn diese Farbe der Nachhaltigkeit zumindest symbolhaft auf insgesamt bessere Zeiten hoffen lässt! Oder haben beide doch nur die Malerei als neues Hobby zur Freizeitgestaltung entdeckt, dem sie sich nun verstärkt widmen möchten? Die Mode kann es jedenfalls nicht sein. Ihre Trendfarbe ist in diesem Sommer die Mädchenfarbe Rosa.
Plakatloser Superlativ
wie eine Binsenweisheit
Dass die FDP mit ihrem Bürgermeisterkandidaten Viktor Xerxes Kalupar gegenwärtig nicht so leicht einen neuen Trend erlebt, ist man gewohnt. Aber hat denn die Kreisstadt das Zeitalter der Aufklärung vor weit über 200 Jahren wirklich gänzlich verschlafen, wenn er erst jetzt „Vernunft in Pfaffenhofen“ fordert und die Bürger nunmehr seiner geistigen Lichtgestalt bedürfen, „damit Pfaffenhofen vorwärts kommt“? Mit diesem antiken Muster des Fortschritts bestritten 1996 bereits die Freien Wähler ihren Wahlkampf, – nur mit bedingtem Erfolg! Superlative sind zumindest ausgeblieben. Mit einem gänzlich plakatlosen Superlativ allerdings, der wie eine Binsenweisheit anmutet, will sich letztendlich die neue Wählergruppe „Gemeinsam für Gemeinwohl“ (GfG) ins Spiel bringen und nutzt dabei ihren Namen zugleich als politisches Motto und als Versprechen, das für jeden neu gewählten Volksvertreter durch seinen Amtseid zur absoluten Pflicht wird, gleichgültig, welcher Partei er angehört. Ist man wirklich so naiv zu glauben, dass dieses Gelöbnis bei jenen etablierten Mandatsträgern bereits in Vergessenheit geraten ist, die es erst vor 6, 12, 18 und mehr Jahren abgelegt haben? Wie gut, dass der kritische Wähler über den Wert all dieser Parolen entscheidet!