Es schaut nur so aus. Wirklich, es schaut nur so aus, als hätten wir hier vom Pfaffenhofener keine Lust mehr, was anderes auf dem Titelblatt zu zeigen als diesen gepflasterten Hauptplatz mit Absperrgitter, von dem keiner mehr weiß, wozu es gut war. Natürlich haben wir Lust. In diesen Tagen jedoch soll man einfach mal auf etwas verzichten. Abgesehen davon: Hartes Pflaster und Absperrungen haben durchaus ein nicht zu unterschätzendes metaphorisches Potential, wenn Fronten scharf und zackig werden und die Migrationskrise immer mehr offenbart, wie viel menschliche Schwäche und soziale Unentschlossenheit in politischen Spitzenpositionen agiert.
Es ist Fastenzeit. Ob Alkohol, Süßigkeiten oder Fernsehen – seit Aschermittwoch verzichten wieder viele von uns knapp sieben Wochen lang bis zum Ostersonntag auf ein bestimmtes Genussmittel oder Konsumgut. Sollten Sie den Eindruck einer reduzierten Präsenz von Vernunft und Intelligenz in aktuellen politischen Debatten haben, bedeutet das nicht, dass
diese beiden zu den jederzeit verfügbaren Konsumgütern gehören – von Genussmitteln gar nicht zu reden. Ein besonderes Genussmittel aber ist bei uns gestandenen Bayern in der Fastenzeit das Starkbier, und bei uns in Pfaffen-hofen schließt die Zelebration dieser flüssigen Inspiration nicht nur den „Demokrator“ im Müllerbräu-Saal am 18. März 2016 ein, ein legendäres Starkbierfest, bei dem die lokale SPD mit dem Kabarettisten Michi Dietmayr und dem Rebellen Walter „Muhakl“ Adam den Aufstand gegen eine wässrig gewordene Mutterpartei probt.
Auch die Kabarett-Truppe der „Stachelbären“ lädt mit „Mia, Ihr und Bier 2016“ zum kurzzeitigen und kurzweiligen Verzicht auf Wasser und Brot in den Stockerhof ein. Premiere der satirischen Politikerschelte ist bereits am Samstag, 20. Februar 2016, und auch an den folgenden beiden Freitagen und Samstagen werden die eine Dame und die vier Herrn der Truppe Schwimmwesten des cleveren Humors ausgeben für diejenigen unter uns, deren Kapazitäten des Lachens in diesen Zeiten der Vergänglichkeit in Trübsal zu ertrinken drohen.
Man kann natürlich nicht alles verlangen. Schon gar nicht von einer Schwimmweste. Schwimmwesten sind bevorzugt rot. Nicht unbedingt, weil Rot die Farbe der Liebe ist und angeblich beruhigt; Rot ist auch auf große Entfernung einigermaßen deutlich wahrzunehmen, und dies soll ja für Kunst nicht unwesentlich sein. Hätten Schwimmwesten ein Hirn und könnten sie laufen, dann wären sie sicher nicht in Berlin am Gendarmenmarkt gestrandet, sondern hätten ihre Bestimmung gefunden vor einer griechischen Insel, vor Lampedusa oder Libyen. Die Säulen des Konzerthauses am Gendarmenmarkt hat der chinesische Künstler Ai Weiwei mit Schwimmwesten verhüllt, um an das Schicksal der Flüchtlinge zu erinnern, die auf dem Weg nach Europa ertrunken sind. Die Schwimmwesten sollen von der Insel Lesbos stammen, Originale quasi von einer Anlaufstation für Menschen, die über das Mittelmeer flüchten. Das Werk sei ein Symbol dafür, dass es neben kriminellen Schleppern auch Helfer in der Flüchtlingskatastrophe gebe. Wer hätte das gedacht?
Pflasterhart ist das Leben, heiter ist die Kunst, hat sich Ai Weiwei wohl gedacht. Sonst nichts. Vielleicht, denke ich mir, sollte man das Werk auf den Mond exportieren, nicht als Mahnmal für die Tragik der Flüchtlingskrise, sondern als Einführungsveranstaltung für Außerirdische, die auf dem Weg zur Eroberung unseres Planeten im Vorbeifliegen schon mal einen kleinen Eindruck gewinnen können, wes Geistes Kind wir Erdlinge hier sind.
Der Mond ist übrigens 384 000 km von der Erde entfernt, wie Sie der Info-Stele auf unserem Titelbild entnehmen können. Eine nette Idee des Stadtmarketings; möglicherweise wird sie Bürgermeister Thomas Herker inspirieren auf der Suche nach einem Ort, an den er seine Bürgermeisterkollegen aus Wolnzach und Geisenfeld wünschen möchte, die ihm das Scheitern der Sparkassen-Fusion nachtragen. Abgesehen davon, dass Transparenz am Verhandlungstisch tatsächlich ein Fremdwort war und es somit der gesunde Menschenverstand gebot, sich zu trauen und aufzustehen – ob nun elegant genug oder nicht –: Was ist es für ein Demokratieverständnis, weiterhin auf dem Bürgermeister der Stadt rumzureiten und einfach zu ignorieren, dass der Stadtrat in der Fusionsfrage einstimmig hinter seinem Bürgermeister steht? Einstimmig, quer über alle Fraktionen! Oder glaubt man mittlerweile, ein roter Bürgermeister könne Schwarze und Bunte hypnotisieren? Oder hat er ihnen gar einen Zaubertrank verabreicht?
Zaubertrank ist in der Fastenzeit verboten. Sie läutern sich bitte weiterhin, Wasser ist das gebotene Getränk; Sie werden sich über den klaren Kopf freuen. Und wenn Sie – Fastenzeit hin oder her – trotzdem etwas feiern wollen, von mir aus auch bei Wasser und Brot: Am 20. Februar 2016 böte sich der „Welttag der sozialen Gerechtigkeit“ an. Das muss aber dann auch reichen!
von Lorenz Trapp