Mit Säckchen und Lächeln: Es darf gewichtelt werden

von Lorenz Trapp

Wer kennt sie nicht, die Wichtel, die sich besonders in dunklen Wäldern aufhalten und arme Wanderer erschrecken, aber auch, unter anderem Namen, also inkognito, auf den Schiffen bescheidener Seeräuberkapitäne als Klabautermann ihr Wesen treiben? Unwesen nennen das die ignoranten Leute, und genau diese notorischen Schwarzseher werden jetzt eines Besseren belehrt. Auf dem Hauptplatz lebt seit einigen Tagen ein Flüchtling aus der Welt der Sagen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Menschen und auch den Leuten Gutes zu tun.
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, hatte schon Erich Kästner in Zeiten festgestellt, als die so schön waren wie anderswo die Frauen noch sind. Doch die unterschiedlichsten Gedanken sprudeln uns nur so durch die Wichtelmütze, die blau über den Hauptplatz blitzt. Seltsam: warum blau? Blau ist angeblich die Farbe, die auf die meisten Menschen kalt wirkt.
Was will uns der Wichtel damit sagen? Dass er sein Werk mit kaltem Herzen tut? Oder will er uns etwa beruhigen, so wie es angeblich die Farbe Blau so gut kann? Quatsch! Da gehen die Meinungen auseinander. Rot beruhigt, und das hat man ja in der Stadt in den letzten Wochen des Öfteren zu spüren bekommen. Außerdem ist der Wichtel dezent in den Farben der Stadt gehalten, und Gelb und Blau is’ dem Kasperl sei’ Frau. Schon wieder Quatsch!

Der Wichtel ist der Stadt ihr Kind. Eigentlich der lebendigen Innenstadt ihr Kind, denn die Interessengemeinschaft hat die Idee gehabt, dass so ein Wichtel wieder verloren gegangenes Leben in die Innenstadt bringen könnte, und die Stadtverwaltung hat sich mit eingeklinkt und unterstützt die Wichtelaktion.

gutes

Hartmann auf Habl

Annahme von Geschenken
nahe am Korruptionsgesetz

Was macht jetzt eigentlich so ein Wichtel, außer dass er in seinem – meistens, wenn er nicht gerade die Tür sperrangelweit offen hat – mollig warmen Holzhäuschen auf dem Hauptplatz Kindern Autogramme gibt? Er wichtelt! In diesem Fall heißt dies: Er nimmt Geschenke. Misstrauische Menschen müssen hier ganz schnell die Augen zu machen, und was sie dann sehen, gehört nicht ihnen, sondern erinnert sie daran, dass die Annahme von Geschenken unter besonderen Umständen in der Nähe des Korruptionsgesetzes gelagert ist; ein Zusammenhang, den sie in diesem Zusammenhang ganz schnell vergessen sollten, auch aus gesundheitlichen Gründen.

Der Wichtel nimmt die Geschenke nur entgegen und gibt sie dann weiter. Denn brave Menschen, die anderen braven Menschen etwas Gutes tun wollen oder glauben, dass wieder andere, aber nicht brave Menschen, diesen Menschen nichts Gutes tun wollen und sie es deshalb selbst tun müssen, haben an die Geschenksäckchen kleine Zettelchen gehängt, auf denen der Name des Empfängers, des Beschenkten, steht. An diesen Zettel hält der Wichtel dann ganz nahe seine Nase, damit auch seine Augen nahe sind, denn mit diesen liest er dann die Buchstaben ab und setzt sie zu einer kompletten Adresse zusammen.

Das Säckchen, in dem sich das Geschenk befindet, das der Wichtel sozusagen kommissarisch entgegen nimmt, hat der brave Mensch in einem Geschäft erhalten, und zwar nur deswegen, weil er dort glaubhaft versichern konnte, er möchte an der Wichtel-Aktion teilnehmen, ein Produkt aus dem umfangreichen Sortiment mit Geld bezahlen und dieses mittels Wichtel einem braven Menschen zukommen lassen. Schon gibt’s ein Säckchen, und wenn das Säckchen zu klein ist, weil das Geschenk zu groß ist, umhüllt das freundliche Personal eben dieses mit zauberhaftem Wichtel-Geschenkpapier – und ab zum Wichtel!

Dem Himmel sei Dank! Der Wichtel, wir erinnern uns, Nase ganz dicht am Geschehen, kann lesen, Adressen in Wohnorte umwandeln und dort, an den Endpunkten in dunkler Nacht, die Geschenke ablagern – unerkannt, weil er blitzschnell wieder verschwindet, und die Beschenkten schütteln den Kopf, wenn sie das Säckchen aufheben, weil sie nicht wissen, von wem das Präsent kommt. „Timeo Danaos et dona ferentes“, schreien sie dann sinnlos in die Dunkelheit, und wenn sie ihr schützendes Haus wieder betreten, schleicht sich ein bisschen Furcht in ihren Kopf, die auch durch permanentes Schütteln nicht so leicht zu verscheuchen ist.

Dieses Kopfschütteln übrigens haben die richtigen Wichtel sich, klug und gelehrig wie sie sind, als Zeichen angewöhnt, um bei der Begegnung mit Menschen ihre Gutmütigkeit, ja Harmlosigkeit zu demonstrieren, wie ein Hund, wenn er mit dem Schwanz wedelt. Wer’s nicht glaubt, kann ja vorbeischauen beim Wichtel auf dem Hauptplatz, und er wird feststellen, dass dieser Wichtel noch nicht mit dem Kopf wichtelt oder wackelt oder wedelt. Bis Heiligabend also wird er sein Wesen noch treiben …

Was wir unschuldigen Melancholiker ein bisschen vermissen: Es geht doch nichts über das gemeinsame Gefühl der Freude, das uns zuweilen und verstohlen Tränen der Rührung in die Augen treibt. Es stellt sich ein, wenn wir einem lieben Menschen ein Geschenk, ob mit oder ohne großartigen Anlass, persönlich überbringen, nicht inkognito, wie ein Wicht, ein Klabautermann, der sich davonmacht, egal, ob er Fug oder Unfug getrieben hat.

Ein Tipp für Freunde des effektiven Schenkens: Einfach ins Internet eintauchen, online bestellen, online überweisen und als Lieferadresse die persönlichen Daten des Beschenkten angeben! Was bleibt uns noch zu hoffen? – Schöne Bescherung!