Kunst braucht Öffentlichkeit – Öffentlichkeit braucht Kunst Mit Kunst im Fluss wird einen Sommer lang die bildende Kunst einer breiten Öffentlichkeit präsentiert

von Hellmuth Inderwies,

Das Kunst- und Kulturleben der Kreisstadt steht im Jahre 2008 im Zeichen des gesamtbayerischen Projekts „Kunsträume: Kunst im öffentlichen Raum“. Der ehemalige Kulturreferent Pfaffenhofens und Projektleiter, Hellmuth Inderwies, setzte sich in seiner Eröffnungsrede mit Zielsetzung und Bedeutung dieses umfangreichen und aufwändigen Festivals auseinander. Seine Worte sollen unseren Lesern auf Grund zahlreicher Nachfragen nicht vorenthalten bleiben:

„Die Kunst blüht, die Kunst ist an der Herrschaft, die Kunst streckt ihr rosenumwundenes Zepter über die Stadt hin und lächelt. (…) München leuchtete.“ Was Thomas Mann so außerordentlich euphorisch konstatierte, das mag ab heute zumindest während einiger Monate für ganz Bayern und vorweg auch für unsere Stadt Pfaffenhofen gelten. Als Mitglied des „Arbeitskreises für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte“ erlebt sie eine Premiere: Zum ersten Mal ist sie zusammen mit weiteren 67 Kommunen an einem landesweiten Projekt beteiligt und soll so zusammen mit unserem traditionellen Kultursommer 2008 in diesem Jahr so recht zum Leuchten kommen.

Kunst im Fluß als regionales Thema für die Öffentlichkeit
Nach der Präsentation der „Literaturlandschaften Bayerns“ in den Jahren 2004 und 2006 widmet sich dieser Arbeitskreis mit rund 60 Städten des Freistaats heuer der bildenden Kunst unter dem Rahmenthema „Kunsträume: Kunst im öffentlichen Raum“. In unserer Region wurde das Projekt auf Beschluss der Kulturreferenten der Städte Ingolstadt, Neuburg, Eichstätt, Schrobenhausen und Pfaffenhofen unter das gemeinsame Motto „Kunst im Fluss“ gestellt, um mit einer solchen Vernetzung die Neugierde in der Öffentlichkeit darauf zu wecken, wie von den Beteiligten dieses Motto jeweils umgesetzt wird, und damit zugleich eine Art gegenseitigen Kulturtourismus anzuregen. „Kunst im Fluss“ deshalb, weil zum einen Flüsse den Lebensraum dieser Städte in sehr hohem Maße mitgestaltet haben und zum andern, weil Kunst selbst sich von jeher als ein sich ständig weiter entwickelnder Prozess, versteht, dessen Kontext durch die jeweilige gesellschaftliche Situation bestimmt wird. Jegliches ernsthafte künstlerische Schaffen basiert auf Herkommen und Geschichte, ist Ausdruck und Interpretation der Gegenwart und ist zudem Wegweiser in die Zukunft.

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Hellmuth Inderwies und Steffen Kopetzky: alter und neuer Kulturreferent

Wenn auch die bildende Kunst im Mittelpunkt dieses sommerlichen Festivals steht, für das ein gesamtbayerisches Programmbuch erstellt wurde, so sind bei uns andere Kunstbereiche durchaus nicht vergessen worden und nicht nur als ein schmückendes Rahmen- und Beiprogramm aufzufassen, sondern sie sollen entsprechend unserer Planung vor allem dem Wesen unseres lokalen städtischen Kultursommers gerecht werden und dessen gewohnte Vielfalt mit typischem regionalem Charakter besonders betonen. Pfaffenhofen kann sich für die nächsten Monate in der Tat neben der Neugierde der eigenen Bürger nichts sehnlicher wünschen als den Besuch vieler Kunstinteressierter aus der ganzen Region, vielleicht sogar von noch weiter her, zumal ja unsere Stadt mit ihrer bäuerlichen und kaufmännischen Tradition, mit ihren Märkten und Geschäften, nicht gerade zu den von der Geschichte begünstigten kunsthistorischen Zentren zählt. Wer hier den Tourismus beleben will, der sollte nicht nur an Fahrradwege und Hotels denken. Pfaffenhofen braucht ganz besonders auch die Kunst, um zu leuchten.

Und dass es wirklich zum Leuchten kommt, dazu sollen die insgesamt 60 Projekte und Veranstaltungen beitragen, die in unserer Stadt von heute an bis zum 14. September über die Bühne gehen: Sie sind dem zusätzlich erstellten städtischen Programmheft zu entnehmen. Ich will und kann hier nicht im Einzelnen auf sie eingehen, möchte aber versuchen, ihre Grundintentionen mit ein paar Worten zu umreißen.

Wie jegliches Kunstschaffen zeitliche Dimensionen besitzt, so steht es auch – und gerade in der Gegenwart – wie nie zuvor in einem kommunikativen Zusammenhang. Kunst braucht den Dialog, braucht den Gesprächspartner, wenn sie sich als Sprache versteht und eine soziale Funktion erfüllen will, wie es Gerhart Hauptmann einmal ausgedrückt hat. Und der Künstler braucht sein Publikum, braucht dessen Echo für seine Arbeit, braucht im Übrigen auch einen Markt, wenn er mit der Kunst seinen Lebensunterhalt erwirtschaften muss. Adelige und kirchliche Mäzene, die einst seine Existenz sicherten, gehören ja längst der Vergangenheit an. Aber auch die Öffentlichkeit braucht die Kunst als entlarvenden und belebenden Geist, als Spiegelbild und Parameter ihres Befindens.

So kann Kunst sich gerade heute nicht mehr nur in Theatern und Konzertsälen, in Museen und Galerien einer Schicht auserwählter Besucher präsentieren. Wenn Kunst in der pluralistischen Gesellschaft einer Demokratie bestehen und dieser dienen will, wenn sie Breitenwirkung erzielen will, dann muss sie verstärkt auf die Menschen zugehen. Sie muss auch außerhalb der Kunsthäuser, der Ausstellungsräume und Ateliers auf den Straßen und Plätzen, in Fußgängerzonen und an Häuserfassaden, in den Parks und an den Flussufern der Dörfer und Städte auf sich aufmerksam machen. Sie braucht den öffentlichen Raum, um zu informieren, ihre Anliegen mitzuteilen, Impulse zu vermitteln. Dem Kunstschaffenden wird gerade dadurch die Möglichkeit geboten, in einen intensiveren und zugleich umfassenderen Dialog mit den Mitmenschen zu treten.

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Glückliche Symbiose: Skulptur, Maibaum und Kirchturm

Kunst auf hohem Niveau mit breiter Beteiligung
Die Grundvoraussetzung für eine derartige Kunstvermittlung heutzutage besteht freilich darin, mit Überraschungseffekten aufzuwarten, geradezu mit marktwirtschaftlichen Methoden zu werben, soll Kunst Interesse wecken und zu einem öffentlichen Gesprächsthema werden, soll der Betrachter zum Sehen, zum Fragen, zum Nachdenken, zum Neudefinieren eingeladen, ja herausgefordert werden. Die Begegnung mit Menschen und von Menschen herbeizuführen und eine Plattform für öffentliche Diskussionen zu schaffen, ist heute mehr denn je das zentrale Ziel künstlerischen Schaffens. Und um dies zu erreichen, ist die Verwandlung des alltäglichen, des gewohnten Aussehens von öffentlichen Räumen eine außerordentlich wichtige Voraussetzung.

Wenn so in unserer Stadt Bernd Kieckhöfel zusammen mit unseren Kindern der vier städtischen Kindergärten Ortseingänge, stark frequentierte Straßen und Plätze mit den von ihnen gefertigten bunten Fahnen und Transparenten schmückt, wenn die Hauptschule unter der Leitung von Albert Raucheisen „Konkrete Kunst auf betonierten Flächen“ präsentiert, wenn die Georg-Hipp-Realschule unter der Regie von Ortrud Helmbrecht-Feßl eine Bootsrallye auf dem Gerolsbach veranstaltet und das Schyren-Gymnasium gleich mit zwei Projekten aufwartet: Der Leistungskurs Kunst (K13) ist zusammen mit seinen Leitern Michaela Neumann und Hans Lindenmüller für die Parade der „Wächter“ verantwortlich und der Grundkurs Kunst (K12) unter der Leitung von Anna-Maria Schirmer für eine „Biberbaustelle“. Wenn ich die Kindergärten und Schulen hier namentlich nenne, dann deshalb, weil Pfaffenhofen darauf stolz sein kann, dass sich seine Erziehungs- und Bildungsstätten in einer Vielzahl und mit hoher Qualität seiner Arbeiten an dem Festival beteiligen wie es sonst in keiner der übrigen bayerischen Kommunen der Fall ist. Die Projekte der Schulen wurden ja zunächst dem strengen Urteil einer Jury an der Akademie der bildenden Künste in München unterworfen, um überhaupt zugelassen zu werden.

Bewusst wurde nur ein Rahmenthema („Kunst im Fluss“) gestellt, weil jede Stadt ihre Veranstaltungen eigenverantwortlich konzipieren und keine zentrale Steuerung durch einen Kurator erfolgen sollte. Dies erforderte bei der Organisation des Festivals einen ungeheueren Einsatz der Verantwortlichen. Es ist mir ein Anliegen all jenen ausdrücklich zu danken, die sich hier engagiert und mir als ehemaligen Kulturreferenten geholfen haben, ein solch umfangreiches Programm politisch durchzusetzen und zu organisieren: Dank den damaligen Stadtratskollegen und da vorweg Martin Wolf und Reinhard Haiplik, dem zu dieser Zeit amtierenden 1. Bürgermeister Hans Prechter, vor allem aber Frau Benen, die bei der organisatorischen Vorbereitung und Terminierung der Veranstaltungen die Hauptlast zu tragen hatte, Frau Gernet und unserem Amtschef Hans Dieter Kappelmeier. Herzlichen Dank auch den vielen Pfaffenhofener Geschäftsleuten und Unternehmen, die als Sponsoren die große Anzahl der Veranstaltungen erst ermöglichten und nicht zuletzt den Künstlern und Künstlergruppen, den Kunstvereinen, den Schulen und Musikschulen.

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„Goethes Wanderpokal“

Kunst als permanenter Spiegel der Gesellschaft
Auf Grund der nicht durch einen Kurator zentral gesteuerten Planung war es freilich auch möglich, eine unserem Stadtraum entsprechende, also eine individuelle ortsbezogene Position zur Kunst deutlich zu machen, eine Position, in der sich das Projekt „Kunsträume“ und das Programm unseres Kultursommers, so glaube ich, auf ganz hervorragende Weise ergänzen. Freilich wäre es auch notwendig, über diese Wochen und Monate hinaus Kunst auf den öffentlichen Straßen und Plätzen unserer Stadt zu ständiger Präsens zu verhelfen und sie vor allem bei der Neugestaltung des Hauptplatzes nicht zu vergessen, damit, um noch einmal Thomas Mann zu Wort kommen zu lassen, „eine allseitige respektvolle Anteilnahme am Gedeihen der Kunst, eine allseitige, fleißige und hingebungsvolle Propaganda in ihrem Dienste, ein treuherziger Kultus der Linie, des Schmuckes, der Form, der Sinne der Schönheit obwalte…“ Ich hoffe und wünsche, dass die Kunst als eines der wichtigsten Phänomene kulturellen Wirkens und zugleich als Spiegelbild der Gesellschaft Pfaffenhofen in den nächsten Monaten zum Leuchten bringt. Ich lade alle dazu ein, an diesem Festival der Kunst aktiv teilzunehmen und wünsche jedem Einzelnen eine aufregende Begegnung mit ihr und viele anregende Gespräche über sie.

Hellmuth Inderwies hält die Laudatio zur Eröffnung des Ateliers der Bildhauermeisterin Tanja Röder, zu der am Samstag, 14. Juni 2008, um 19 Uhr alle Kunstinteressierten herzlich eingeladen sind.