Ilmtaler Trachtler feiern ihr 90-jähriges Jubiläum

Man muss keineswegs als „gschtandner Bayer“ ein Sympathisant des gleichnamigen Münchner Fußballvereins sein, um bei Spielen vorweg in nördlichen deutschen Arenen nicht eine gewisse Brüskierung zu empfinden, wenn einem die gastgebenden Fans mit dem Schlachtgesang nach der Melodie des Refrains von „Yellow Submarine“ von Paul McCartney einen nicht gerade sittengerechten Empfang bereiten:
„Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“ Im ehemaligen Hamburger Volkspark, in der Folge auch in AOL- und HSH Nordbank- und Imtech-Arena umbenannt, auf Schalke, wo die einstige Glückauf-Kampfbahn zum Parkstadion und heute zur Veltins-Arena mutierte oder im Dortmunder Iduna-Park, der die historische Sportstätte Rote Erde und das ehrwürdige Westfalenstadion ablöste, besitzt dieser vielstimmig hinausgeschmetterte Gassenhauer, der der Demütigung des sportlichen Rivalen dient, fast schon den gleichen Stellenwert wie die eigene Vereinshymne. Unverkennbar steckt aber hinter diesem zeremoniellen Brauch der Verunglimpfung in den Fußballstadien auch eine gehörige Portion Neid auf die Lederhose als urbayerisches Emblem. Denn ein derart schätzenswertes Symbol stolzer Stammeszugehörigkeit scheint den nördlichen Regionen doch weitgehend zu fehlen. Sonst würde schon längst ein entsprechender Gegengesang in den Sportarenen des Südens ertönen.

Lederhose – Zeichen der Heimatverbundenheit
Hier genießt die Lederhose, deren geschichtliche Entwicklung bis weit in das 18. Jahrhundert zurückreicht, bei den Trachtenvereinen die höchste Verehrung. Und sie spielt auch bei den „Ilmtalern“, die im Rahmen der Landesgartenschau in Pfaffenhofen etwas verspätet ihr 90-jähriges Bestehen feierten, als Ausdruck der Heimatverbundenheit eine wichtige Rolle. Zugleich Ausrichter des Donaugaufests boten sie vom 14. bis 18. Juni ein vielfältiges und ansprechendes Programm: Mehr als 250 Teilnehmer zählte man beim Volkstanz, etwa 2000 beim Festumzug, der mit einer Laudatio des bayerischen Heimatministers Markus Söder endete. 31 Trachtenvereine waren der Einladung zum Heimatabend gefolgt. Etwa 1000 Besucher lockte man zusammen mit den „Dellnhauser Musikanten“ in die Eishalle und präsentierte eine bunte Folge von Volkstänzen. Ein Kabarett mit Couplet AG, ein Musikantentag, Ehrentänze und Festgottesdienst kamen hinzu. Der Vereinsvorsitzende Hans Felbermeir, auch Organisator dieser Festtage, hat zusammen mit seinen Helfern für ein großartiges Schauspiel gesorgt. Die Pflege und Präsentation kulturgeschichtlicher Güter, wie sie die „Ilmtaler“ mit ihren gegenwärtig 178 Mitgliedern einem breiten Publikum boten, gehört ohne Frage zu einer aufstrebenden lebenswerten Stadt, die sich Veränderung im Sinne von Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben hat.

Bereits in den Nachkriegsjahren des 1. Weltkriegs, nämlich am 19. Februar 1926, gründete die junge Generation der Theatergruppe Pfaffenhofen den Gebirgstrachtenerhaltungsverein „D‘lustigen Ilmtaler“. Das „Schuhplatteln“ bestimmte damals bei geselligem Zusammensein in gleichem Maße ihr Erscheinungsbild wie derzeit die Leidenschaft für Computerspiele auf iPhon und iPad. Aus dem Oberland hatten Helfer bei der Hopfenarbeit diesen Tanz hierhergebracht. Deshalb wird bis heute bei Aufführungen oft die Miesbacher Tracht mit der kurzen Lederhose und dem Scheibling (Hut mit Form einer Melone) getragen. Schließlich war auch der erste bayerische Trachtenverein im August 1883 im nahen Bayrischzell als „Verein für Erhaltung der Volkstracht im Leitzachthale“ vom damaligen Dorflehrer Josef Vogl gegründet worden. In kirchlichen Kreisen löste diese Form der Identifikation eines echten Bayern freilich wegen der kurzen Hose nicht gerade Begeisterung aus. Den sogenannten „Kniehöslern“ wurde die Teilnahme an Prozessionen untersagt und ihre Vereine später vom erzbischöflichen Ordinariat in München für sittenwidrig erklärt, bis Papst Pius XI. 1924 einer Chiemgauer Delegation in kurzer Wichs Audienz gewährte und so dieses Kleidungsstück von seiner Unmoral befreite. In den 1950er Jahren kam bei den Pfaffenhofener „Ilmtalern“ zu dieser Gebirgstracht die Holledauer Volkstracht hinzu. Sie hatten später mit einem anderen, gleichermaßen wichtigen Symbol der Identifikation ihre Probleme. Als ihre 1928 kirchlich geweihte Vereinsfahne in den Jahren des 2. Weltkriegs von SS-Kräften kassiert werden sollte, konnte sie das Gründungsmitglied Xaver Neufeld gerade noch rechtzeitig in der Werkstatt eines örtlichen Schreiners unter Hobelspänen verstecken. Dieses wertvolle Emblem hat so nicht nur diese Zeit unbeschadet überlebt, sondern ist, mehrfach restauriert, bis heute erhalten geblieben.

Ein umfangreicher jährlicher Terminkalender liefert den Nachweis dafür, dass der Verein nicht nur bei besonderen Anlässen, wie etwa der Landesgartenschau, mit vielen Aktivitäten aufwartet. Er bereicherte bereits in der Vergangenheit das Kulturleben Pfaffenhofens mit „Bayerischen Brauchtumsabenden“, so beim städtischen Kultursommer. Und er führt in der Kreisstadt wie in der Region viele Veranstaltungen durch oder beteiligt sich daran: Volkstanz, Hoagarten, Perlenstricken, Faschingstreiben auf dem Pfaffenhofener Hauptplatz mit der „Wuidererhüttn“, Frühjahrssingen, Wallfahrten, Musikseminar, Schuhplattlerwettbewerbe, Zeltlager, Trachtenmarkt, Standkonzert, Hochzeitsmesse, Jahresmesse beim Erntedankfest, Volkstrauertag, Adventsfeier, Lebende Krippe, Landes- und Gauversammlung, Vortänzer- und Wertungsrichterschulung, Fortbildung in der Öffentlichkeitsarbeit, Seminar zur Brauchtumskunde usw. gehören zum Programm 2017. Nicht ohne Grund fanden diese Aktivitäten bei Bürgermeister Thomas Herker volle Anerkennung: „Die Trachtler sind ein echter Glücksfall für Pfaffenhofen.“

Lebendiges und gelebtes Brauchtum in geselliger Gemeinschaft manifestieren Selbstverständnis und Anliegen im Vereinsleben der „Ilmtaler“. Die enge Verbundenheit zur Heimat demonstrieren sie mit ihrer Tracht als Erscheinungsbild und ihrem Tanz als gestische und emotionale Äußerung. Beide sind Ausdruck von Sprache, ganz im Sinne des bayerischen Dichters Oskar Maria Graf, der im amerikanischen Exil auf die Frage, was für ihn Heimat sei, ganz lapidar bemerkte: „Meine Heimat ist meine Sprache!“ und dies auch damit bekundete, dass er in New York in der Öffentlichkeit stets nur in Tracht gekleidet auftrat, wozu grundsätzlich die bayerische Lederhose gehörte.

Der Begriff „Brauchtum“ ist heute vor allem bei der jüngeren Generation ein wenig ins Abseits geraten und gilt selbst in der wissenschaftlichen Forschung als antiquiert. Man spricht hier lieber von „Bräuchen“ und differenziert damit diesen allzu pauschalen Sammelbegriff. Diese Differenzierung oft sehr gegensätzlicher Erscheinungsformen, die sich dahinter verbergen und damit gemeint sein könnten, ist heute aber dringend notwendig. Man denke da nur an jenes importierte inhaltsleere Halloween mit seinen makabren, oft die Legalität überschreitenden Umzügen und ausufernden Partys, dessen Ursprung im keltischen Samhain liegt, das dem Menschen einen Zugang zur jenseitigen Welt eröffnen sollte. Oder man denke auch an die nördlichen Fußballarenen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihre Namen beinahe so oft wechseln wie viele der hier beheimateten Fans ihre Unterwäsche. Letztere haben nicht selten vergessen, welche kulturhistorische Bedeutung ihre heimische Arena eigentlich auszeichnet und wollen wohl auch deshalb den Bayern beim Fußballspiel die Lederhosen ausziehen, was ihnen gegenwärtig zu ihrem Leidwesen allzu selten gelingt. Bei bayerischen Trachtenvereinen würde der Appell, den einst der Kaiserlauterer Stadionsprecher Udo Scholz kreiert haben soll, mit Sicherheit nie in Erfüllung gehen. Denn für sie gilt das deutsche Sprichwort: „Landes Brauch ist Landes Ehre.“

Kontakt:
Gebirgs- und Volkstrachtenverein „Ilmtaler“ Pfaffenhofen a. d. Ilm
1.Vorsitzender Hans Felbermeir (Tel. 08446 882)
info@trachtenverein-pfaffenhofen.de
www.trachtenverein-paffenhofen.de

von Hellmuth Inderwies