„HAMOLA – Holz und Farbe“

Initialwort“ oder auch „Akronym“ nennen die Sprachwissenschaftler ein Kurzwort, das aus den Anfangsbuchstaben von mehreren eigenständigen Wörtern gebildet wird und mit ihnen bedeutungsgleich ist: „Ha – Mo – La“ steht für „Hans und Monika Langkopf“ und bezeichnet zugleich das Künstlerehepaar, dessen sehenswerte Ausstellung „Holz und Farbe“ in der Städtischen Galerie in Paffenhofen an diesem Wochenende noch besucht werden kann. Dieser Titel verrät nicht nur die Grundelemente ihres Schaffens, sondern symbolisiert auch zwei Gattungen der Kunst, die Bildhauerei und die Malerei, die von jeher in einem alternierenden Verhältnis von Konformität, von Gemeinsamkeit, aber auch von signifikanter Divergenz zueinander stehen und sich bis zum heutigen Tag in einem steten Spannungsverhältnis befinden.


hamola1

Sie haben in der Geschichte der Kunst in einem Wettstreit immer wieder darum gerungen, welcher von beiden denn eine Vorrangstellung einzuräumen sei. In der Renaissance und im frühen Barock erreichte der Vergleich, der sogenannte „Paragone“, in Italien seinen Höhepunkt, als der Florentiner Dichter und Historiker Benedetto Varchi in diesem „Disputa delle Arti“ eine Meinungsumfrage unter bedeutenden Malern und Bildhauern gestartet hatte. Dabei lautete Leonardo da Vincis Antwort:

„Zwischen Malerei und Bildhauerei finde ich keinen anderen Unterschied als den, dass der Bildhauer seine Arbeit mit größerer körperlicher Ermüdung und der Maler mit größerer geistiger Ermüdung ausführt.“ Dass manche Bildhauer das, wenn auch nicht ganz ernst gemeinte, Werturteil dieses Universalgenies nicht gerade als schmeichelhaft empfanden, liegt auf der Hand. Michelangelo formulierte die Antithese: „Ich bin der Auffassung, dass die Bildhauerei die Laterne der Malerei ist, und dass es zwischen beiden denselben Unterschied gibt wie zwischen Sonne und Mond.“ Letztendlich versöhnte Giorgio Vasari, der Hofmaler der Medici, die zwei Kunstrichtungen, wenn er meint: „Bildhauerei und Malerei sind in Wahrheit Geschwister, die von einem gemeinsamen Vater abstammen, der Zeichnung.“

hamola2

In der Tat entsprechen Hans und Monika Langkopf diesem Grundgesetz bildender Kunst in vollem Maße. Als Entwurf und geistiges Konzept für ihre Werke dient ihnen im Sinne des Disegno, jener Kunsttheorie der Renaissance, stets die Zeichnung als Vorlage. Graziöse Exponate in Glaskästen liefern in der Ausstellung hierfür den Beweis. Das Zeichnen erlernten sie zu Beginn ihrer gemeinsamen künstlerischen Tätigkeit, nachdem Hans Langkopf lange zuvor schon seine Liebe zum Holz entdeckt hatte. Die heute in Perlach beheimatete bekannte Künstlerin Emese Zavori, eine gebürtige Ungarin, war ihre Lehrerin. Gemeinsam belegten sie hernach Malkurse bei Alessandro Serafini, der in der Vergangenheit in Pfaffenhofen seine Werke wiederholt präsentierte.

Geschwister freilich sind trotz gleicher Abstammung nicht selten sehr verschieden. Und das kann man in dieser Ausstellung „HAMOLA – Holz und Farbe“ in hohem Maße registrieren. Die augenscheinliche Dialektik der hier sehr vielgestaltigen, uneinheitlichen und abwechslungsreichen Kunstwerke ist nicht übersehbar. Da begegnet man innerhalb der beiden Großgattungen einer Vielfalt von Themen: Menschen, Blumen, Tiere, Tageszeiten in Monika Langkopfs Malerei. Krippen, Sensenmann, Steckenpferd, Bettler, Tänzer, Brillennasen und Paradies bestimmen Hans Langkopfs Bildhauerei und Schnitzerei. Da begegnet man bei den Gemälden verschiedensten Techniken und Materialien, wie Acryl, Aquarell, aufgesprüht und mit Pinsel bearbeitet. Da finden sich bei Monika Langkopf neben abstrakten Arbeiten als Darstellung von Innenwelt und Rückkehr zu den Ursprüngen der Malerei zahlreiche farbintensive gegenständliche Bilder mit Hirschmotiven. Als „Lady“, „Mister“ oder „die Zwei“ (als Paar) wird dieses Tier vor Augen geführt.

hamola3

Warum in solcher Anzahl? Es geht der Künstlerin primär um die Darstellungsform. So vermittelt die unterschiedliche Farbgebung ganz verschiedene Stimmungen: Morgens – mittags – abends! Diese drei Gemälde bilden zwar eine Einheit, sind als eine Trilogie mit gleichem Motiv zu rezipieren, besitzen aber grundverschiedene Wirkung. Man denkt unwillkürlich an die zahlreichen großformatigen Seerosenbilder des französischen Impressionisten und Wegbereiters der Moderne, Claude Monet! Je nach Lichtverhältnissen und Blickwinkel vermittelt er gänzlich verschiedene Stimmungen! Und das gilt auch für diese Bilder.

Hans Langkopfs Skulpturen sind durchwegs aus edlem Lindenholz gefertigt, ihr Erscheinungsbild und ihr Wesen sind aber von grundverschiedener Art. Da findet sich ein eindrucksvoller, mit großer Präzision gearbeiteter „Sensenmann“ in barockem wallendem Gewand, das diesem Furcht verbreitenden Wesen Würde und einen nahezu sakralen Ausdruck verleiht. Und daneben entdeckt man eine mehr als vollschlanke feiste Ballerina in Aktion, die beim Betrachter ein erhabenes Lächeln und eine innere Heiterkeit hervorruft, weil er bei solchem Anblick unwillkürlich an wirklich exis¬tierende Personen denkt. Und satirisch typisierte Brillennasen mit den bezeichnenden Prädikaten „Punker“, „Lady“, „Tourist“ und „Flyer“ verstärken dieses Wohlgefühl, besonderen menschlichen Eigenarten ein wenig ironisch begegnen zu dürfen.

hamola4

Dass solch heitere überlegene Gestimmtheit sehr schnell einen ernsthaften Charakter annimmt, wenn man anschließend die erbarmungswürdige Gestalt eines „Bettlers“ betrachtet, dem Hans Langkopf auf Kreta wirklich begegnet ist, mag nicht überraschen. Sie ist mit ihren körperlichen Gebrechen bis ins Detail sehr eindrucksvoll gestaltet und weckt im Betrachter Bedauern und Mitleid. Die Krippen wiederum, mit denen der Künstler sich in zahlreichen Ausstellungen einen Namen schuf, strahlen entsprechend ihrer Intention in hohem Maße Ruhe und Ausgewogenheit, Harmonie und Frieden aus.

Ein gemeinsames „wildes Eck“, das Hans und Monika Langkopf eingerichtet haben, fällt als ganz besondere Attraktion in dieser Ausstellung ein wenig aus dem üblichen Rahmen. Lässt es den Betrachter doch allein schon wegen seiner Bezeichnung aufhorchen und in ihm allerlei Phantasien hervorrufen. Landläufig ist damit ja ein sehr ursprünglicher kleiner Bereich in Naturgärten mit dem entsprechenden Wildwuchs gemeint. Künstler besitzen aber bei solcher Installation zumeist etwas andere Assoziationen. Sie sehen darin eher einen Raum der Inspiration, einen Raum, der ihnen neue Ideen weckt. Sehr schöne, mit bunten Hirschen dekorierte und prall gefüllte Getreidesäcke, die man hier antrifft, überraschen nicht wenig, vor allem, weil man sie nur ohne Inhalt erwerben kann. Es handelt sich um sehr seltene, von Monika Langkopf bemalte Utensilien aus Ungarn, die nahezu schon 100 Jahre alt sind.

hamola5

Die künstlerischen Genres der Ausstellung, Bildhauerei und Malerei, vermitteln in ihrer thematischen und gestalterischen Ausrichtung, in ihrer zwei- und dreidimensionalen Form, ihrer Übereinstimmung und ihren Kontrasten, mit ihrer Beschaulichkeit und ihrer Provokation, mit ihrer Ernsthaftigkeit und ihrem Humor und auch mit ihrer Dramatik trotz dieser Antithesen insgesamt ein Bild des Gleichklangs. Sie besitzen durchwegs ein hohes Maß ästhetischer Harmonie und Schönheit. Und dies gilt auch für das „wilde Eck“.
Ein wenig wird im Besucher die Erinnerung an jene Allkunst der deutschen Romantik geweckt, die die Verschmelzung aller Kunstformen und -gattungen als Ideal angestrebt hat und die Friedrich Schlegel in seinem Athenäums-Fragment Nr. 116 als „progressive Universalkunst“ bezeichnet.

Eines freilich blieb bei der Vernissage den Besuchern ein Rätsel: Warum sind die sogenannten Kulturdezernenten der Stadt, ein hauptamtlicher Kulturmanager und ein selbst ernannter „ehrenamtlicher Kulturreferent“, nicht fähig, Termine so zu koordinieren, dass nicht wieder einmal zum gleichen Zeitpunkt Ausstellungen bildender Kunst eröffnet werden?

von Hellmuth Inderwies