Ein Birdie mit der Suppenkelle

von Lorenz Trapp

Es ist idyllisch. Links und rechts der Straße, zwischen Reichertshausen und Lausham, breiten sich Wiesen aus, ein paar Bäume, Gebüsch. Wie ein sanftes Wellenspiel schmiegt sich die Anlage in die Landschaft, dazwischen glitzern kleine Wasserflächen, an einer sandigen Senke steht ein Mann mit einem Schläger in der Hand, und irgendwo da hinten scheint der Gärtner in diesem gepflegten Rasenambiente das Mähen vergessen zu haben. Mitnichten! Bei den ungepflegten Geländeteilen handelt es sich um sogenannte Roughs, die für den Unbedarften einen seltsamen Kontrast bilden zu den Fairways und Greens, den Teichen und Bunkern, für den Sport aber unerlässlich sind. „Golfplatz“ steht auf dem Schild, ich biege ab, steige aus – und aus der Speisekarte lächelt mich Pasta Linguine an, aglio, olio e peperoncino, wohl scharf genug für diesen sonnigen Tag. Oder empfiehlt sich nicht besser der Vorspeisenklassiker Mediterranes Röstbrot im Salatnesterl – oder doch lieber Carpaccio vom Rind? Neben die Pasta schmiegt sich das Semmelknödelgröstl in meine elektrisierten Geschmacksnerven, dann zwinkert noch verführerisch eine Dorade aus der Karte, und wie ein zärtliches Winken aus der Heimat übernimmt schließlich der Bairische Wurstsalat die Regie.
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Wieso eigentlich hat ein Golfplatz, dem das Vorurteil eher elitär Angehauchtes unterstellt, eine so pfiffige, wundervoll bairisch-mediterran gewürzte Speisekarte? Und wieso fühlt es sich gleich so heimisch an, wenn ich von der Terrasse des Restaurants über die Wiesen mit den Fähnchen blicke, die man bestimmt auf keinen Fall so nennen darf? „A bisserl Bairisch muaß scho sei“, sagt Guido Stocker, als würde das alles erklären, „wir haben das vom Start weg so gehalten“. Gerade die Sonntage werden von bairischem Flair leben, und ganz wichtig ist ihm, dass die Speisekarte auf die Familie abgestimmt ist. Die letzten Sonntage waren auch schon ziemlich erfolgreich, und Guido Stocker zuckt lächelnd mit den Schultern: „Vielleicht war’s das Bairische, vielleicht war’s das Familiäre, vielleicht war’s auch einfach nur der Stocker!“ Während jetzt im Frühjahr die Öffnungszeiten noch auf Mittwoch bis Sonntag beschränkt sind, ist „Stockers Restaurant“ ab Mai jeden Tag geöffnet – und zwar für jedermann! Dies wollen die Verantwortlichen des Golfclubs und der Gastronom gleichermaßen, das Restaurant ist nicht nur für Sportler mit Eisen und Putter ausgerichtet. Selbstverständlich versuchte er sich mal im Golfen: „Ein schöner Sport, bis zum Birdie hab ich’s nicht gebracht“, nickt er anerkennend, aber eben ein Sport, für den man Zeit brauche, die er nicht habe. Denn Guido Stocker betreibt weiterhin das Restaurant „La Cucina“ in Europas größter Therme in Erding sowie ein Hotel. Vor Kurzem erst übernahm er das Restaurant im Golfclub Reichertshausen, und eigentlich habe sich alles aus einem glücklichen Zusammenspiel mehrerer Umstände entwickelt.

Zwei langjährige und bewährte Mitarbeiter in Erding trugen sich mit dem Gedanken nach Veränderung, da kam der Kontakt mit dem Golfclub genau zum richtigen Zeitpunkt. Bereits beim ersten Treffen mit dem Vorstand passte alles: „Was der Club wollte und was ich mir vorgestellt hatte, fügte sich sofort harmonisch ineinander“, beschreibt Guido Stocker diesen Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit. Ihm war auch wichtig, dass er wieder in die Heimat zurückkehrt, wo der Name seiner Familie ein Begriff ist in der gastronomischen Welt – und dass er damit für seine beiden Mitarbeiter eine neue Herausforderung schaffen konnte, ist das i-Tüpfelchen auf dieser Konstellation. Selim, der seinen Nachnamen – „Viel zu kompliziert“, wehrt er spitzbübisch ab – gar nicht erwähnt haben will, fungiert als Restaurantleiter. Guido Stocker stellt ihn als „bairischen Türken“ vor, und Seco, den Küchenchef, nennt er den „argentinischen Spanier“ – in Argentinien aufgewachsen, spanische Wurzeln.

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Wem jetzt beim Gedanken an ein saftiges argentinisches Steak das Wasser im Munde zusammenläuft, der darf sich tatsächlich auch darauf freuen, denn Seco versteht sich nicht nur auf die geniale Verbindung bairischer und mediterraner Gaumenfreuden, sondern ebenso auf die Kochkünste der Gauchos in seiner Heimat. Die beiden fühlen sich in ihrem neuen Reich sichtlich wohl, und auch Guido Stocker stellt der neuen Wirkungsstätte im Golfclub ein gutes Zeugnis aus: „Menschlich passte sofort alles, die Golfer sind durchweg sehr nett“, und so könne er die Philosophie seiner Vorstellung von Gastronomie perfekt umsetzen.

Diese Dienstleistung lebt mit der Freundlichkeit, die den Gast bei der Begrüßung schon begeistert, seine bewährten Mitarbeiter zeigen stets ihre Bereitschaft zur Disziplin, und dass sie die Fähigkeit besitzen, eine abwechslungsreiche Küche zu bieten, die nicht nur den Golfer glücklich macht – ja, davon darf sich jeder, nicht nur der Golfer, gerne überzeugen. Sicher sei eine gewisse Hemmschwelle Golfern gegenüber bei einigen noch gegeben, doch sei sie völlig unnötig, wie die Gäste selbst feststellen können: „Denn der Stocker“, sagt Guido Stocker und lacht, „der Stocker ist in Ordnung!“ Liebevoll, nur mit einem Hauch von „stylisch“, wie die Ausstattung von „Stockers Restaurant“ ist der Umgang mit den Gästen, und so präsentiert sich auch die Küche. Natürlich stehen auch teure Menus auf der Karte, doch genau so gibt es die schmackhafte bairische Brotzeit, und auf diesem breiten kulinarischen Spektrum kann sich jeder für seine Richtung entscheiden. Vor dem Lokal bietet die Terrasse – mit fantastischem Blick auf die Greens – mehr als hundert Sitzplätze, und im Sommer wartet zusätzlich der Biergarten mit der gleichen Anzahl an gemütlichen Plätzen auf. Und ich kann mich immer noch nicht entscheiden: „Wurstsalat oder Nichtwurstsalat? Das ist hier die Frage!“ Guido Stocker gibt die Antwort: „Das Wichtigste ist, dass es Spaß macht, auf einen Kaffee, auf ein Bier oder zum Essen herzukommen!“ Gut. Mir aber hilft das jetzt auch nicht weiter …
Stockers Restaurant, Golfplatz Reichertshausen, Tel. 0 81 37 / 9 95 11 8

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