Doris Prütting und Roland Fürstenhöfer stellen im Finanzamt aus

Nicht wenigen, die als Gäste ein Finanzamt betreten, kommt der bekannte Attac-Anti-Banker-Spot „Wir wollen nur Ihr Bestes – Ihr Geld!“ ganz unwillkürlich in den Sinn und macht ihren Besuch endgültig zu einem unerquicklichen Behördengang, zumal oft schon das Gemäuer, das sie aufnimmt, nicht gerade ihre innere Befindlichkeit bessert. Pfaffenhofen ist auch in dieser Hinsicht eine ganz besondere Stadt. Denn das hier angesiedelte Finanzamt verfügt nicht nur, von den stets hilfsbereiten und freundlichen Staatsdienern einmal abgesehen, über eine Architektur, die mit ihren lichten Innenräumen und großzügigen Aufgängen die Stimmung hebt, sondern es bietet nun bereits länger als ein Jahrzehnt sehr anspruchsvolle Kunstausstellungen an, die auch den Geist auf durchaus erbauliche Gedanken kommen lassen. Selbstverständlich können sie stets auch Interessierte besuchen, die dem Finanzamt keinen offiziellen Besuch abstatten.

Regionale und internationale Künstler aus europäischen Ländern, Kunst- und Fotovereine, Gymnasien, Mal- und Hauptschulen, begabte Amateure und allenthalben bekannte Profis usw. haben hier bereits eine Vielzahl und Vielfalt von Werken bildender Kunst so eindrucksvoll vor Augen führen können, dass ein früherer Kulturreferent der Stadt das Finanzamt einmal als „Kulturtempel Pfaffenhofens“ bezeichnet hat. Und er hatte damit gar nicht so unrecht. Denn keine andere derartige Einrichtung hier am Ort weist nur annähernd das Ambiente und die Vorzüge dieses behördlichen Gebäudes mit seinen lichtdurchfluteten und breiten Treppenhaus, den großzügigen Wandflächen und dem gut ausgestatteten Vortragsraum auf, um Kunst eindrucksvoll vor Augen zu führen. Ein Atrium und ein weites Gelände ringsum eignen sich zudem hervorragend für die Präsentation von Skulpturen. Und es gehört hier vor allem auch mit dem stellvertretenden Amtsleiter Franz Peter ein Initiator und Organisator der Kunstevents zu diesem Haus, der in seiner Freizeit selbst künstlerisch tätig ist, und auf diesem Gebiet Professionellen zumindest ebenbürtig. In seiner nunmehr 46. Ausstellung präsentiert er den Besuchern bis zum 31.03.2016 die Werke von Doris Prütting und Roland Fürstenhöfer.

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Beide leben in der Region und gehören zu deren herausragenden Repräsentanten künstlerischen Schaffens. So veranstaltete Doris Prütting auf ihrem Anwesen, dem Troobartl-Hof in Göbelsbach mit seinem idyllischen Garten im September 2015 mit einer Vielzahl von bildenden Künstlern verschiedensten Genres zum 25. Mal das jährliche traditionelle Kunstfest, das von weither besucht wird. Nach ihrem Studium an den Kunstakademien in Nürnberg und München war sie als Kunsterzieherin an verschiedenen bayerischen Gymnasien (zuletzt am Schyren-Gymnasium Pfaffenhofen) tätig. Ihr in Pöttmes ansässiger Kunstfreund Roland Fürstenhöfer, der gleichfalls die Kunstakademie in Nürnberg 1972 absolvierte, arbeitet seither als selbständiger Künstler.

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Zahlreiche Ausstellungen in Europa, Australien, die USA und Bildungsreisen in viele Länder verschiedener Kontinente machten ihn weltweit bekannt. Er erhielt für seine Werke, die sich auch in vielen Privatsammlungen und öffentlichen Gebäuden befinden, mehrfach nationale und internationale Preise. Ihre Ausstellung im Finanzamt besitzt für den Betrachter auf den ersten Blick ein hohes Maß an Spannung, weil sich ihre Werke formal wie inhaltlich stark von einander unterscheiden, ja geradezu antithetisch wirken. Großflächige Gemälde von Doris Prütting, kleinformatige und Miniaturen von Roland Fürstenhöfer, starke Abstrahierung auf der einen, verspielte Gegenständlichkeit auf der anderen Seite. Warme Farbfeldmalerei mit zumeist fließenden Übergängen findet sich neben leuch¬tenden Farbradierungen mit klaren Umrissen und präzisen Kompositionslinien.

Sehr Ernsthaftes, oft Melancholisches steht Witzigem, Humorvollem und mitunter auch ein wenig Satirisch-Surrealistischem gegenüber, Impressionen einem eher expressiven Genre. Objektivierte Titel, wie etwa „Bäume“, „Liebe, Luft und Vitamine“, „Seidenblau“, „Der Vogel“ mit einer eher plakativen Gestaltung kennzeichnen die Bilder von Doris Prütting, sehr konkrete und anschauliche, wie „Tulpen aus Istanbul“, „Trinkt Mokka in Mekka“, „Ansichtskarte aus der Steinzeit“, „Strapsodie in Blue“ oder „Arabischer Wüstenhalter“ mit einer bis ins kleinste Detail gehenden präzisen Ausarbeitung die von Roland Fürstenhöfer. Der Betrachter fragt sich unwillkürlich, wo eine Affinität, eine Analogie, ein Gleichklang zu entdecken sind, die er bei einer Gemeinschaftsausstellung im Allgemeinen erwartet.

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Melancholisches steht
Humorvollem gegenüber
Wer freilich nicht nur mit dem Auge die Kunstwerke beider gründlich rezipiert – denn das ist lediglich die Voraussetzung für ein Verstehen –, sondern ihnen gegenüber auch Herz und Seele öffnet, der wird sehr schnell spüren, dass die Arbeiten durchwegs einen außerordentlich wichtigen gemeinsamen Kontext besitzen: Ursprung und Intuition künstlerischen Schaffens sind nahezu identisch. Beide Künstler wollen sich nicht aufdrängen, nicht belehren, nicht mit Appellen und sensationellen Parolen aufwarten, wie es heute in so vielen Bereichen der Gegenwartskunst der Fall ist, wenn gerade bei der Malerei integrierten Texten oft ein größeres Gewicht zukommt als der bildlichen Darstellung oder diese ohne eine derartige oberlehrerhafte didaktische Unterweisung für den Betrachter ein Geheimnis bleiben muss. Die Kunstwerke beider vermitteln jene Innerlichkeit, die unserer Gegenwart oft so fremd geworden ist. Es handelt sich um metaphorische Poesien der Erinnerung und der Sehnsucht.

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So erwirbt Doris Prütting Rahmen, vielfach antiker Natur, um nach ihren Worten „ein Bild dazu zu malen.“ Ein Gegenstand, der entleert wurde, der einst als dekorativer Stabilisator einer bemalten Leinwand diente, erhält seine Funktion mit einem neuen Inhalt zurück. Seine Geschichte weckt in der Künstlerin gewissermaßen jene Inspiration, die sie für ihre Arbeit benötigt. Sie schafft wieder eine Einheit zwischen zwei wichtigen Faktoren bildender Kunst. Einen ähnlichen Zweck erfüllen vielfach wert- und nutzlos gewordene Gegenstände, die achtlos weggeworfen wurden. Auch sie dienen nicht selten als intuitive Urheber malerischer Fantasie und erhalten als Kompositionsdetail eines Gemäldes einen neuen Sinn. Die Farbgebung der Bilder verstärkt den nostalgischen Charakter. Man gewinnt den Eindruck, die Künstlerin habe das warme goldbraune Coleur des Bernsteins aus dem Samland, der unvergesslichen Heimat ihrer Kindheit, die sie verlassen musste, auf ihrer Flucht mit sich geführt und hierher gebracht, zumal sich darunter zuweilen auch ein düsterer Farbton mischt.

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Die Farben sind es, die bei Doris Prütting Erinnerung und Sehnsucht symbolisieren. Roland Fürstendörfers filigrane Miniaturen bedürfen der sehr genauen Betrachtung, will man sich ihnen nähern. Sie überschreiten die räumliche Begrenztheit ihres Formats. Ihre Titel und Inhalte gehen weit über den Mikrokosmos dargestellter Situationen hinaus. Für den Rezipienten sind es Wegweiser zu anderen Kontinenten, in andere Länder, zu anderen Kulturen, für den Künstler Reminiszenzen an vergangene Reisen. Die Erinnerung an fremde Menschen, Religionen, Sprachen und Lebensarten verdichtet sich bei ihm zu einer inneren Melodie der Sehnsucht nach dem Schönen, wie es Maxim Gorkij einmal ausdrückte. Eine optimistische Lebensstimmung ist unverkennbar. Die Reflexion des Erlebten wiederum lässt ihn zu Erkenntnissen gelangen, die er humorvoll und mit liebenswerter Ironie und Symbolik ins Bild umsetzt. Gleichzeitig dient ihm seine Kunst wohl auch dazu, einen Weg zu sich selbst zu finden und sich selbst besser zu verstehen. „Meine innere Melodie“ betitelte er einst eine seiner Ausstellungen. Im Sinne Paul Klees ist sie für ihn ein Medium zwischen Außen- und Innenwelt.

Öffnungszeiten zur Besichtigung der Ausstellung:
Montag bis Mittwoch
jeweils von 7.30 Uhr bis 14.30 Uhr, Donnerstag
von 7.30 Uhr bis 17.30 Uhr und am Freitag von 7.30 Uhr bis 12.30 Uhr

von Hellmuth Inderwies