Die Gartenschau ist ausgeixt – nun dürfen Xe wählen

Nun ist sie vorbei, die Gartenschau, die Kleine des Landes, und wenn wir Land sagen, denken wir nicht an den kleinen Mann auf der Landstraße – Sie wissen schon, das ist der, der immer alles bezahlen muss –, sondern an das Land, den Freistaat Bayern, die Freistatt aller Wörterschnalzer und Fandlschwinger. Und Plakatekleber. Die dürfen wir nicht vergessen. Schließlich stehen – und diesmal nicht nur landes-, sondern auch bundesweit – Wahlen vor der Tür, die eine Flut von mehr als 60 Millionen Xe (und das mal 2) – genannt Wählerstimmen – mobilisieren wollen. Na gut, ganz so viele werden sich in dieser Republik wohl nicht zum Marsch durch die „Wahllokale“ genannten Institutionen in Bewegung setzen; es genüge ja, höre ich immer wieder, und da werden zweifelsohne – allerdings hinter vorgehaltener Hand – auch etliche Politiker zustimmen, wenn diejenigen ihr X (seltsamerweise auch als „Kreuzl“ bezeichnet) am 24. September 2017 an der richtigen Stelle malen, denen die aktuelle Politik etwas bedeutet – oder etwas bringt.


 

Egal. Die Gartenschau hat ihr X erhalten. Ihre Herrschaften haben sie mit einem Kreuzl ausgeixt. Sie ist vorbei und war ein Erfolg – ein Besuchermagnet! Dies unterstrich die Bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU (im Bild rechts); hat sie der bayerische Bürgermeister Thomas Herker (SPD (im Bild links)) eigentlich eingeladen oder ist sie zufällig vorbeigekommen? Oder gehörte sie einfach zu den ungezählten kulturellen Vorführungen der Schau? Oder fungierte sie etwa bereits als Wahlross in der Peripherie der großen Stadt?) – es unterstrich also die Bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf zum Abschluss der elften Regionalgartenschau: „Die Gartenschau hat ein grünes Herz inmitten der Stadt geschaffen … Gartenschauen sind Investitionen in die Zukunft … Ein besonderes Highlight ist die naturnah umgestaltete Ilm im Sport- und Freizeitpark … Die Parks bieten auch nach dem Ende der Schau tolle Erholungsmöglichkeiten und laden zum Entspannen ein … Hier hätte ich während meiner Besuche gerne mehr Zeit verbracht und die frei fließende Ilm beobachtet.“ Was man sich halt so wünscht als Umweltministerin von seiner Umwelt.
Während die Ilm frei fließt, die Ministerin wieder im Büro sitzt (oder mit dem Schlauchboot auf der Ilm Urlaub macht (Ließe sie sich in Fließgeschwindigkeit auf der Ilm treiben, könnte sie den Fluss quasi stehend beobachten!)), laufen auf dem Festgelände die Abbruch- und Abtransportarbeiten. Alles muss raus; denn am 6. Oktober 2017 möchte auf eben diesem Gelände schon die erste Volksfestmaß hinter die Binde freudiger Kehlköpfe gegossen werden.
Sollten Sie zu diesem Zeitpunkt, also etwa zwei Wochen nach der Bundestagswahl, schwer belastet von Enttäuschung und Verzweiflung, noch immer damit beschäftigt sein, Ihre politischen Träume auf dem prügelharten Amboss der politischen Realität zurecht zu hämmern, dürfen Sie selbstredend ebenfalls auf dem Volksfest aufschlagen und sich eine Maß oder zwei oder drei eingießen und austrinken. Dazu empfiehlt sich ein Obazda, der es gerade auf der europäischen Liste der schützenswerten Speisen ganz nach oben geschafft hat; eine fragwürdige Auszeichnung, die wohl dazu führt, dass manch einheimischer Gastronom im Reich von König EU-Bürokratie seine pfiffige, in Eigenregie und eigener Küche hergestellte Kreation gar nicht mehr Obazda nennen mag. Wie die Familie Stiftl im großen Festzelt, die Familie Spitzenberger in der Weißbierhütte und die Familie Klosterbrauerei Scheyern im Traditionszelt damit umgehen, wissen wir nicht. Wir empfehlen allgemein als alternative Bezeichnung auf der Speisekarte ein dekoratives X; ein guter Obazda sollte für sich selbst sprechen können, auch wenn man ihm nach der dritten Maß akustisch nicht mehr eindeutig folgen kann.
Einen klaren Kopf haben müssen Sie unbedingt am 24. September 2017, wenn Sie selbst für sich sprechen respektive kreuzeln dürfen. Im Vorfeld, in Vorträgen, in Diskussionen und auf Plakaten irrlichtern die nettesten Sprüche durchs gesamte Land (wenn wir hier Land sagen, meinen wir tatsächlich Deutschland). Lassen Sie sich nicht blenden! Beispiele gefällig? Bitte, die FDP: „Selbstbestimmung ist nicht verhandelbar“ – hätte nicht mal in Hegels „Phänomenologie des Geistes“ eine Chance gehabt; die Linke: „Für ein starkes soziales Netz“ – klingt gut, muss aber nichts bedeuten; die SPD: „sozial. miteinander. füreinander“ – brav klein gehalten und leider nicht bis zum „Jetzt aber im Ernst! Punkt!“; die AfD: „Wer CSU wählt, bekommt Merkel“ – könnte fast als Wahlempfehlung durchgehen; die Grünen: „Zukunft wird aus Mut gemacht“ – Mut hält leider keinen Hammer, der den Nagel auf den Kopf trifft; die ÖDP: „Lösungen für die Zukunft“ – Gegenwart wäre schöner; die CSU: „Bayern zuerst“ – wieder was von den Amis gelernt; et cetera pp.
Sie sehen, X ist keines dabei. Aber schauen Sie nach, bestimmt findet sich eines in Ihrer Hosen- oder Rocktasche. Nein? So ist es gut: Dann haben Sie sich kein X für ein U und das komplette Partei-Kürzel-Alphabet vormachen lassen.
Wählen Sie trotzdem!

(von Lorenz Trapp)