Der Isarindian groovt auf dem Bluespfad

Soll i no oans spielen?“ Nach fast drei Stunden Konzert scheint Willy Michl so richtig in Fahrt zu sein. Der Isarindian kokettiert bis zum Schluss mit dem Publikum. „Es gibt Bands mit fünf Mann Besetzung, die spielen nur 40 Minuten. Aber ich bin ja allein – ich spiel drei Stunden.“ Mancher Witz erinnert in seiner bajuwarischen Absurdität an Karl Valentin. Und Witze macht Willy Michl viele, an diesem Abend im Stockerhof.

Mit Lendenschurz und kunstvoll ins lange Haar gesteckten Adlerfedern sieht der Musiker aus wie eine Figur aus einer Karl-May-Verfilmung. Doch Willy Michl spielt keinen Indianer, er verkörpert diese Haltung. Viele seiner Texte beziehen sich auf die Naturreligion der amerikanischen Ureinwohner. Dabei kommt der Humor nicht zu kurz. Wie z. B. bei der Ode an die Weißfischfrau Winona. Der Sänger schwärmt von ihrer roten Flosse, die so schön in der Sonne leuchtet. Natürlich kommt es beim Schwimmen in der grünen Isar dazu, dass er sich in dieses Geschöpf verliebt. Er steht ihr gegenüber im Wasser und drückt sein Entzücken aus – mit stummen Worten, schließlich ist seine Angebetete ein Fisch.

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Willy Michl bewegt dabei den Mund ohne einen Laut von sich zu geben und hat wieder die Lacher auf seiner Seite. Mühelos schlägt er eine inhaltliche Brücke vom Weißfischnachwuchs in der Isar über seinen Religionslehrer bis hin zu Papst Franziskus auf dem Balkon im Vatikan. Dessen Namen habe er schon gekannt, bevor ihn der Pontifex selbst bei der Liveübertragung der Papstwahl in Rom im Fernsehen verkündet hatte, versichert der Künstler und nennt seine Frau als Zeugin. Cora Michl sitzt nicht weit von ihrem Mann am Tisch mit den CDs und animiert das Publikum immer wieder, die Hände in die Luft zu recken und damit zu flattern. Eine Geste, auf die Willy Michl mit einem glücklichen Lächeln reagiert.

Dieser künstlerische Pionier erzählt in seinen Liedern sehr viele Geschichten – und das auf bayerisch. Die sind meist recht lustig und wirken trotzdem nicht rein erfunden. Im Detail beschreibt er seine umwerfend schöne Englischlehrerin mit den Schlangenlederimitatschuhen – und die Qualen eines verliebten Schülers. Beinahe beiläufig spielt der Sänger dazu unentwegt seine Gitarre und variiert Bluesschemata im nie abreißenden Groove. Dabei wechselt er die Harmonien wie zufällig immer wieder zu Welthits aus den sechziger Jahren, von Otis Redding bis Bob Dylan. Manche seiner eigenen Stücke singt er mit Kopfstimme – oder er jodelt. In diesen Momenten glaubt man ihm tatsächlich, dass er bei der Bundeswehr einem Offizier Operetten vorgesungen hat. Sein Lied über die mehr als gründliche Fahrzeugkontrolle eines Generals vor der Kaserne entwickelt sich im Text zur Farce.

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Subversiv war der heute 65-jährige damals als Gebirgsjäger ganz bestimmt. Gekonnt parodiert er Franz Josef Strauß und verspottet dabei auch noch die AfD. Sein Lied über Bruno, den Bären klingt wie ein urbayerische Landler. Wenn er singend von einem besetzten Haus in Amsterdam erzählt, in dem er mit 400 Hippies gelebt hat, spielt er den Blues auch mal funky. Seiner Freundin, schwarz wie Bitterschokolade, sei er damals immer treu geblieben. Aber sie hatte wenig Zeit, musste ständig im blauen Negligé im Schaufenster sitzen …

Bilder im Kopf lässt Willy Michl entstehen. Sein Publikum schwelgt in seliger Erinnerung und kennt viele seiner Lieder auswendig. Einige Paare schmusen zu seiner Musik, einige Eltern haben ihre erwachsenen Kinder dabei. Vier Männer sitzen am Tisch und versuchen sich das laute Lachen zu verkneifen, wenn Willy seine Stimme im übertriebenen Operetten-Tremolo zittern lässt. Es ist ein außergewöhnliches Konzert von einem außergewöhnlichen Künstler, das die hundert Menschen im Publikum im Stockerhof erleben durften.

von Heinz Hollenberger