Falco Blome erhielt Kulturförderpreis der Stadt Pfaffenhofen / von Hellmuth Inderwies
Er gehörte im Leistungskurs Deutsch am Schyren-Gymnasium zu jenen Schülern, die sich der Literatur stets auf anderem Weg als die Mehrheit näherte, spielten bei ihm doch Sprache, Ästhetik, innere Vorgänge und Prozess der Handlung eine weit bedeutendere Rolle als appellative oder lehrhafte Intentionen.
„Literatur erleben“ galt für ihn als Maxime und dies war wohl auch der primäre Grund für seine Beteiligung am Schultheater und den ersten Auftritten auf der Bühne. Von hier ging der Impuls für seine spätere berufliche Laufbahn und für die darauf folgenden vielfältigen Aktivitäten im hiesigen Theaterspielkreis aus. Wenn nun Falco Blome mit dem Kulturförderpreis der Stadt Pfaffenhofen 2014 ausgezeichnet wurde, dann ist dies vorweg auch eine Anerkennung dafür, dass er nach seinem Abitur 1993 die künstlerische Liaison zur alten Heimat nie verloren hat, obwohl ihn sein Studium der Germanistik, Linguistik und Theaterwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität und der sich anschließenden Tätigkeit als Regieassistent am Bayerischen Staatsschauspiel zunächst nach München führte und darauf in gleicher Funktion und hernach als Hausregisseur an das Theater in Ingolstadt.
Würdiger Empfänger des Kulturförderpreises
So übernahm er 2013 die Regiearbeit bei dem aufsehenerregenden Musical „Gisela und Stephan“, das Stefan Daubner in Zusammenarbeit mit seinem ungarischen Kollegen Denés Harmath anlässlich der 50-Jahrfeier des Schyren-Gymnasiums schuf und das in einer Koproduktion mit der elitären Budapester Zoltán-Kodály-Chorschule über die Bühne ging. Mit Melodien daraus verlieh der Pfaffenhofener Komponist zusammen mit seiner Frau Marie-Luise dem feierlichen Akt im Festsaal des Rathauses eine besondere Note. Und Reinhard Haiplik wies in einer ausführlichen und zuweilen von Humor getragenen Laudatio nach, dass vom Stadtrat ein verdienter und würdiger Empfänger des Kulturförderpreises gekürt worden sei. Falco Blome sei neue Wege gegangen und habe das Theaterleben in der Stadt bereichert, ja nahezu revolutioniert.
Ohne Zweifel hat er wesentlich dazu beigetragen, dass der Theaterspielkreis Pfaffenhofen gerade auch durch sein Engagement einige Jahre weit über das Niveau üblichen Laientheaters hinauswuchs, weil eine Vielfalt darstellender Genres mit hohem Anspruch das Programm bereicherte und mit Bravour über die Bühne ging. Er führte bei Eugène Ionescos „Impromptu oder der Hirt und sein Chamäleon“, Alfred Jarrys „König Ubu“, Heiner Müllers „Hamletmaschine“, bei „Happy Deathday, Fonty“ (Szenische Erinnerung an Theodor Fontanes), Samuel Becketts „Warten auf Godot“, „Die Frauen“ (Komödie ohne Männer), Hugo von Hofmanns-thals „Elektra“ und Wolfgang Hildesheimers „Nachtstück“ Regie, übernahm zugleich als Schauspieler tragende Rollen und leistete bei einigen dieser Glanzlichter Pfaffenhofener Theaterlebens umfangreiche Textarbeit. Auch mit dem von ihm verfassten Solostück „Der Boanlkramer sucht sein Paradies“ feierte er einen überwältigenden Erfolg. Olivia Wendt hatte es bei den letztjährigen Pfaffenhofener Paradiesspielen eindrucksvoll in Szene gesetzt und brachte es im „klassischen“ Kostüm mit Sense beim Festakt im Rathaussaal erneut in Erinnerung.
Dem Theaterleben Ingolstadts, an dem viele Bewohner der Region teilnehmen, verlieh Falco Blome bemerkenswerte Impulse. Zusammen mit Julia Mayr schuf er die Experimentierbühne „Kleines Haus“ mit einem bunten abwechslungsreichen Programm. Sehr erfolgreich waren seine Projekte wie „TALK TALK“, eine Parodie auf entsprechende TV-Serien „mit illustren Gästen“ und ihren unterschiedlichen Meinungen zu aktuellen Themen, wegweisend seine Beiträge zu Reihen wie „PLAYSTATION“, wo er den Hamletdarsteller in Heiner Müllers „Die Hamletmaschine“ im Rückblick die verdorbene Welt betrachten lässt oder in Anlehnung an Elfriede Jelineks „Bambiland“ die ständige mediale Berieselung und ihre Folgen reflektiert. Im „FIGHT CLUB“ wiederum, den er lange Zeit zusammen mit Julia Mayr leitet und für Regie und Fassung verantwortlich ist, werden antithetische Themen „Israel versus Paläs-tina“ oder „Demokratie versus Was Besseres“ in einem Kampf mit Worten durchleuchtet. Zudem waren es seine Inszenierungen im Theater, so von Schillers „Verbrecher aus verlorener Ehre“, „Die fetten Jahre sind vorbei“ nach Hans Weingartners gleichnamigem Film oder „Amerika“ nach Franz Kafkas Roman, mit denen er sich einen Namen machte. Nicht zuletzt gehört er zum Kreis der Organisatoren des internationalen Kurzfilmfestivals „20minmax“ in Ingolstadt, wo er in der Jury mitwirkt und die Abschlussveranstaltung inszeniert.
Absurde Konstellationen voller Witz und Tragik
Augenblicklich erlebt „Abendstille“, eine Produktion des Generationenspielclubs im „Kleinen Haus“, bei der er Regie führt und den größten Teil des Texts verfasst hat, wegen des unerwarteten Erfolgs eine Zusatzvorstellung. Hier treffen Menschen unterschiedlichsten Alters, aus unterschiedlichsten sozialen Verhältnissen und mit unterschiedlichsten Schicksalen und Lebensbildern, Sehnsüchten und Utopien zufällig oder gewollt aufeinander. „Es ergeben sich abstrus absurde Konstellationen, voll Witz und Tragik, aber auch Momente der Einsamkeit und des Zurückgeworfenwerdens auf sich selbst. (…) Dabei changiert alles zwischen Realismus und Konstruktion, manches bleibt bewusst fragmentarisch. Manche Geschichte leuchtet nur kurz auf.
Und doch gibt es etwas, das alles zusammenhält. Eine gemeinsame Frequenz, ein gemeinsamer Ton, der durch den Ort erzeugt wird“, heißt es im Programm. Ein deutlicher Hinweis auf jene Dimensionen menschlichen Lebens, die dem engagierten Theatermann Blome besonders am Herzen liegen und die letztendlich die Frage nach dem Ort ehrlicher Kommunikation aufwerfen! „Es gibt Momente im Theater, wo die Bühne wahrer ist als die Wirklichkeit“, so seine Worte. Und eben diese Momente sollte das Publikum erleben und nicht nur sehen und beschreiben können. Sie gilt es über die Rampe hinweg zu vermitteln, damit eine Synchronität zwischen Bühne und Publikum entstehen kann. „Eine Inszenierung ist ein Angebot an den Zuschauer.
Sie muss den Zuschauer mitnehmen, muss ihm entgegenkommen mit einem angemessenen Tempo der Darbietung. Rasanz und übermäßige Lautstärke allein, wie manche meinen, haben mit Dramatik nichts zu tun und schon gar nichts mit Kunst!“ Zum andern könne die Bühne keine Lehre oder Moral vermitteln, wobei er Friedrich Schillers Rede vor der kurpfälzischen Deutschen Gesellschaft „Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet“ in keiner Weise in Frage stellen wolle, weil sie im Geiste der nationalen Einigung Deutschlands gehalten wurde und nicht im Zeichen eines demokratischen Pluralismus, wo der Begriff „Moral“ doch sehr facettenreich und wandelbar geworden sei. Blome: „Wer bin ich denn, dass ich jemanden sagen kann, was moralisch ist?“
Aus dem Handlungsverlauf muss demnach der Zuschauer selbst Erkenntnisse für sein Leben ziehen und sie nicht von einem festgefahrenen Moralbegriff ableiten. Falco Blome folgt hier der Lehre und Auffassung von Ludwig Wittgenstein, der ja die zeitgenössische Kunst und die Diskussion über Kunst stark beeinflusst hat. „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ steht am Anfang seines Tractatus logico-philosophicus. Die Wahrheit liegt also in der Sache, beim Theater im Ort der Handlung. In einem Aufsatz geht Falco Blome ausführlich darauf ein, wenn er auf die Frage „Where are we now?“ („Wo sind wir jetzt?“), die David Bowie in seinem neuen Album „The next Day“ stellt, eine polemische Antwort gibt.
Falco Blome arbeitet seit 2011 nicht nur als freier Regisseur, sondern auch als ein außerordentlich engagierter Autor, der bereits in seiner Schulzeit große Sensibilität für Sprache besaß und mit ihr sehr souverän umzugehen wusste. Wer die Aufführung eines von ihm bearbeiteten oder verfassten Stücks, wie den „Boanlkramer“ wirklich „erleben“ will, muss ein Gespür für seine nuancierten sprachlichen Gestaltungsformen besitzen.
(P.S.: Der Artikel ist weitgehend das Resümee eines Gesprächs, das ich wenige Tage nach der Verleihung des Kulturförderpreises mit meinem ehemaligen Schüler Falco Blome führte, unter dessen Regie ich in der „Hamletmaschine“ auf der Bühne stand.)