von Lorenz Trapp
Die Kleiderabteilung befindet sich in der ersten Etage; in den Regalen direkt daneben stehen Kerzenständer aus Messing, Vasen in allen Größen und Formen, und auch das Angebot an Spielen und Spielsachen ist beeindruckend. Ganz hinten, am Ende der Reihe, sind die Regale gefüllt mit Büchern – nach Themenbereichen und exakt, wie Zinnsoldaten, in die Fächer eingeordnet. „Wir haben eine Mitarbeiterin“, erklärt Richard Schaller jedem, der sich darüber wundert, „die sich erstens mit Büchern auskennt und zweitens jede Form von Literatur liebt!“
Schmuckstück
zwischen Vitrinen: Richard Schaller leitet
eine Einrichtung, die das umfangreiche Sortiment eines Kaufhauses bietet
Von der Galerie aus, zwischen Regalen mit verführerischen Kleinigkeiten und Dekorationsstücken, öffnet sich der Blick über das Erdgeschoss. Gleich links unten befindet sich die Ski-Abteilung, die auch gleich die Krücken für den Fall eines Unfalls bereithält, daneben warten schöne Möbel, vom massiven Holzschrank bis zur Couchgarnitur, auf ihren Käufer, am Fenster entlang stehen Kleinmöbel, und die Auswahl an Matratzen lässt nichts zu wünschen übrig. Langsam schweift der Blick nach rechts: Neben Vitrinen mit mehr oder weniger wertvollem Schmuck steht eine antike, aber voll funktionsfähige Pfaff-Nähmaschine, auf kleinen Tischchen sind liebevoll Deko-Artikel aufgebaut, und in den CD- und Schallplatten-Ordnern suchen Kunden nach interessanten Raritäten und brandheißen Hits. Und wenn nicht alles täuscht, gibt’s tatsächlich, gleich nach dem Eingang, ein kleines gemütliches Café, mit bequemen Sesseln, einem Kanapee um einen Tisch, und hier oben ist eine Spielecke eingerichtet für Kinder, wenn Mama und Papa in Ruhe stöbern möchten – ein ganz normales Kaufhaus eben, möchte man meinen.
Mitnichten! Wir befinden uns in der Hausratsammelstelle des Bayerischen Roten Kreuzes, direkt an der Westtangente zwischen Bahnhof und Niederscheyern gelegen, die Richard Schaller seit zwei Jahren leitet. Auf dem Weg nach unten deutet er zum Ende des Raumes, wo seine Mitarbeiter gerade den Inhalt eines Kleintransporters in die Halle tragen: „Das ist unsere Anlieferzone“. Es handelt sich um gebrauchte, gut erhaltene, auf jeden Fall wiederverwendbare Gegenstände, die vom Personal der Hausratsammelstelle sorgfältig aufbereitet und dann kostengünstig zum Kauf angeboten werden.
Es sei ja seit Langem, sagt Richard Schaller, erklärte Absicht der Politik, Abfall zu reduzieren, und so habe man nach Möglichkeiten gesucht, beispielsweise auch Hausrat einer sinnvollen Wiederverwertung zuzuführen: „Dann landet eben nicht jeder Schrank oder ausrangierte Fernseher in der Müllverbrennungsanlage!“ Vor sechzehn Jahren errichtete der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises das Gebäude genau für diesen Zweck, und das BRK übernahm praktisch als Dienstleister die Aufgabe, nicht mehr benötigten Hausrat zu sammeln und an Menschen weiterzugeben, die diese Dinge brauchen können.
Richard Schaller, der neben der Hausratsammelstelle auch die kompletten IT-Anlagen des Roten Kreuzes im Landkreis betreut, war lange Jahre als Filialleiter eines technischen Fachgeschäfts tätig und weiß von daher, wie man die Ware präsentiert und wie man Kunden behandelt: „Und deshalb“, darf er nicht ohne Stolz behaupten, „erfreuen wir uns wachsender Beliebtheit“. Die Akzeptanz ist in Anbetracht der vielen Menschen – der Kunden –, die den ganzen Tag über das Angebot sichten und kaufen, nicht zu übersehen, doch für ihn ist neben der Tatsache, dass die Kunden in der Sammelstelle günstig wichtige und notwendige Gegenstände erwerben können, noch ein weiterer Aspekt entscheidend: Die Hausratsammelstelle bot auch die Möglichkeit, für schwer vermittelbare Arbeitsuchende – auch mit Handicap – Arbeitsplätze zu schaffen.
Und so läuft’s üblicherweise ab: Entweder die Bürger bringen ihre Sachen selbst vorbei, oder die Mitarbeiter der Sammelstelle holen sie ab. Dieser Service bietet sich für komplette Haushaltsauflösungen an, wenn die „alten“ Möbel keinen Platz mehr haben oder wenn der Keller geräumt werden soll. Für die Abholung erhebt das BRK eine geringe Gebühr, die allerdings mit den Kosten für die gewerbliche Konkurrenz nicht zu vergleichen ist. Dennoch: Auch bei der Hausratsammelstelle arbeitet qualifiziertes Stammpersonal, das die Ware nach Eingang aussortiert in „verwendbar“ und „nicht verwendbar“. Letzteres wird natürlich entsorgt, alles andere wird in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt und, so formuliert es Richard Schaller salopp, „bei uns zu Geld gemacht“. Der Bürger denke ja oft, beim Roten Kreuz kommt das Geld vom Himmel herunter, doch dem sei selbstverständlich nicht so.
Möbel, Textilien, Spielsachen, Bücher – selbst eine Pistole war schon einmal dabei und stellte sich dann auf Nachfrage bei der Polizei als zugelassene Schreckschusspistole heraus – stellen den Löwenanteil, doch auch viele Elektrogeräte, vom Kühlschrank bis zum Computerzubehör, Haushaltswaren aller Art sowie Heimwerkerbedarf finden sich im Sortiment, und wer keinen neuen Kinderwagen kaufen will, weil er ihn eh nur ein Jahr braucht, ist bei Richard Schaller und seinen Mitarbeitern genau richtig. Kunden, die tatsächlich bedürftig sind und mit einem Warengutschein kommen, sind bei den Besuchern der Hausratsammelstelle in der Minderheit. Auch das Landratsamt versorgt sich dort, um Asylbewerber auszustatten, die im Landkreis untergebracht sind, Kleinhändler erwerben Gegenstände, die sie weiterverkaufen, und viele Kunden aus Osteuropa decken sich ein und verkaufen die Ware in ihrer Heimat.
Ein Besuch in der Bürgermeister-Stocker-Straße ist lohnend nicht nur für den,
der seinen Hausrat komplettieren will
Dies sei so manchem Bürger ein Dorn im Auge, die den Verkauf auf Einheimische beschränkt sehen wollen, doch Richard Schaller bleibt hier gelassen: „Ein ‚Ausländer nicht erwünscht‘-Schild würde ja wohl nicht so gut kommen“, und außerdem fließen die Einnahmen in die Kasse des Roten Kreuzes, das damit Bereiche finanziert, die nicht kos-tendeckend arbeiten können. „Die ausländischen Kunden tragen damit also durchaus zur Unterstützung unserer karitativen Tätigkeiten bei“, ein Argument, das doch überzeugen sollte.
Neben den Vitrinen mit Modeschmuck bleibt Richard Schaller stehen: „Richtig Wertvolles haben wir natürlich nicht“, stellt er lächelnd fest, „vielleicht mal ein Rosenthal-Geschirr – oder ein Mädchen!“ Mädchen? Nur eine kleine Anekdote aus dem Alltag der Hausratsammelstelle, erzählt er. Ein Mann vom Balkan fragte ihn mal: „Mädchen da hinten – was kostet?“ Nachdem er dem Mann erklärt hatte, dass er zwar vieles, aber keine Mädchen verkaufe, beharrte der Mann darauf, bis ihn Richard Schaller eben nach hinten begleitete – zu seinem „Mädchen“, das sich schlicht als Gemälde herausstellte.
Wer sich nicht so schnell wie der Mann vom Balkan entscheiden kann für das, was ihm aus dem vielfältigen Angebot der Hausratsammelstelle am besten gefällt, der sollte sich im „Café Hausrat“ am Eingang erst mal einen Capppuccino genehmigen – auch auf die Gefahr hin, dass die Liste der Dinge, die er unbedingt mitnehmen will, immer länger wird.
Hausratsammelstelle des BRK
Bürgermeister-Stocker-Str. 2
Tel. 0 84 41 / 7 66 11