Abschied von Holger / Gerüsselter Trost vom Elefanten

von Lorenz Trapp 

Nun ist er endgültig auf den Hund gekommen. Hoffen wir, dass ihn sein Frauchen in diesen schweren Stunden, die für einen Herrn in seinem jugendlichen Alter – sieht man ab von der Möglichkeit, mit einem Strick am Tierheim festgebunden zu werden – zu den schlimmsten gehören, was einem treuen Freund passieren kann, nicht im Stich lässt. Denn auch für das Frauchen stand ein Abschied auf der unendlichen Agenda, die das Leben so gnadenlos schreibt.

Wir werden ihn vermissen. Wie oft und wie innig stiegen unsere Herzen wie Falken in die Lüfte, wenn wir ihn, Holger, den Hauptplatzhund, in seinem Domizil besuchten oder ihn gar, wenn Sonnenstrahlen den Hauptplatz fluteten und er hingebungsvoll den imaginären Brunnen vor La Morenas Tore bewachte, schon von Weitem mit einem Winken begrüßen durften. Wie heftig wedelte doch sein Schwänzchen aus Plastikrohr vor Freude! Aus und vorbei. 

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„La Morena“, der kleine Laden unten im Rentamt, den das Gewölbe nicht nur mit edlen Accessoires, sondern auch mit einer so bezaubernden wie fachkundigen Raumausstatterin beherbergte, ist Vergangenheit. Nicht ganz: Elke Maria Hack, la morena, die Braunhaarige, konzentriert sich in Zukunft auf Kunden und Werkstatt, und Holger möchte nicht bei den Nachmietern bleiben.

Er wäre wohl – doch nur unter der Voraussetzung, dass Adi Descy hier seine neue Kneipe hätte eröffnen können. Die beiden, der Wirt und der Hund, waren schon in Verhandlungsgesprächen über einen adäquaten Fensterplatz für Holger, mit Blick auf den Platz, doch dann kamen diesen Plänen, wie aus der Gerüchteküche zu vernehmen war, gewichtige Argumente in die Quere: Der Hauptplatz, so war aus dem Munde des vermietenden Landratsamtes unter Berufung auf die örtliche Gastronomie zu hören, hätte bereits Lokale in ausreichender Quantität; insofern vermiete man den Laden lieber wieder als Laden.

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Armer Holger! Na ja. La Morena, die bekannt ist für ihr großes Herz, hat dort sicherlich noch ein kuscheliges Plätzchen frei für den kleinen Holger, und wir Armen, wir werden ihn vermissen müssen, ihn und seine spitzbübischen Ideen, die er im Kleinhirn unter seinem gelben Plastikhelm ausheckte. Diese „Behütung“ schenkten ihm die Bauarbeiter vom Sigl-Eck, die ja, wenn man’s genau nimmt, eigentlich seine Väter sind und ihn durch die Jahreszeiten zu den seltsamsten Kostümierungen ermunterten.

Erinnern wir uns: Als Mexikaner mit Sombrero und kohlrabenschwarzem Bart verbreitete er in den Faschingstagen Mariachi-Stimmung vor dem behäbigen Rentamt, zur Eröffnung des C&A in der Osterzeit querte er keck die Straße, um haut- und bellnah dabei zu sein, führte dem kauflustigen Publikum stolz seine Ohrenschützer in Osterlammform vor, und als Weihnachtstrubel die Stadt erfüllte, blickte er tapferen blauen Auges hinaus in Eis und Schnee, die gespitzten Lauscher beschützt von minimalistischen Weihnachtsmännern. Und nun das: Trost, gerührt und gerüsselt, vom Elefanten! Zwei, die im selben Boot saßen, zwei, deren Segel am Horizont des Lebens kaum mehr als einen Punkt ausmachen, sie verlassen die sinkende Stadt …