von Lorenz Trapp
„Beim Zeus“, pflegten die alten Griechen ehrfurchtsvoll zu murmeln, wenn zwischendurch mal wieder Blitze vom Himmel zuckten, doch scharf drauf waren sie nicht, wenn ihre Schafherden auf den kargen Weiden auf diese Weise erleuchtet wurden. Da der Göttervater ja nicht ganz unschuldig war am wunderbaren, auf vielen Urlaubsbildern faszinierenden Licht über seiner Welt, beschränkte er sich bei seiner Blitzerei auf ein für alle Seiten erträgliches Maß. Manchmal musste es eben sein.
Etliche Jahre und Kilometer von dieser göttlichen Erleuchtung entfernt, aber beschlagen mit Erfindergeist, machten wir uns ganz eigene Gedanken, und siehe da: Es ward Licht! Böse Zungen behaupten, der Beruf des Elektrikers sei nur deshalb entstanden, weil der liebe Zeus keinen Bock hatte, mit der Zeit zu gehen und Licht in Birnenform anzubieten – schon gar nicht in der Hallertau. Die Wahrheit allerdings liegt in der Mitte: Zeus schaut jetzt erst mal zu, wie sich die ganze Geschichte entwickelt – wenn’s drauf ankommt, ist so ein Blitz gleich runtergejagt.
Alles nicht nötig, lieber Zeus, wir machen das! Wir haben’s ja! Tatsächlich: Wir stehen vor einem Birnen-Haufen. Die gute, alte Weihnachtsbeleuchtung, die uns jahrelang zur Weihnachtszeit Licht ins zarte Gemüt schenkte, hat ausgedient. Ökologisch ist sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit, wie wir Alten alle sei auch sie anfällig für kleine Zipperlein, die enorme Rekonvaleszenz-Kosten verursachen, und überhaupt sei die Zeit sowieso gekommen. Erleichternd für unseren Entschluss, was Neues zu wagen, kommt natürlich hinzu, dass der Verein Pro Wirtschaft, Herr der Lampen-Ketten, die-se zu einem nicht akzeptablen Preis unter das Volk bringen wollte, über dessen Köpfen es dann baumelnd für die entsprechende Stimmung sorgen sollte. Doch wir ließen uns nicht hinters Licht führen.
Wir stehen vor einer neuen Weihnachtsbeleuchtung. Die WSG, eine städtische Gesellschaft, die ihr Akronym – immer im Licht der jeweiligen Haupttätigkeit – zur Zeit als Weihnachts- und Service-Gesellschaft definiert, besorgte eine neue Weihnachtsbeleuchtung. 648 kW Strom braucht sie pro Weihnachtszeit, lächerlich im Vergleich zu den 11000 kW der alten. Ihre LED-Birnen (jaja, wissen wir schon, die Birne hat ausgedient wie die Liebe; wir hängen aber trotzdem dran), die seit ein paar Jahren den Markt aufhellen, leuchten erfahrungsgemäß 5,7 Jahre, und wenn eine kaputt geht, brennen die anderen weiter, während die defekte auf Jahrzehnte aus dem Sortiment des Herstellers ersetzbar ist. Weihnachten 2030 ist also gerettet.
Doch halt! Ist das Objekt unserer Begierde überhaupt schon da? Just in time wird es einfliegen, rechtzeitig zum Beginn des Christkindl-Marktes setzt es mit einer Spannweite von 5,25 Metern/Modul zum Sturzflug an, Licht und Freude sprühend, auf dass die Herzen aufgehen vor staunendem Weihnachtsglück, auf dass die Augen aufgehen, um im Lichtermeer auch die illuminierten Fassaden zu sehen und am Weihnachtsmarktstand die Lampen und die Kerzen und die Bäume vor lauter Wald.
Es ist Zeit, sich mit Ernest Hemingway in „Ein sauberes, gut beleuchtetes Café“ zu setzen, Zeit, das nada-Gebet in einem Glühwein gemächlich Revue passieren zu lassen, und dann tritt Zeus, der dort als Kellner jobbt, an den Tisch. Er blitzt nicht, er schaut mich nur traurig an: „Otro loco más“. So kann man es sehen.