von Kilian Well
Geht nicht – gibt es nicht mehr in Pfaffenhofen. Nach diesen Wahlen, gleich wie sie enden, hat sich die Stadt gewandelt. Aus Frust und Resignation erwuchs neue Kreativität und die eine oder andere Vision. Was, Sie fühlen sich in Pfaffenhofen nicht (so ganz) wohl? Selber schuld! Warum machen Sie nicht selbst gerade das auf, was Sie vermissen? Es ist doch Ihre Stadt – und niemand sollte Sie, darf Sie daran hindern, sich selbst zu leben – natürlich ohne andere unmittelbar zu schädigen. 40 Jahre nach 1968 kommt wieder Freiheit auf …
Und wenn Sie auf Ihre Heimatstadt stolz sein möchten? Nehmen wir an, Sie bekommen Besuch aus Jerusalem oder Sydney – was zeigen Sie von Pfaffenhofen? Das Hipp-Werk von außen, das Lebzelter-Museum, den Stadtplatz, die Stadtkirche? Der Skulpturenpark ist schon abgebaut…
Wenn der erhoffte „Magnet“ nicht kommt
Pfaffenhofen braucht etwas zum Herzeigen. Nicht ein langweiliges, introvertiertes Museum, sondern eine „Welt“, eine Leiteinrichtung für Erkenntnisse, die Lebensgefühl gibt. Dagegen ist eine Stadthalle wie eine Notdurft-Einrichtung. Es kann auf den ersten Blick etwas Verrücktes sein, wie zum Beispiel das „Museum zur Kulturgeschichte der Hand“ in Wolnzach oder von der Welthistorie wie das Römer-Kelten-Museum in Manching, wo sich heute die Gelehrten aus ganz Europa treffen, Vorträge halten – Kulturgeschichtsgenuss pur. Ein echter Geheimtipp für Mysterientaucher…
Erst um so einen „Leuchtturm“ scharen sich Hotels, Gastronomie, hilfreiche Einrichtungen, Dienstleister aller Art – und langsam spülen sie Besucher durch die Stadt, die Schaufenster anschauen, einkaufen, Zeit haben – und die Stadt schön, die Verkäuferinnen freundlich und alles gut finden. Einige ziehen sogar um. Das ist keine Phrase, sondern tagtägliche Praxis, überall dort, wo es unternommen wurde. Es ist die Politik der kleinen Schritte, die ein Ortszentrum wiederbelebt, wenn ein „Magnet“ nicht einziehen will/kann.
Eine Museums-Welt als kreative Leistung
Dann muss um jedes Haus gekämpft werden. Mühsam, letztlich ein Rückzugsgefecht. Nur ein starker Impuls kann davon befreien, ein Ersatz-Magnet. Hier liegt wirklich das Geld auf der Straße. So verrückt kann heute eine Idee gar nicht sein, dass sie nicht Besucher generiert. Ordentlich verpackt allerdings, in einer Architektur des 21. Jahrhunderts. 50 % bringt das Äußere, 50 % das Innere. Woher nehmen die anderen Städte ihr Potential? Mal eine Sammlung gestiftet als „Hab mich gern“ – mal ein extremer Akzent können helfen, z. B. warum nicht ein Museum für Fotokunst bei so vielen talentierten Fotografen in Pfaffenhofen mit Marian von Korff und seinem Faible dafür im Rücken, ein paar Warhols inklusive? Oder noch besser ein Museum, z. B. ein „Center für Ernährung“? Hier könnten die Leute erfahren, wie wichtig das Wissen darüber ist und Traditionen u.a. tagtäglich vereiteln, dass wir gesund leben. Ein Keim dazu liegt im Hausmuseum des Hipp-Werks, aber die Dimension, die darüber liegt, wäre welt-revolutionär.
Wieviele Arztbesuche würden sich erübrigen, wenn zuhause „richtig“ gekocht würde, die Nahrungsmittelindustrie sich aus der Abspeisementalität, dem Bauch-voll-Kriegen-Denken verabschieden könnte Richtung gesunde Ernährung? Wenn der Irrsinn der McDonalds-Küche offenbar würde? Die ganze Welt käme in diese Vision der Ernährungswelt. Wer sonst hätte ein Recht darauf, wenn nicht Pfaffenhofen mit den besten Babyfood-Produzenten der Welt? Bio ist hier wirklich zuhause und nicht nur ein Marketing-Trick mit kurzen Beinen.
Die BMW-Welt liefert Premium-Autos aus. Eine „Ernährungswelt“ in Pfaffenhofen glückliche Genießer. Schluss mit den Lehrzimmern der AOKs auf Leistungsschauen, mit Blutdruckmessgeräten u. ä. – hier wird eine geistige Tiefe gespielt, die demotiviert. Nein, Fantasien rund um Nahrungsmittel, reichlich garnierten Tellern, Starköchen u.v.m. würden inspirieren. Rein zufällig ist 30 km nördlich mit dem Reinheitsgebot das erste Lebensmittelgesetz der Welt entstanden. Und der Hopfen vor der Tür, seine antiseptische und krebsbekämpfende Wirkung, passt ins System. Alle Gaststätten Pfaffenhofens böten eine „neue Küche“ – die Münchner kämen …
Ja, träumen darf doch erlaubt sein – gerade nach Herkers Wahlkampf. Aber wer hat schon ausgerechnet, wie viele Münchner Besucher nötig wären, die Innenstadt Pfaffenhofens vor dem Ausbluten zu bewahren und was die Münchner dort attraktiv finden könnten, dorthin zu fahren? Nach Wolnzach kommen sie, um den Hopfen zu finden, den sie verloren haben, obwohl er zur Münchner Identität gehört …
Unternehmer mit Qualität für die Offensive
Die Keltensuche über Manching hat erst begonnen, birgt aber eine gigantische Dimension. Was sollen sie in Pfaffenhofen suchen? Das können besondere Frühstücks-Hörnchen sein ebenso wie ein süffiges, markantes Bier. Ja da wären wir beim Unternehmer. Wer hat den Mut, etwas so toll herzustellen, dass er zum „Magnet“ wird? Ein Haus Hipp hat die längste Praline der Welt ins Guinness Buch der Rekorde gebracht. Weiter so! Wir brauchen noch die Rekorde der Pilger zu einem guten Produkt – ein „Parfüm“ mit Unwiderstehlichkeit wie im Film von Bernd Eichinger…
Eine Sinngebung für mental Verstörte
Pfaffenhofen hat den Charme einer französischen Garnisonsstadt. Hier könnte „Parfüm“ spielen bzw. gespielt haben. Pfaffenhofen hat Potential zur Pilgerstadt. Das ist kein Widerspruch zur „Gesunden Ernährungswelt“, nur eben heruntergebrochen auf Apotheken und Kuriositäten. Und plötzlich werden die einmaligen Minzdragees des Apothekers Boniberger zu Trittsteinen eines Pilger-Pfaffenhofens, Nostalgie mit eingeschlossen. Französische Kleinzentren sind nicht anders. Vielleicht sollte sich Pfaffen-hofen im Westen Inspirationen holen? Natürlich müsste die Resignation und der Defaitismus dieser J.w.d-Städte Frankreichs als Impfstoff verstanden werden, die eigene Lähmung zu überwinden. Doch das erkannte Veränderungspotential dieser Städte hätte potenzierende Wirkung auf Pfaffenhofen. Ja, wer nicht Sibirien erlebt hat, schätzt nicht Moskau, blüht dort nicht auf. Hier schließt sich der Kreis zu unseren Touristen: es kommen so viele aus „Sibirien“, ihrer persönlichen Öde, verstärkt durch die miserablen Privatsender, die immer schlimmer, ja immer blöder werden – von intelligenter Unterhaltung keine Spur – einem Verfall der Werte, der Orientierung, der Suche nach einer Überlebensfähigkeit – geistig und emotional. Verdammt noch mal, ist es denn so schwierig, diesem Leuten das zu geben, was sie suchen? Sind wir denn alle schon so dumm, wie die Große Koalition sich jeden Tag gibt? Das ist Sibirien (in einer anderen Weise) – Pfaffenhofen hat ein Besseres verdient. Wagen wir es. Zumindest die Gedanken, die Visionen. Seien Sie einfach – aus Sicht Ihrer bescheidenen Vergangenheit – ein wenig „verrückt“ …