Im Spiegelbild der Zukunft Die Hauptplatzdiskussion bewegt sich in Richtung mehr Lebensqualität

von Julian Knapp

„Was ist ein praktischer Plan“ Ein Plan, der bereits entworfen ist und unter den herrschenden Bedingungen verwirklicht werden kann.“ Ausgerechnet ein Bonmot des provokativen Dandys, Märchenerzählers und Stückeschreibers Oscar Wilde passt perfekt zum derzeitigen Stand der Hauptplatz-Debatte.

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Der „praktische Plan“ ist in diesem Falle der vor fast zehn Jahren entstandene Entwurf des Stadtplaners Klaus Immich für die Hauptplatzneugestaltung. Das Papier lässt die Zukunft des Hauptplatzes so weit offen, dass sich alle an der Diskussion beteiligten Interessengruppen auf eine Fortführung der Debatte und grundsätzlich auf Änderungen am Hauptplatz nun überhaupt einlassen. Dabei ist in der letzten Stadtratssitzung nur eine Streichung der 14 Parkplätze vor dem Rathaus bis zur Höhe Café Hipp, Kaufhaus Urban (siehe Grafik, S. 2) entschieden worden. Ob dieser Bereich dann zur wirklichen Fußgängerzone oder einem verkehrsberuhigten Abschnitt des Hauptplatzes wird, wird erst in der nächsten Stadtratssitzung am 14. Juni entschieden, betont Stadtbaumeister Walter Karl. Außerdem ist dies nur eine von zahlreichen offenen Fragen bezüglich der Zukunft des Hauptplatzes.

Doch der Umstand, dass Bewegung in die Sache kommt und auch wichtige Hauptplatzanlieger über den Verein Pro Wirtschaft Gesprächs- und Handlungsbereitschaft signalisieren, löste im Stadtrat bereits durch die Bank positive Reaktionen und Hoffnungen aus. Selbst die hartnäckigen Befürworter eines komplett zur Fußgängerzone umgewandelten Hauptplatzes, die sich ebenfalls in fast allen im Stadtrat vertretenen Parteien finden, begrüßten die Stellungnahme des Arbeitskreises Innenstadt vom Verein Pro Wirtschaft nachdrücklich.

„Das freut mich sehr“, versicherte Konditormeister Hans Hipp in Bezug auf die Reaktionen im Stadtrat. Er hatte das Papier in dem Arbeitskreis gemeinsam mit den anderen Unterzeichnern (Hermann Urban, Hans Bergmeister jun., Georg Festl, Johann Hofner, Wilfried Gerling, Georg Schultes jun. und Hans Zirngibl) ausgearbeitet. Bevor der Brief konkret auf neun für den Arbeitskreis wichtige Punkte bezüglich der Zukunft des Hauptplatzes eingeht, wird in dem Schreiben die Sanierung des Platzes ausdrücklich positiv bewertet: „Wir sind für jede Maßnahme, die unsere Innenstadt attraktiver werden lässt, sehr dankbar.“ Dann aber kommt das Schreiben schnell auf das Thema Parkplätze, die für das Gewerbe vor Ort und einen breiten Branchenmix am „dringendsten“ nötig seien.

Gewerbe für jede Maßnahme, die Zentrum attraktiver macht

Das Festhalten an der Zahl der Parkplätze muss angesichts der Konkurrenz von der so genannten „Grünen Wiese“ betrachtet werden, wie sie das geplante Einzelhandelszentrum in Eberstetten „mit einem unüberschaubaren Parkplatzangebot“ (Pro Wirtschaft) darstellt. Umsatzeinbrüche und leerstehende Geschäftsräume sind die große Befürchtung des Gewerbes vor diesem Hintergrund. Verschärft wird die Situation aus Sicht des Arbeitskreises, da im Innenstadtbereich die Stellplätze bei „Schrag“, „Schlachthof“ und gegenüber des Sparkassenplatzes durch neue Planungen wegfallen könnten und jedenfalls nicht langfristig gesichert seien. Brau-Gastro-Unternehmer Fritz Müller ist mit seinem Verwaltungsgebäude am Westende des Hauptplatzes und dem Hotel Müllerbräu am Ostende gleich zweifacher Anlieger und sieht die Parkplatzproblematik ebenfalls am dringendsten. Ansonsten will er sich aus der Diskussion aber eher heraus halten und gehört auch nicht zu den Mitunterzeichnern des Briefes.

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Vergleiche hängen – die Hauptplatzfrage aber kennen viele Orte

Die Angst vor Umsatzeinbrüchen im Zuge der Einrichtung einer Fußgängerzone in Pfaffenhofen sind hingegen keineswegs ungewöhnlich oder gar provinziell. Selbst in der Landeshauptstadt München gab es langwierige, verfahrene Diskussionen, bevor die Kaufinger Straße erst 1972 vor der Olympiade für den Verkehr gesperrt wurde. Dass sich die Geschäftsleute dort heute sicher keine Parkplätze zurückwünschen ist klar, aber die millionenschwere Einkaufsmeile ist natürlich auch nicht mit Pfaffenhofen zu vergleichen. Nennt man den Gewerbetreibenden andere Städte wie Eichstätt, verweisen sie ebenfalls auf die völlig andere Situa-
tion dort mit Universität und Polizeikaserne. Die vielen jungen Leute und der Tourismus wären dort ein Plus. Allerdings hat Pfaffenhofen fast doppelt so viele Einwohner wie die Altmühlstadt.

Der oberpfälzische Ort Selb sei ein gutes Beispiel, heißt es aus dem Kreis der Anlieger. Dort sei eine Verkehrsberuhigung der Hauptstraße wegen schlechter Erfahrungen des ansässigen Gewerbes rückgängig gemacht worden. Die Nachfrage bei Hans Würzbacher, Leiter der Stadtverwaltung, bestätigt dies zunächst. Nach über 12 Jahren sei 1997 nach einem Machtwechsel im Stadtrat die bis dahin an Nachmittagen verkehrsberuhigte Ludwigstraße im Zentrum wieder komplett für den Verkehr freigegeben. Jetzt werde allerdings manchmal völlig chaotisch alles zugeparkt. Außerdem stellt sich heraus, dass es im wesentlich kleineren Selb (17.000 Einwohner) trotzdem weiterhin ein Stück reine Fußgängerzone am Martin-Luther-Platz gibt.

Minimallösung würde den Fluß von Fördergeldern verhindern

So sehr jeder Vergleich mit anderen Städten hängen mag, er zeigt zumindest die Parallelen der Diskussion anderenorts. Außerdem scheint sich Pfaffenhofen manchmal nur nicht richtig zu trauen. Es sei „nicht attraktiv genug“ für Touristen oder „nicht groß genug“ für eine rein von Fußgängern belebte Innenstadt, heißt es bei den Skeptikern gegen-über einer weitgehenden Umgestaltung. Eine Minimallösung aber wäre der Sache sicher nicht dienlich, wie auch Stadtbaumeister Karl erklärt. Bloße Kosmetik reiche nicht aus, um auch entsprechende Zuwendungen seitens der Regierung von Oberbayern für die Hauptplatzsanierung zu erhalten. Dafür müsse ein Gesamtkonzept her. Genau das bestätigen die momentanen Probleme bei der Hauptplatzneugestaltung in Geisenfeld, wo Oberbayerns Regierung zu umfassenderen Maßnahmen drängt.

Zu den zentralen Vorschlägen des Arbeitskreises Innenstadt (siehe 12 Punkte-Liste am Ende des Artikels) gehört bisher vor allem die Kompensation der 14 Stellplätze durch die Einrichtung von Schrägparkplätzen und eventuell auch durch die Verkleinerung des Grünstreifens auf Höhe des Siglbräus. Dort betreibt Wirt Adi Descy seinen Biergarten. Ob dieser dann schrumpfen müsste, ist allerdings nicht gesagt. Stadtbaumeister Karl betont, dass die Zukunft des Biergartens völlig offen sei und dieser nach der Umgestaltung eventuell auch anderswo platziert werden könnte. Dass es Gerüchte über eine völlige Schließung des Bürgergartens gäbe, bestätigt Karl wie auch Betreiber Descy. Wieviel aber dran sei, können beide nicht sagen. Descy hatte nach dem Verlust der leider morschen Kastanien am Hauptplatz bereits geplant, ganz zu schließen. Da er in den letzten Wochen aber von vielen Seiten angesprochen wurde, das nicht zu tun, habe er nun doch wieder eröffnet, wenn auch etwas verspätet.

Hans Hipp wäre unter Umständen auch für weitere Schritte

Hans Hipp hebt außerdem die Bedeutung des Wochenmarktes für die Innenstadt hervor. „Er belebt sie unwahrscheinlich.“ Der Markt sollte aus Sicht von Pro Wirtschaft im Zuge der Neugestaltung unbedingt vergrößert werden. Hipp hebt die positiven Seiten hervor, betont, dass die Gewerbetreibenden keine Verhinderer seien, sondern im Gegenteil weiter ins Zentrum investieren wollen. Obwohl er selbst Betreiber eines Cafés am Hauptplatz ist, spricht er sich für weitere Cafés und noch größere Vielfalt aus bis hin zu zwei entscheidenden Sätzen: „Es wäre ja schön, wenn die Bürger nach einer ersten Umgestaltung im Bereich des Rathauses verstärkt in die Stadt kämen. Wenn sie dann wirklich anfangen, die Autos zu verdrängen, können wir dank des Immich-Planes ja variieren.“

Damit wären wir wieder bei den neu entdeckten Vorzügen des Planes, dessen großes Potential für weitere Schritte sicher für die so positive Stimmung im Stadtrat sorgte. Wenn Politik, Gewerbe und nicht zuletzt die Bürger alle gemeinsam mit dem Ziel einer attraktiveren Innenstadt zusammenarbeiten, können die Pläne noch weit über die bisher gestrichenen 14 Stellplätze hinaus gehen. Und das Weiterdenken über einen rein praktischen Plan hinaus, wäre auch aus Sicht des Träumers und Phantasten Oscar Wildes unabdingbar, denn in Wahrheit geht sein Bonmot noch weiter: „Und doch, gerade gegen die bestehenden Verhältnisse hat man sich zu kehren. Jeder Plan, der sich diesen Verhältnissen einordnet, ist schlecht und töricht. (…) Was man von der Natur des Menschen mit Sicherheit weiß, ist, daß sie sich ändert.“