Das Ökologische Zentrum Pfaffenhofen

von Julian Knapp

Es ist deutschlandweit einmalig, es ist ein Projekt zum Schutz des Klimas, ist noch vielfach erweiterbar und es nimmt immer deutlicher Gestalt an – das von Theo Hirschberger rund um seinen Kramerbräuhof geplante „Ökologische Zentrum Pfaffenhofen“ (ÖZP) sucht seinesgleichen, und doch wird es noch ständig weiterentwickelt und neue Ideen in das Grundkonzept aufgenommen. Vergangenen Dienstag eröffnete eine Meldung im Amtsblatt die Bürgerbeteiligung, um Bedenken oder Anfragen frühzeitig zu begegnen und dem Ziel der Transparenz gerecht zu werden. In den folgenden Absätzen soll das ÖZP, seine Gestaltung und alle mit ihm verbundenen Vorhaben umfassend und anschaulich aufbereitet werden, damit sich jeder ein detailliertes Bild machen kann.

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1. Die Geschichte

 

Wie so oft, entstand auch im Falle des ÖZP eine gute Idee aus einer Veränderung heraus. Theo Hirschberger und seine rechte Hand Markus Pscheidl erkannten eine große Chance, als ihn vor etwa acht Jahren eine Mitarbeiterin der Genehmigungsbehörden Pfaffenhoffens fragte, wie er denn auf die Idee käme, an dieser Stelle groß in seine Landwirtschaft zu investieren. Die Baupläne zeigten schließlich, dass das umliegende Land des Kramerbräuhofes einmal zur Wohnbebauung ausgeschrieben werden würde. Theo Hirschberger sah nicht ein, dass immer die Landwirtschaft weichen müsse. Schon Jahrzehnte zuvor war der eigene Betrieb aus der Innenstadt an den Ortsrand gewichen. Er wollte eine Lösung, die die Interessen aller Seiten verbinde, er wollte – im neudeutschen Börsensprech gesagt – eine „Win-win“-Situation schaffen.

Den Grundstein für die ökologische Ausrichtung der bald in Theo Hirschberger keimenden Idee hatte sein Bruder Ludwig gelegt. Der hatte den Hof bereits 1989 auf biologische Landwirtschaft umgestellt, wofür er damals noch von vielen belächelt worden war. Vor Jahren wurde außerdem auf dem Hof der so genannte Mischfrucht-Anbau praxisreif gemacht. Auf den Feldern des Hofes wurde neben den bisherigen Primärpflanzen (wie Erbsen, Weizen oder Gerste) eine zweite, eine „Energiepflanze“ angebaut. Diese sollte den Energiebedarf zur Bewirtschaftung der Flächen decken, und das ohne einen monetären Verlust im Bereich der Primärpflanze. Klingt kompliziert, und wer es verstanden hat, hält diese, wie ein Perpetuum Mobile erscheinende Landwirtschaft, für unmöglich. Als Informatiker verstan Hirschberger außerdem viel zu wenig von der Landwirtschaft, um das Unmögliche möglich zu machen. Nur mit dem findigen und kenntnisreichen Geschäftsführer des Kramerbräu-Naturlandhofes, Markus Pscheidl, und zusammen mit dem Landwirtschaftsmeister Peter Hammerl konnte die Idee schließlich verwirklicht werden. Das ursprüngliche Ziel wird heute sogar übertroffen, dem Leindottersamen sei dank. Diesem Korn hatten einige Ökotheoretiker ein so großes Energiepotential zugesprochen, dass der Bewirtschaftungskreislauf möglich schien. Nur ausprobiert hatte es noch niemand. Theo Hirschberger tat es, und seit vielen Jahren können umweltbewusste Autofahrer an seinem Kramerbräuhof nun Pflanzenöl tanken oder auch das medizinisch hochwertige Speiseöl des Leinsamen erwerben.

Hirschberger entwickelte seine Ideen genau zum richtigen Zeit der hochschnellenden Ölpreise 2001 und 2002. Zusätzlich begann er unter dem Dach der „Reg-Energie“ die Vermarktung und den Handel mit Holzpellets und bald entstand der Gedanke, seinem Kramerbräuhof zu erweitern. Dann stieß er über seinen Pellets-Handel auf eine entscheidende Figur für die Weiterentwicklung seiner Gedanken: Architekt Norbert Behr. Dieser
besitzt ein Baudienstleistungszentrum, das bereits seit Langem innovativ im Bereich ökologisches Bauen aktiv ist. Außerdem betreibt Behr den Holzhof Eggolsheim, wo er seit geraumer Zeit auch Planungen und Bau eines UNESCO-geförderten, ebenfalls einmaligen Umweltbildungszentrums leitet.

Beide Männer verstanden sich ausgesprochen gut. Norbert Behr war von der Wirtschaftsweise des Kramerbräuhofes und in den Herren Hirschberger, Pscheidl und Behr reifte nun die Idee des ÖZP heran. Bald stand die heutige Grundidee: eine einzigartige Verbindung von Landwirtschaft, Wohnen und Gewerbe auf durchweg ökologischer Basis. Die Idee besaß solche Kraft, dass sie bei ihrer ersten Vorstellung im Stadtrat im Oktober 2004 gleich zu dem fraktionsübergreifenden Beschluss führte, das Projekt politisch zu unterstützen. Eine „grandiose, denkwürdige“ Sitzung war das, sagen Behr und Hirschberger heute noch.

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2. Idee und Konzepte

 

Neben der Grundkonzeption, Landwirtschaft, Wohnen und Gewerbe auf dem etwa 16 Hektar großen Gelände des Kramerbräuhofes miteinander zu verbinden, standen noch einige Grundideen, auf denen alles weitere aufbaute. Von zentraler Bedeutung ist das geplante Kompetenzzentrum des ÖZP. Hier soll sämtliches Umwelt-Know-How vor allem im Bereich Bauen, aber auch für die Bereiche Energie, Landwirtschaft und Lebensmittel gebündelt werden. Handwerker und Bauherren sollen hier ausführliche Infos über Materialien, Baustoffe und Bautechniken erhalten, detaillierte Karten zum Gelände, das bereits nach magnetischen Feldern und unterirdischen Wasseradern untersucht wurde. Auch neu entstehende Ideen sollen hier vorangetrieben und entwickelt werden. Für die Bewohner der Ökosiedlung soll nochmal extra ein Wohnverein gegründet werden, der auch sämtliche soziale Aspekte des Zusammenlebens berücksichtigt, die Interessen der Bewohner einbringt, diese aber auch an die ökologische Ausrichtung des ÖZP bindet. Die Bauweise in der Ökosiedlung wird sowieso bereits sehr genau vorgeschrieben, wobei der renommierte und seit über drei Jahrzehnten im nachhaltigen Bauen tätige Architekt Joachim Eble gewonnen werden konnte. Der Wohnverein soll auch garantieren, dass sich die Bewohner selbst einbringen und den ökologischen Gedanken des Projekts fördern, indem sie etwa eine geplante Ökowaschanlage auch nutzen werden.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist das Ziel einer ausgeglichenen Energiebilanz. Wenn auch anfangs noch eine teilweise Versorgung der Siedlung über das allgemeine Stromnetz gedeckt werden muss, so ist doch mittelfristig geplant, den gesamten Bedarf an Energie (Strom und Heizung) auf dem Gelände selbst zu erzeugen. Wie das funktionieren soll, wird der nächste Abschnitt zeigen.

Schließlich entstand auch die faszinierende Idee, im gesamten ÖZP einen abflusslosen Kreislauf zu errichten. Auch von der städtischen Kanalisation will sich das ÖZP langfristig also völlig abkoppeln durch ein ausgeklügeltes System der Trennung und Filterung von Wasser. Regenwasser soll in Zisternen, die über das Gelände verteilt sind, aufgefangen und als Trinkwasser aufbereitet werden. Das so genannte Grauwasser (Dusche, Bad) wird ebenfalls aufbereitet und als Brauchwasser wieder verwendet. Hier hilft die Hanglage des Geländes. Es sollen viele kleine Terrassen angelegt werden, auf denen sich kleinere und größere Feucht- und Wasserstellen finden, über die das Wasser schrittweise in einen größeren Teich im „Tal“ des Geländes gesammelt wird. In einer Pflanzenkläranlage wird das Wasser dann ein letztes Mal natürlich gesäubert. Auch das Schwarzwasser (WC) wird gefiltert, wobei neues Grauwasser entsteht. Ein Rest an Fäkalien (max. 10 Prozent) muss anfangs noch in die Kanalisation geleitet werden. Dieser soll am Ende aber auch als Biomasse zur Energiegewinnung genutzt werden. Hier halten Hirschberger und Behr die Lösung noch offen, da es mehrere Möglichkeiten gibt. Unter anderem arbeiten sie dazu mit dem Fraunhofer Institut zusammen.

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3. Das Thema Energie

 

Die Selbstversorgung mit Energie baut auf zwei Komponenten auf. Zunächst wäre da die Bauweise sparsamer Niedrig- oder sogar Nullenergiehäuser in der Ökosiedlung. Neben fest vorgegebenen Werten für den CO2-Austoß im ÖZP ist auch der Energiestandard auf maximale KfW 40 festgelegt worden. Zum Vergleich: die 150 geplanten Wohnheiten (mit etwa 380 Einwohnern) werden einen um etwa 50 Prozent niedrigeren Wärmebedarf haben, als es heute Standard ist. Neueste Dämmtechnik, Solarenergie und ein das gesamte ÖZP versorgendes Nahwärmenetz (deren Energiequelle ein Blockheizkraftwerk sein wird) machen den niedrigen Verbrauch möglich. Am faszinierendsten verdeutlicht wohl die moderne und umweltbewusste Art des Wohnen das geplante Gewächshaus-Wohnen (siehe Grafik).

Zweites wichtiges Energie-Standbein wird das geplante Blockheizkraftwerk (BHKW). Dieses wird mit unterschiedlichen, alternativen Energieträgern versorgt werden. Welche das letztlich sein werden, halten sich Hirschberger und Behr allerdings noch offen, da sich die Technik hier zur Zeit rasend schnell fortentwickelt – der beste Energiemix soll am Ende gewählt werden, wobei das BHKW so konzipiert ist, das es für die Verwendung später hinzukommender Energieträger ebenfalls offen ist. Die Verwendung der entstehenden Biomasse auf dem Gelände und der Landwirtschaft aber steht fest. Auch das Pflanzenöl und Holzpellets sollen wahrscheinlich verwendet werden, genauso wie Erdwärme, zu deren Potential auf dem Gelände des ÖZP ebenfalls bereits Analysen (Bohrungen) durchgeführt wurden.

DesWeiteren werden beim Wohnungsbau durchgehend CO2-neutrale (nachwachsende und recyclebare) Baustoffe (Hanf, Flachs, Lehm, Holz, Stroh etc.) verwendet und auch ein Recycling-Kreislauf soll eingerichtet werden. Alle Abfälle des ÖZP werden gesammelt und die Wertstoffe aussortiert und verkauft. Von dem Geld werden sich sämtliche Müllgebühren bezahlen lassen.

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4. 1001 Bausteine des ÖZP

 

Ergänzt wird das Gesamtkonzept von einer schier unendlichen Reihe an Bausteinen, die entweder die ökologische oder die soziale Ausrichtung des Projekts unterstützen. So sollen im sozialen Bereich vielfältige neue und alternative Wohnformen, die Problemen der heutigen Gesellschaft entgegenwirken, eingerichtet werden. In einem Generationenhaus werden Alt und Jung zusammen wohnen und sich ergänzen. Während die Jungen den Senioren, wo nötig, unter die Arme greifen, können sich in solchen Wohngemeinschaften die Senioren beispielsweise um die Kinder oder die Gartenarbeit kümmern. Spezielle Wohnformen für junge Familien sollen entstehen, die durch ein Jugendhaus, ein Spielhaus, Wasserspielplätze und Gemeinschaftsgärten attraktiv gemacht werden. Ebenso soll es Seniorenwohnungen geben, wo die älteren Einwohner wiederum auf andere Komponenten wie ein geplantes Werkstatthaus oder für gelegentliche Fahrten auf die pflanzenölbetriebene Car-Sharing-Flotte zurückgreifen können. Wie gesagt, alle Bewohner sollen an diesen Einrichtungen und ihrer Konzeption auch über den Wohnverein mit einbezogen werden. Hirschberger hofft, dass die gegenseitige Inspiration im ÖZP noch zu vielen weiteren guten Ideen führen wird.

Das Umweltkonzept schließlich wird ebenfalls durch viele weitere Details ergänzt. Entlang der Straßen wird über so genannte Regolen am Straßenrand das abfließende Wasser zurück in den Boden geführt, nicht ohne dass in den kleinen Sammelbecken der vom Asphalt gelöste Gummiabrieb herausgefiltert wird. In den Küchen der Häuser soll außerdem eine Art Bioabfallrohr eingerichtet werden. Ein Teil des Abflussnetzes wird nämlich auf Unterdruck gehalten. So ist es möglich, die Gemüsereste beim Kochen über ein Rohr „schwups“ absaugen zu lassen und als Biomasse direkt zum BHKW zu führen. Ein Teil der Wohnsiedlung – sollte sich der Wohnverein dazu entscheiden – kann vielleicht auch völlig autofrei gehalten werden.

Wichtiger Bestandteil wird außerdem der geplante Öko-Gewerbepark sein. Was sich hier an Gewerbe ansiedeln wird, ist noch nicht spruchreif. Interessenten gebe es aber bereits zahlreich, so Hirschberger. Neben dem Umweltbildungszentrum und Büros für einen ökologischen Planerverbund stehen auch die Einrichtung einer Biomarkthalle, eines Ökobaumarktes und eines Gebäudes mit Seminar- und Tagungsräumen fest – vielleicht kommt sogar ein Biohotel ins ÖZP. Außerdem ist eine Pflanzenöltanktstelle und im Wohngebiet eine Öko-Autowaschanlage geplant.

5. Und wie geht’s weiter“

Wie sich der weitere Verlauf des Projekts gestaltet, wird unter anderem von den jetzt möglichen Eingaben der Bürger und der ebenfalls zur Zeit laufenden Fachbehördenbeteiligung abhängen. Diese prüfen nun, nachdem in der vorletzten Bauausschusssitzung der Bebauungsplan eingereicht wurde, alle Vorhaben. Beteiligt sind daran alle öffentlichen Träger vom Bau- bis zum Wasserwirtschaftsamt. Hirschberger und Behr wollen im Frühjahr 2008 mit der Bebauung beginnen. Erste Wohnungen dürften bereits im Laufe des Jahres 2008 bezogen werden. Ob dieser Zeitplan letztlich eingehalten werden kann, ist jetzt allerdings noch nicht zu sagen. Zu Wünschen ist den Machern, dass sie ihre Euphorie, ihre visionäre Kraft und ihren Elan beibehalten und sie ihr großes Ziel erreichen. Theo Hirschberger, der das gesamte Projekt finanziell alleine stemmt, hat nicht vor, das Bauland – wie es viele Landwirte machen, da sie keine andere Perspektive sehen – mit viel Gewinn zu verkaufen. Er will Größeres, nimmt sich die dafür notwendige Zeit und hofft eines Tages auch Nachahmer zu finden. „Das wäre mein Traum, wenn eines Tages ein Bauer irgendwo in Bayern sagt: „Na, wenn’s bei dem geklappt hat, wieso nicht auch bei mir“‘“

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