Heute hab ich’s ein kleines Bisschen eilig. Weihnachten steht vor der Tür. Ich stehe wie ein Ochs vorm Christkindlmarkt. Und ich habe noch keine Geschenke für meine Lieben, nicht mal einen blassen Schimmer davon, was ich ihnen schenken möchte, zum Fest der Freude. Aber es ist ja noch Zeit. Zeit auch, durch die Budenstraße zu schlendern und weihnachtlich inspiriert die Gedanken in das Glühweinfass plumpsen zu lassen.
Wissen Sie eigentlich, dass Weihnachtsmärkte nicht von Wichtelzauberern oder geschmeidigen Marketing-Experten erfunden worden sind, sondern bereits im 14. Jahrhundert den Bürgern Gelegenheit boten, sich – zu Beginn der kalten Jahreszeit – mit Fleisch und Wintersachen einzudecken? Auch spätmittelalterlichen Handwerkern wie Spielzeugmachern, Korbflechtern oder Zuckerbäckern wurde dann erlaubt, ihre Verkaufsstände auf dem Markt zu errichten, wo der edle Ritter und die stolze Rittersfrau, wenn zum Basteln zu ungeschickt oder mit Ritterlichkeit voll ausgelastet, kleine Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder kaufen konnten. Eine hübsche Vorstellung für Nostalgiker: Geschnitztes, Körbchen und Süßigkeiten unterm Weihnachtsbaum; Playstation und Markenklamotten gab’s ja damals noch nicht. Doch Stände mit gerösteten Kastanien, Nüssen und Mandeln standen auch im Mittelalter schon rum. Die Schweizer hatten nur das Rezept für Raclette noch nicht freigeschaltet. Hätte „Raclette auf Baguette“ einen Weihnachtsmarkt gerettet? Nie und nimmer: Das Baguette wurde nämlich erst ein paar hundert Jahre später erfunden. Heute allerdings schmeckt sie, die Kombination.
Jetzt der Glühwein. Um ein Pils herum ist mir eine Kneipe lieber; so ein Glühwein aber gehört zum Weihnachtsmarkt wie ein Flügel zum Engel, außerdem kann man sich an einer Tasse die Finger besser auf-wärmen. Wohlig müde macht die dritte Tasse, und irgendwie schleicht sich ein Bett klammheimlich in mein Gemüt. Oh mei, da schau her, Kutschfahrten werden auch angeboten, ein Traum: Mit der Kutsche ins Hotel, romantisches Hufgeklapper, ein bisschen Peitschenknall. Warum bloß fällt mir jetzt ein Stunden-Hotel ein?
Richtig. So ist es immer. Kaum kommt mir im Wald einer entgegen, denke ich gleich das Schlimmste: „Bestimmt ein Räuber!“ Und ich glaube es weiter, selbst wenn sich herausstellt, dass es nur der harmlose Dorfdepp ist, der sich verlaufen hat. Und kaum baut einer ein Hotel, so wie jetzt neben der großen Kreuzung an der Fraunhoferstraße, denken manche sofort an ein Hotel für ein-, nein: zweisame Stunden. Weil sie wohl aus Erfahrung wissen, dass Stunden-Hotels an Autobahnzubringern liegen. Es bleibt ein Kreuz mit der Logik: Nicht alles am Autobahnzubringer ist ein Stunden-Hotel. Auch wenn sie’s gerne so hätten. Jetzt noch einen glühenden Wein, dann fang ich an zu singen: „Ich wünsch mir ‘ne kleine Miezekatze für mein Stunden-Hotel“.
Wochenendhaus muss es korrekterweise heißen. Wissen Sie eigentlich noch, dass dieses Lied – vor exakt vierzig Jahren – der Weihnachtshit des Jahres 1972 war? Zum Vortrage gebracht hat es ein gewisser Wum, seines Zeichens ein nicht vom Schicksal, sondern vom großen Humoristen Loriot gezeichneter Hund, der sich in jenen Zeiten mit einem gewissen Herrn Thoelke im Fernsehempfangsgerät um einen großen Preis kümmerte. Für uns hat’s dieses Jahr mit dem großen Preis nicht so ganz geklappt, obwohl einige Persönlichkeiten aus unserer schönen Stadt extra in einem Düsseldorf-Hotel übernachtet haben, um vor Ort zu sein, wenn der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ans geliebte Wunsiedel verliehen wird. Und Bürgermeister Thomas Herker durfte Udo Wachtveitl die Hand schütteln, Sie wissen schon, Tatort!
Zurück nun zu den Schafen! Ach ja, im Schafstall vor dem Rathaus steht übrigens auch eine Ziege; seit wann Ziegen zu den Paraphernalien eines Weihnachtsmarktes gehören, weiß ich nicht, und außerdem hab ich’s jetzt doch ein kleines Bisschen fertig, äh, eilig. Ich habe noch keine Geschenke für meine Lieben, und auf dem Christkindlmarkt hab ich – vor lauter Glühwein – nichts gefunden. Aber es ist ja noch Zeit, stade Zeit. Wenn wir die nicht hätten!
von Lorenz Trapp