Streifzug der Sinnesfreuden – Von den großen und kleinen Genüssen am Pfaffenhofener Wochenmarkt

Von Julian Knapp

Dieser Wochenmarkt zieht Genießer der ganzen Region in seinen Bann: Selbst Tierchen. Einige vom milden Winter geweckte Bienen summen um die Ringelblumen, Nelken und Narzissen am Blumenstand. Lässig schlendert ein Vater mit seinem Bub auf den Schultern zwischen den Ständen einher. Der Kleine fuchtelt wild mit den Händen, will dem Papa etwas zeigen, und der versteht: „Ja, die Pfefferbeißer vom Gernot. Freilig kriagst wieder oan. Da schau her.“ Gernot Trathnigg reicht dem Bub einen Pfefferbeißer hinüber. Breit grinst er, dass sich die Mundwinkel fast über die Krempe seines Trioler Filzhuts hinausziehen.

streifzug

Der Wochenmarkt in Pfaffenhofen dürfte für die meisten schon gewohnter Teil des Stadtbilds und liebgewonnenes Angebot am Hauptplatz sein – doch er ist mehr. „Die Händler hier bemühen sich sehr um uns. Da bleibt keine Frage offen“, erklärt eine junge Hausfrau mit Tochter an der Hand. Die Besucher nennen die schöne Lage, die gute Luft beim Bummeln, die breite Auswahl und immer wieder die Frische der Produkte als Grund für ihren Einkauf. Doch auch das reicht nicht, um das Besondere eines gelungenen Marktes zu beschreiben.

Obst- und Gemüsekauf werden zum sinnlichen Erlebnis. Alles darf der Kunde selbst begutachten, die Orange kritisch mit Hand und Augen prüfen, an den ersten Erdbeeren des Jahres schnuppern. Noch verlässlicher ist der Geschmackssinn. Die Händler lassen gern probieren, ist sich der Kunde einmal nicht ganz sicher. Nichts verführt mehr als die direkte Kostprobe, wenn z. B. das herzhafte Aroma des Ziegenkäses langsam über die Zunge in die Geschmacksnerven dringt.

streifzug2

„Wir haben hier ein sehr angenehmes Publikum.“ Gernot Trathnigg mit seinem Biostand voller Tiroler Köstlichkeiten ist sich der fundamentalen Unterschiede zum Supermarktnutzer bewusst. Hierher kommt man mit Zeit, will sogar Zeit verlieren. „Die wollen unterhalten werden, und wir Tiroler sind lustige Leut‘, ich bin immer zum Spaßen aufgelegt.“ Über allem aber steht die Qualität. Das gilt nicht nur für Grammelschmalz und Graukas am Biostand. Für Willi Winters Hendlgrill ist die Würze der braun gebrannten Haut entscheidend. Damit sie tief einzieht, reibt er sie schon am Vorabend mit Würze ein. Bei Rollbraten und Schweinshaxn ist die Bratenzeit wichtig. Also heißt‘s noch vor den Hühnern aufstehen und vorbraten.

Von großer Müh‘ rund um das Marktgeschäft kann Elfriede Böswirth ein Liedchen singen. Seit 42 Jahren steht sie an ihrem Gemüsestand. Hart war der Anfang als junges Dirndl mit 21 Jahren, zunächst als Angestellte am Stand. „Nix geschenkt“, habe sie bekommen. Schon nach den ersten Wochen ließ sie der Chef mit dem Laster alleine nach München in die Großmarkthalle fahren. Vier Uhr aufstehen hieß das. Doch in den Markthallen der Hauptstadt, zwischen Hunderten von Händlern, Gerüchen und Geräuschen, war das Mädchen aus der Kleinstadt schnell hellwach. Ohne zu zögern übernahm sie später den Stand, als ihr Chef aufhörte.

streifzug3

Die Geschäfte in heutigen Zeiten bewertet sie etwas schlechter als der Kollege vom Biostand. Die Supermärkte seien schon eine große Konkurrenz, auch wenn mancher die Vorzüge der Marktwaren heute neu entdecke. Größere Umsätze machte Elfriede Böswirth, bevor es die großen Supermärkte gab. Doch Frau Böswirth sind die Stärken ihres Angebots bewusst. Sie setzt nicht voll auf Bio, sondern geht einen Mittelweg. Orangen hat sie beispielsweise garantiert ohne Konservierungsstoffe und nicht mit chemischen Substanzen gewachster Schale. Das macht den Kunden, der gerade am Stand steht, neugierig. Eigentlich mag er keine Spanien-Orangen, aber jetzt nimmt er sich eine mit – „zum Probieren“. Bekommt es, dann nimmt er bald mehr. Nächsten Dienstag ist ja wieder Markt.

Eltern mit Kindern, ein entspanntes Schritttempo der Passanten und lockere Dialoge zwischen Händlern und Kunden beweisen, der Markt hat
Flair. Wer kommt, geht nicht bloß Einkaufen. Wer wieder geht, hat noch über Stunden süßlichen Obstduft in der Nase, Knoblauch-Speck-Geschmack im Gaumen oder kräftiges Rot einer Fischrogenpaste vom Spezialitätenstand im Auge. Ein Erlebnis für die Sinne.

streifzug4