von Lorenz Trapp
Umzug! Umzug war angesagt in der vergangenen Woche, denn die Arbeiten am neuen Rathaus der Kreisstadt neigten sich dem Ende zu, und so machten sich die unerschrockenen Mitarbeiter der Stadtverwaltung auf, ihr transitorisches Domizil im Gebäude der Raiffeisenbank besenrein zu verlassen. Die alten Besen aus der Stadtverwaltung hatten ja das Ihrige getan, dass die neuen Besen, wie es frischem Arbeitsgerät geziemt, in renovierten Räumen ihres wichtigen Amtes walten dürfen.
Gerade hatten sich die Bediensteten so an ihr Ausweichquartier gewöhnt, dass uns der Unterschied zu einem richtigen Rathaus bei einem telefonischem Anruf gar nicht mehr aufgefallen ist. Wir dürfen gespannt sein, welch einheimelndes Hintergrundgeräusch uns in Zukunft erwartet. Es half aber alles nichts, die Kartons mussten gepackt werden, und am Dienstagmorgen ging es los.
Umzug! Neues Heim, neues Glück! So harmonisch sieht die Welt nur aus in den Augen derer, die vom pessimistischen Hauch der großen Philosophen noch nie berührt worden sind. „Dreimoi umzog’n“, sagt die bayerische Philosophie mit mathematischer Klarheit, „is’ wia oamoi abbrennt“, und beruft sich dabei auf den amerikanischen Politiker und Wissenschaftler Benjamin Franklin, der im 18. Jahrhundert maßgeblich an der Gründung der Vereinigten Staaten beteiligt war. Er sagte es natürlich auf Englisch: „Three removals are as bad as a fire“, wobei wir uns fragen, ob Benjamin Franklin bei den differenzierten Bedeutungen, die man dem Wort „removal“ unterlegen kann, überhaupt einen Umzug im klassischen Sinn gemeint hat. Wie ist man wohl im Wilden Westen umgezogen? Na gut, Benjamin Franklin war Diplomat und wird also wissen, wovon er spricht.
Und so schlimm wird’s dann ja doch nicht kommen. So ein kleiner Umzug über 169 Meter und einige Stockwerke kann eine solide Stadtverwaltung in Mitteleuropa nicht erschüttern. Obwohl, nimmt man es genau, hat sie bereits einen Umzug hinter sich gebracht, als sie das alte Rathaus Richtung Raiffeisenbank verlassen hat, und das ergibt am Ende dieser Woche dann doch deren zwei – zwei von diesen Unheil bringenden dreien. Bedenklich! Der Statistiker, den wir hier viel zu selten bemühen, stellt fest, dass nach aller Wahrscheinlichkeit 66,66% des totalen Brandschadens bereits eingetreten sind und wiegt mit trüber Miene den Kopf. Er ist ein Schwarzseher, der sich von den eigenen Zahlen blenden lässt. Die Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns lässt sich genauso in Zahlen ausdrücken, doch, seien wir ehrlich, haben wir je schon ein einziges Mal gewonnen?
Wir halten uns lieber an das, was wir sehen, und das sah gut aus, als wir den Stadtbediensteten, weil wir nichts Besseres zu tun hatten, beim Umzug zuschauten. Nach 20 Monaten Generalsanierung und Modernisierung ging es endlich los. Große Kartons wurden sorgfältig gepackt, auf Sackkarren zum Aufzug gebracht und in der Tiefgarage in die Busse des Lions Clubs und der Rotarier gestapelt. Manch Angestelltem war dieser Weg zu umständlich, und deshalb trug er seinen PC nebst Zubehör gleich eigenhändig über den vergitterten Hauptplatz in sein neues Büro. Durch den Hintereingang. Die Männer vom Bauhof waren unterstützend aufmarschiert, und so konnten die Damen aus dem Vorzimmer des Bürgermeisters schon bald mit dem Einräumen der Akten beginnen.
Natürlich durfte allen voran Bürgermeister Thomas Herker mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Ausweichquartier in die erste Etage des in hübschem Braun gehaltenen Rathauses einziehen, wo die umziehenden Stadtbediensteten von den noch tätigen Handwerkern freundlich begrüßt wurden. Trotz allem konnte in keinster Weise vom totalen Umzugschaos gesprochen werden, denn am Mittwoch bereits lief im ersten Stock, verwaltungstechnisch gesehen, alles „fast normal“. Kontrollanrufe verpufften allerdings wirkungslos. Vielleicht war der entsprechende Mitarbeiter gerade mit seinem PC unterwegs, möglicherweise befand er sich in dem Moment am alten Arbeitsplatz und das Telefon war schon umgezogen oder er war seinem Telefon an den neuen Schreibtisch vorausgeeilt.
Bürgerbüro im Erdgeschoss
Wie dem auch sei: Wo gehobelt wird, da fallen Späne, die man wieder zusammenkehren kann, und so bewältigten alle Sachgebiete ihren Umzug. Das Standesamt eroberte das Erdgeschoss am Mittwoch, und am Donnerstag kam das neue Bürgerbüro, ebenfalls im Erdgeschoss, an die Reihe. Im Bürgerbüro finden wir künftig das Einwohnermeldeamt, die Renten- und Sozialstelle sowie das Gewerbeamt, selbst die Hundesteuerformalitäten können dort erledigt werden. Es soll übrigens nicht nur so heißen, sondern auch tatsächlich bürgerfreundlich sein. Mit erweiterten Öffnungszeiten haben die Bürgerinnen und Bürger hier die Möglichkeit, alles, was man üblicherweise im Rathaus zu erledigen hat, in einem Büro zu erledigen, ohne dass man umständlich von einem Amt zum nächsten laufen muss.
Ein kleiner Schönheitsfehler allerdings – wir wollen nicht auf der braunen Farbe herumreiten – legt sich wie ein dunkler Schleier über das Rathaus: Solange die Pflasterarbeiten vor dem Rathaus nicht beendet sind, ist der Zugang nur von der Rückseite des Gebäudes her möglich. Damit werden wir leben können, wenigstens ein paar Wochen. Warum aber steht die Uhr am Rathausturm auf Zwölf? Sicher, Zwölf ist besser als fünf vor Zwölf, aber immer Zwölf? Die Uhr wird sicher wieder zum Laufen gebracht, davon sind wir überzeugt. Oder ist etwa ein Zeiger verloren gegangen? Wenn ja, wohin? Werden in Zukunft nur noch unsere Stunden gezählt?