Politik, Archive und Musik / Willihard Kolbinger erzählt aus seinem Leben

von Claudia Erdenreich

Er ist ein typisches Vorkriegskind, geboren 1936 in Hauzenberg im Bayrischen Wald. Die Eltern waren konservativ und religiös, sein Weg in die Sozialdemokratie war daher nicht gerade vorgezeichnet. „Meine Eltern waren sogar erschrocken“, bekennt Willihard Kolbinger offen. Sein Vater war in Gefangenschaft, ein Handwerker aus der Nachbarschaft wurde ein wenig Ersatzvater. Der Hammerschmied war nicht nur großer Wagner-Verehrer, sondern auch überzeugter Sozialdemokrat. Beides prägte Willihard Kolbinger mit.
Noch als Kind kam er nach Kelheim, später besuchte er die Regensburger Oberrealschule, studierte anschließend in München Wirtschaftspädagogik, wurde Diplom-Handelslehrer. Noch als Referendar heiratete er 1960, mit seiner Frau ist er noch heute glücklich.

typisch

Willihard Kolbinger vor seinem Haus in Pfaffenhofen

Bald darauf kamen die Zwillinge Johannes und Ernst zur Welt, es folgte die Tochter Martina, später noch Sohn Korbinian.
1962 wurde Kolbinger in Pfaffen-hofen angestellt, er ging auch wegen der günstigen Wohnsituation mit der Familie hierher und blieb bis heute. Zunächst unterrichtete er drei Jahre an der örtlichen Berufsschule, wechselte dann an die Berufsaufbauschule nach Schrobenhausen.

Dort unterrichtete er neben Wirtschaft auch Englisch sowie Geschichte und Sozialkunde. 1972 wurde er Außenstellenleiter in Schrobenhausen, zehn Jahre darauf Schulleiter, insgesamt blieb er 31 Jahre dort. 1996 wechselte er für die letzten fünf Berufsjahre erneut an die Berufsschule Pfaffenhofen, betreute dabei auch die BOS Scheyern als Schulleiter, was ihm viel Freude machte. Seite 2001 ist Willihard Kolbinger in Pension, aber Ruhestand nennt er das nicht, zu vielfältig sind seine Interessen, seine Hobbys und das ehrenamtliche Engagement.

Musik ist aus seinem Leben nicht wegzudenken, er spielt Cello und vor allem Klavier, ein Flügel dominiert das Wohnzimmer. Mit seiner Frau besucht er regelmäßig Konzerte in München, das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks hört er ebenso wie seit den 50er Jahren die Musica Viva Konzerte. Seine Liebe zur Musik führt er teils auf familiäres Erbe zurück, der Kirchenmusiker Franz Xaver Witt zählt zu seinen Vorfahren. Auch Künstler finden sich in den vorangegangenen Generationen.

Kreativ war er wie selbstverständlich ebenfalls schon immer, er schnitzt, hat gemalt, jetzt fertigt er gelegentlich Schmuck an. Das Handwerkliche liegt ihm, das Wohnhaus der Familie baute er selber mit Freunden. Genauso gehörte Sport zu seinem Leben dazu, der passionierte Radfahrer unternahm stets große Touren, quer durch Deutschland, aber auch durch Schottland und Slowenien radelte er schon. Segeln, tauchen und schwimmen bereicherten die Familienurlaube zusätzlich.
Schmunzelnd berichtet er noch von einer weiteren kleinen Leidenschaft: Er ist Mitglied bei den königlich privilegierten Feuerschützen in Schrobenhausen. Ehrenmitglied im Theaterverein ist er zudem und Mitglied im Heimat- und Kulturkreis.
Geschichte, besonders die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts gehört ebenfalls zu seinen Interessen, sein Haus ist voller Bücher, er liest nicht nur viel sondern schrieb Zeit seines Lebens.

typisch2

Volksfestausmarsch 1973

Bücher über die Berufsschule in Pfaffenhofen gehörten ebenso dazu wie eine akribisch recherchierte und aufbereitete Geschichte der Kreisstadt Pfaffenhofen von 1945 bis 1996. Die Themen gehen ihm dabei nicht aus, er schreibt für die „Hopfakirm“, einer Heimatschrift, die jährlich vom Landkreis herausgegeben wird. Derzeit bereitet er die Kriegstagebücher seines Vaters auf, in naher Zukunft will er die aktiven Musiker des Landkreises zusammenfassen. Willihard Kolbinger wirkt bei all den Aktivitäten fröhlich, strukturiert und ruhig, vor allem aber voller Elan. Mehrere Jahrzehnte war er neben dem Beruf politisch aktiv. Schon bald nach seinem Umzug nach Pfaffenhofen trat er in die SPD ein, in diesem Jahr feiert er 50-jährige Mitgliedschaft. Ihm gefällt vor allem die freie und liberale Komponente, die in der Sozialdemokratie zu finden ist.

Kolbinger war insgesamt 24 Jahre, bis 1990, im Pfaffenhofener Stadtrat, dort auch Kulturreferent und zweimal zweiter Bürgermeister. Auch das hat ihm immer viel Spaß gemacht, betont er. 24 Jahre Kreistag kamen dazu und Arbeit im Ortsverein.  „Ich hatte nicht nur Freunde“, bemerkt Willihard Kolbinger, ein Freund klarer Worte. Er mag keinen Opportunismus, dennoch war er immer umgänglich, suchte Kompromisse quer über die Parteien, verhandelte statt zu spalten. Seine Eloquenz war da durchaus hilfreich. Willihard Kolbinger ist bis heute überzeugter Anhänger von Willy Brand, bewundert dessen Lebenswerk. „Damals war der Aufbruch nötig“, betont er.

typisch3

550-Jahrfeier im Sommer 1988

Über seine politischen Erfolge spricht er nur in Nebensätzen, am meisten freut es ihn noch heute, dass er den Maibaum wieder nach Pfaffenhofen geholt hat. Schüler gestalteten die Figuren, ganz oben auf dem Maibaum thront eine von ihm selbst gestaltete Hopfendolde, die noch heute den Maibaum ziert. Die Hopfendolde wurde inzwischen öfter als Schmuck und Symbol in der Stadt verwendet, ziert Brunnen und Skulpturen. Aus der aktiven Politik zog er sich ganz zurück, dennoch beobachtet er das regionale wie bundesweite politische Geschehen aufmerksam und intensiv.

Für die heutige SPD hat er auch kritische Worte übrig, sie müsse sich um eine neue Position bemühen, die Wähler von links und grün wieder aktivieren. „Die SPD muss sich wieder öffnen für echte soziale Themen“, findet er. Die kommunalpolitische Lage sagt ihm zu, natürlich unterstützt er Thomas Herker, ihm gefällt, wie sich die Partei für bunte Mehrheiten öffnet, wie ein Wahlkampf heute witzig, modern und mit neuen Medien geführt wird. Nur seine Ehefrau hat unter all dem Engagement auch gelitten, gibt Kolbinger offen zu. Für viele Jahre war er abends kaum zuhause. Das war mit ein Grund, die aktive politische Arbeit zu beenden.

typisch4

Landratswahlkampf 1969 mit Bürgermeister Hierhammer vor der Raffinerie in Vohburg

Bis heute scheint Willihard Kolbinger die Energie nicht auszugehen, sein Ehrenamt als Kreisarchivpfleger fordert viele Stunden Einsatz. Seit 15 Jahren hat er das Amt inne und wird es wohl noch eine Weile behalten.  Der Kreisarchivpfleger hat eine ähnliche Stellung wie der Kreisheimatpfleger, beide sind offiziell vom Staat bestellt. Er berät alle Archive im Landkreis, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften geführt werden müssen. Alle drei Jahre besucht er die 18 einzelnen Gemeindearchive, daneben qualifiziert er sich auf Tagungen und Fortbildungen. Manchmal muss man mit Nachdruck beraten“, stellt Kolbinger klar, etwa wenn Feuchtigkeit das Archiv-gut bedroht oder die Ordnung nur nachlässig hergestellt wird.

Für das Pfaffenhofener Stadtarchiv hat er nur ein Wort übrig: „Fantastisch“. Auf die kommende Kommunalwahl ist Willihard Kolbinger natürlich gespannt, ansonsten fehlt es ihm für die Zukunft weder an Themen noch an Plänen, er wird sich weiter seinen vielfältigen Interessen und Hobbys widmen.