Pfaffenhofen versteckt seine Identität

Möchte die „kleine“ Kreisstadt Pfaffenhofen jetzt auch noch zur „okkultesten Stadt“ der Welt avancieren? Der Beschluss des Stadtrats, die sakralen Exponate des aufgelösten Museums im Mesnerhaus andernorts einzumotten, legt diesen Schluss nahe, zumal man sich bereits zuvor schon mit der Verbannung des bekanntesten Lokalliteraten Joseph Maria Lutz aus dem Flascherlturm und der Digitalisierung seines Werks in diesem Metier geübt hat.

Da verwundert es schon ein wenig, dass es offensichtlich leichter zu ertragen ist, wenn ein zeitgenössischer junger Stadtschreiber einem die Leviten liest, als dass ein Ehrenbürger seiner Heimatstadt den literarischen Spiegel mit vertrauten „Zwischenfällen“ in Form seiner Bücher vor Augen hält. Aber dass man mit den kulturhistorischen Werten einer Region so verfährt wie dies nun geschieht, das lässt schon ein wenig an eine ganz kleine Kulturrevolution denken, wie sie einst in großem Stil ein großer Führer eines großen klassischen Kulturlands mit schlimmen Folgen durchgeführt hat.

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Manching: Kelten-Römer-Museum

„Prächtige Pfaffenhofener religiöse Volkskunst“
Denn das „Ora et labora“, das „Beten“ und das „Arbeiten“, das in den zahlreichen Exponaten im Mesnerhaus und denen im Depot in Heißmanning zum Ausdruck kommt, gehören nun einmal, ob es jedem gefällt oder nicht, im Sinne der benediktinischen Lebensregel zu den prägenden geschichtlichen Wesenszügen dieser Hallertauer Region. Sie sind der signifikante Ausdruck ihrer Identität. Wer zudem den Wert der vorhandenen musealen Objekte herunterspielt, den mag man auf ihre Bewertung durch das Landesamt für Denkmalpflege hinweisen, das sie am 02.12.1974 als „prächtige Pfaffenhofener religiöse Volkskunst“ einstufte und deshalb die Sanierung des heute nicht mehr nutzbaren Gebäudes begleitete und förderte.

Und wer darüber hinaus auch noch auf die Nähe bedeutender Museen religiöser Kunst in Eichstätt und Freising verweist, die ein derartiges Unternehmen hier am Ort überflüssig erscheinen lassen, dem hätte bei deren Besuch dort auffallen müssen, dass zwar untergeordnete Abteilungen zur Volksfrömmigkeit vorhanden sind, aber fast durchwegs der Zusammenhang mit dem Alltag und der Lebenswelt des Volkes fehlt oder nur aus der Perspektive der Obrigkeit bzw. bedeutender, vielfach mittelalterlicher Künstler betrachtet wird, nicht aus der Perspektive des arbeitenden gläubigen Menschen. In beiden Fällen wird vor allem die komplexe Geschichte und die Geographie zweier im 8. Jahrhundert gegründeter Diözesen thematisiert, in denen die große religiöse und politische Bedeutung und Präsentation geistlicher Herrschaft (siehe auch Schatzkammer!) und die Baugeschichte der Dome an Hand von Skulpturen und Gemälden veranschaulicht wird und auf welche Art und Weise Kunstwerke bedeutender Meister früher als Anschauungsmaterial dazu gedient haben, dem Klerus Unterricht in Geschichte und Ästhetik zu erteilen.

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Wolnzach: Deutsches Hopfenmuseum

Schließlich handelte es sich bei Eichstätt wie dem Hochstift Freising einst um den Sitz von Fürstbischöfen, die über Jahrhunderte bis zur Säkularisation auch Landesherren waren, und nicht um eine landstädtische Siedlung wie Pfaffenhofen, das gleichermaßen eine alte Kultur der Frömmigkeit und des Glaubens besitzt, aber eine bäuerlich-handwerkliche, die sich von jener der klerikalen Oberschicht wesentlich unterscheidet. Daran sollte man zu allererst denken, wenn man die Nähe jener Museen in Pfaffenhofen als Argument ins Spiel bringt.

Dass die wahnwitzige Idee von temporärer Zurschaustellung der im Mesnerhaus befindlichen Exponate unter einem engen Gesichtspunkt, wie z. B. „Wallfahrten in der Region“, in einer Fabrikhalle keinen Ersatz für ein Museum bietet, aber zu einer dilettantischen Dauerlösung werden könnte, liegt auf der Hand, zumal diese Maßnahme ja nur bei Bedarf der Ergänzung einer anderen zentralen Präsentation dienen soll.

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Schrobenhausen: Europäisches Spargelmuseum

Zudem verfälscht man den Museumscharakter einer in sich stimmigen Sammlung, wenn nur eine von vielen verschiedenen Perspektiven herausgerissen und vor Augen geführt wird. Man muss sich über einen solchen Vorschlag wundern, nachdem der Kulturreferent Pfaffenhofens noch wenige Tage vor der entscheidenden Sitzung des Stadtrats in einer Denkschrift „die Schaffung einer Stelle für Museumspädagogik oder besser Kulturpädagogik, die nicht nur das neue Museum, sondern das bereits existierende gesamte Angebot speziell an Kinder, Jugendliche und andere Gruppen vermittelt“, gefordert hatte. Er hätte dabei freilich seine Stadtratskollegen nicht gleich in solchem Maße überfordern müssen und sich bei der Vision, dass in Pfaffenhofen vielleicht wirklich einmal ein Museum errichtet wird, damit bescheiden können, dass eine pädagogisch-didaktische Ausrichtung bei seiner Gestaltung und festgesetzte, nicht allzu sehr begrenzte Besuchszeiten zu seinem Wesen gehören und unabdingbare Voraussetzung für seinen Erfolg sind. Daran fehlte es nämlich ganz wesentlich beim Museum im Mesnerhaus, das eigentlich nur auf Anfrage geöffnet wurde, obwohl in der Vergangenheit wiederholt eine verbesserte Organisationsform gefordert und erfolglos diskutiert wurde, bis man Ende 2007 dann dieses Thema gänzlich zu den Akten legte.

Das Depot in Heißmanning, das in die Diskussion zwangsläufig einbezogen werden muss, konnte gar nur einmal im Jahr, zumeist am Kirchweihsonntag, besichtigt werden. Eine ganz kleine Schar interessierter Besucher genügte, um ein politisches Alibi dafür zu haben, dass man den musealen Gedanken ja auch in der Kreisstadt Pfaffenhofen pflege. Damit hatte man die wirtschaftlich günstigste, aber kulturfremdeste Lösung dieses Problems gefunden. Bei einer doppelten Trägerschaft ein nicht gerade rühmliches Unterfangen!

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Pfaffenhofen: Im Mesner-Haus gehen die kulturellen Lichter aus

Ferner Titel: „Kulturträchtigste Kleinstadt der Welt“?
Und eben dieser Strategie bediente sich kürzlich der Stadtrat weitgehend auch bei der Ablehnung des von Dagmar Stonus M.A. zusammen mit Dr. Norbert Bergmann entwickelten und vorgestellten Konzepts mit dem Thema „Pfaffenhofen – Stadt, Land, Glaube“. Nun ist die Kultur- und Archivpflege in der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO), Zweiter Teil, 3. Abschn. Art. 57(1) nur eine Sollaufgabe in den Grenzen der Leistungsfähigkeit. Wenn aber eine Kreisstadt wirklich ein lebendiges („lebenswertestes“) Mittelzentrum einer Region sein will (Sie ist dazu auf Grund ihrer Funktion durchaus verpflichtet!), dann darf dieses Geldargument gerade im gegenwärtig sehr solventen Pfaffenhofen bei kulturellen Aktivitäten nicht an erster Stelle stehen.

Wer da nur die Investitionen in vergleichbaren Bereichen (s. GO!) ins Auge fasst, wird dem ohne Bedenken zustimmen. Ganz nebenbei: Da will man seit Jahrzehnten den Tourismus ankurbeln, löst den Camping-Platz auf und spart an festen kulturellen Einrichtungen, die die ureigenste Identität betreffen! Das vorgestellte und abgelehnte Konzept ist in sich schlüssig und dem Anspruch eines Mittelzentrums angepasst. Dass es bei der Integration der großformatigen Objekte zumeist handwerklicher Kunst, die in Heißmanning lagert und zum Selbstverständnis jenes „Ora et labora!“ gehört, große Probleme bereitet, weil hierfür zu wenig bzw. auch kein geeigneter Raum vorhanden ist, erweist sich als das einzige Manko. Man kann nur hoffen, dass es nicht dazu führt, dass der Museumsgedanke wieder für ebenso viele Jahrzehnte gestorben ist wie das der Fall war, als er in Verbindung mit dem Bau einer Stadthalle und dem Verkauf von Bausteinen, die mancher noch in der Schublade deponiert hat, ernsthaft diskutiert worden war.

Wenn Manching ein „Kelten- und Römer Museum“, Wolnzach ein „Deutsches Hopfenmuseum“ und Schrobenhausen gar ein „Europäisches Spargelmuseum“ unterhalten können, dann müsste es in Pfaffenhofen doch wenigstens für ein „Hallertauer Volksfrömmigkeitsmuseum“ reichen. Diese „Kragenweite“ sollte die Kreisstadt finanziell verkraften können, wenn sie in ferner Zukunft vielleicht auch einmal den Titel der „kulturträchtigsten Kleinstadt der Welt“ anstrebt. Zurzeit freilich ist man über die kulturelle Entwicklungsstufe, ein potentielles Museum ins Museum zu stellen, noch lange nicht hinausgekommen.