von Lorenz Trapp
Das Haus eines Künstlers muss nicht, auf den ersten Blick, aussehen wie das Haus eines Künstlers. Dem zweiten Blick aber wird das Haus eines Künstlers sofort offenbar, und spätestens wenn Dr. Ulrich Holzner den Besucher auf den Balkon begleitet, kann man sich dem Eindruck, den die durch alle Etagen dezent gesetzten graphischen Punkte seiner Kunst entstehen lassen, nicht mehr entziehen. Eine Skulptur grüßt mit ernstem Blick zurück.
Seine Kunst ist gewachsen. Die kraftvollen, standfesten Skulpturen tragen Namen, die sie gleichsam wieder in Bewegung setzen. „Die Fliehende“, „der Betroffene“, „die drei Könige“, „der Schreiende“, sogar „die Kniende“ lassen die Bewegungen, die ihrem Zustand vorangehen und nachfolgen, auf den dritten Blick lebendig werden. Sie sind nicht nur gewachsen aus der Bewegung, sie sind die Bewegung, in faszinierender Bronze zu Fixpunkten des Schicksals gegossen.
Symbiose im Garten: Die Maske beschützt den Künstler, der Künstler hütet die Maske
Wie kommt ein Biologe zur Kunst? Ulrich Holzner, der Künstler, ist Wissenschaftler. Wieder ein Blick, und der zweite sieht sie beide, den Künstler und den Wissenschaftler. Der Künstler lächelt, und der Biologe blickt zurück. Geboren wurde er in Wiesentheid, in Franken. Sein Vater war Verleger, seine Mutter arbeitete als Gymnastiklehrerin. Nach der Schulzeit schrieb er sich 1968 an der Universität in Würzburg, später auch in Erlangen ein und studierte Biologie mit Schwerpunkt Biochemie. Das Studium habe er „straff und zügig“ durchgezogen, erinnert er sich.
Nach dem Diplom begann er mit der Promotion: „Mein Professor war ein faszinierender Mensch, der uns aber auch schonungslos zur Arbeit antrieb“, erinnert er sich, „aber so muss ein Doktorvater wohl auch sein!“ Möglicherweise, vermutet er verschmitzt, habe der Professor „den mühsamen Doktorarbeitsprozess“ vorausgeahnt. Sein Spezialgebiet waren die „Energiekraftwerke“ im menschlichen Organismus, die Mitochondrien, und der Titel seiner Doktorarbeit lautete: „Isolierung von temperatursensitiven Petite-Mutanten der Hefe saccharomyces cerevisiae sowie Beiträge zu ihrer biochemischen Charakterisierung“.
Wo bleibt die Kunst? Nach dem Studium musste für den frischgebackenen Doktor eine Entscheidung fallen, und Lehr- oder Forschungstätigkeit an der Uni, stellte Ulrich Holzner für sich fest, sei wohl nichts für ihn. „Also hab ich mich in der Industrie umgesehen“, und so entdeckte er eine Anzeige der Firma Hipp, die einen Naturwissenschaftler für den Bereich Qualitätssicherung suchte. Vor 30 Jahren trat Dr. Ulrich Holzner diese Stelle an, und nun tritt er in den Ruhestand. „Ich muss diese Zeit würdigen“, stellt er fest, „es war eine tolle Zeit“. Er habe das Glück gehabt, genau diese Zeit bei seiner Firma mit zu gestalten, in der das Wort „Bio“ im weitesten Sinne immer schon großgeschrieben wurde und nun noch größer geschrieben wird. Aber, so müsse er gestehen, die engagierte Arbeit als Fachleiter der Abteilung Lebensmittelwissenschaft habe ihren Tribut gefordert und erhalten. Die letzten Jahre seien sehr anstrengend gewesen und hätten ihre Spuren hinterlassen.
Spuren auch zur Kunst? Sicher habe sein Lebenslauf auch Einfluss genommen auf seine Kunst, doch mehr habe ihn wohl sein älterer Bruder Sebastian, der als Künstler lebt und arbeitet, zur Kunst inspiriert, obwohl sich dessen Werk von seinem unterscheide. Schon in den 80er Jahren hat Ulrich Holzner begonnen, seine eigene schöpferische Kraft walten zu lassen. Berater und inspirativer Mentor ist seit dieser Zeit der Pfaffenhofener Galerist Franz Xaver Hitzler, der ihn auch heute noch auf seinem künstlerischen Weg begleitet.
„Meine Skulpturen entstehen im Kopf und in der Seele“, erklärt er, dann folge der Weg über die graphische Erfassung und am Ende, am Höhepunkt, stehe die Skulptur – gegossen in Bronze. Ulrich Holzner ist fasziniert vom Übergang, vom handwerklichen Können, das aus seinem gipsernen Positiv eine gegossene Bronze-Plastik entstehen lässt. Seit Jahren arbeitet er mit einem Gießer in Geisenhausen bei Landshut zusammen, und immer wenn es die Enge seines Terminkalenders erlaubte, hat er diesem Prozess persönlich beigewohnt.
Er zeigt eine Graphik, die ihm „immer noch im Kopf steckt“, obwohl er sie bereits vor mehr als zehn Jahren kreiert hat, und dieses „im Kopf stecken“ bedeutet, dass sie noch nicht abgeschlossen ist, vielleicht doch noch plastische Form werden möchte – in seinen Händen.