Der Messie kann sich von nichts trennen. er hält alles für wichtig, weil ja auf der Welt alles mit allem verwoben ist, das ganz Kleine mit dem ganz Großen, und weil das Kleinste auch eine ganz große Bedeutung haben oder ein Link zu was ganz Großem und Heiligem sein kann.
Ich kenne ein Paar, das pflegte in einer ecke des Wohnzimmers fettige Schachteln vom Pizza-Lieferservice aufzubewahren. Denn an diesen Schachteln hafteten erinnerungen an ein großartiges Beisammensein vor einem Monat, als man mit Freunden die Pizzen aß, wobei – ich sei ja, sorry, nicht dabei gewesen – unglaublich tiefe Dinge besprochen worden seien und einer der Freunde auf den Pizzaschachteln zwei Bonmots und eine telefonnummer mit Bleistift notiert und dazu auch ein Männchen mit lustiger Frisur gezeichnet hatte.
Als ich mich verabschiedete, sagten sie, es sei wahnsinnig nett von mir, dass ich ihnen die Schachteln zur Mülltonne hinuntertragen wollte – aber sie dächten, dass sie die Zeichnung des Freundes vielleicht einmal einrahmen, in ein Buch kleben oder sonst etwas Cooles damit anstellen würden, und diese Option würden sie sich gerne offenhalten. Das würden sie entscheiden, wenn es an der Zeit sei. Jetzt aber sei die erinnerung an das legendäre treffen noch so frisch, und deshalb solle ich die Kartons doch bitte einfach da liegen lassen, wo sie seien. Sie waren richtige Messies.
Auch hatten sie in ihrer Küche ein paar Hundert Joghurtbecher ineinandergesteckt, die sich in mehreren Schlangen zur Decke wanden. es war die Anfangszeit der Mülltrennung. Müll zu trennen war damals ein politisches Bekenntnis. Mit den Joghurtbechern drückten meine Freunde aus, dass sie fortschrittlich gesinnt waren und sich um die Zukunft des Planeten sorgten – im Gegensatz zu einigen ewiggestrigen, die die Mülltrennung als unverschämte Zumutung und als obrigkeitsstaatlichen Willküreingriff in ihr Leben ablehnten und verfluchten.
von Roland Scheerer