von Lorenz Trapp
Wir sind die Besten! Kaum haben wir uns torkelnd vor Überschwang aus dem Faschingskostüm geschält und mit verquollenen Augen in die Aschermittwochsonne geblinzelt, fällt uns nichts besseres ein, als mit letzter Kraft zum Kleiderschrank zu kriechen, das verschmierte Aschekreuz aus der christlichen Kindheit noch auf der Stirn. Raus mit der Lederhose, den Trachtenjanker übergeworfen, und los geht’s, auf Nockher-Berge, in Katakomben, Turnhallen und Stadl!
Wir hier in unserer beschaulichen Stadt beschränken uns auf Stadl und Gewölbe. Anderswo weicht der Mensch sogar auf Volksfesthallen aus, ein Vorgehen zwar, das wir als der Tradition bewusste und jener auch verpflichtete Bürger nicht mit ganzem Herzen gut heißen können, doch in unserer Holledauer Großzügigkeit mit einem Lächeln tolerieren. Es ist ja auch zum Lachen. Das Starkbier ruft – wir folgen. Wir sind am Verhungern. Diese Fastenzeit, oh mei, oh mei! Vierzig lange Tage, auch Passionszeit genannt, möge der Christ auf Fleisch und Wein verzichten, selbst eingeschränkter Fernsehkonsum wird gerne als Zeichen gesetzt für bereitwillige Buße und spirituelle Erneuerung in einer Zeit vermehrter Ruhe und Besinnung. Von wegen.
„Flüssiges bricht Fasten nicht“ lautet ein alter kirchlicher Grundsatz, und schon starten wir los, hinein in die Starkbierzeit, so passioniert (war da nicht was mit Passionszeit? Na also!), als ginge es ums blanke Überleben in der Stierkampfarena. Irgendwie ja tatsächlich, denn was ein richtiges Starkbierfest sein will, engagiert sich aus den unendlichen Reihen der kabarettistischen und musikalischen Dienstleister ein paar Damen und Herren, die – wie picadores und banderilleros – uns mehr oder weniger Prominente weniger oder mehr sticheln dürfen, und wenn schon nicht uns, dann wenigstens unsere Stiere. Der letztjährige bundesweite toro Guttenberg hat ausgedient, anbieten mag sich jetzt ein Gespann aus Alt und Neu, hinter und vor der Bundespräsidentenkutsche, und den Vornamen eines dieser Pferde verwenden wir demnächst beim Patentamt in der Landeshauptstadt, wenn wir unseren „Christianisator“ als Bezeichnung für unsere neueste Starkbierkreation anmelden – obwohl wir, wie immer bei blumig und nachhaltig gebrauchten Namen, nicht allzu viel Hoffnung darin setzen, dass wir die Christianisierung des Abendlandes damit auch nur ein Stück weit voranbringen. Wer sich klaren Verstandes im letzten Jahr angesehen hat, was eine unkontrollierte Zufuhr von Flüssignahrungsmitteln in den Müllerbräu-Katakomben anrichten kann, muss zugeben, dass auch der „Demokrator“ in jener Beziehung keinen Pfifferling wert ist.
Aber gut. Was schmeckt, schmeckt; der Zither-Manä wird heuer dazu aufspielen, und im Stocker-Stadl laufen die Stachelbären ein – in unterschiedlichsten Kostümen. Es wird wieder ein Fest des Volkes werden, wenn sich die Damen und Herren dortselbst auf der Bühne die satirischen Bällchen zuwerfen. Als des Volke(r)s Stimme schreibt übrigens und neuestens einer der Bären in einem Lokalblatt eine Kolumne, für diejenigen wohl, die keinen Durst haben oder den Weg zu den Holzsäulen des Stadls nicht finden. Oder sich Zeit nehmen, bescheiden zu überlegen, ob die Volksfestzeit als des Schlafes Luder genügt, dass wir weiterhin diesen Ködern auf den Leim gehen, die uns schwindelnd durchs Jahr schwingen von Höhepunkt zu Höhepunkt – bis er uns dann endgültig hat, der große Schlaf. Uns, die Besten.