von Lorenz Trapp
Habe ich bereits erwähnt, dass mit der Entwicklung des elektrischen, des automatischen Fensterhebers in Kraftfahrzeugen der bevorstehende Untergang des Abendlandes endgültig eingeleitet worden ist? Es ist so!
Man spare Bewegungsenergie und Zeit, hieß es damals, das lästige Kurbeln falle weg, dass sich jemand das Handgelenk auskugelt, weil der Sitz zu weit vorne platziert ist, wurde praktisch ausgeschlossen, und man habe die Hände frei für wichtigere Dinge – verzweifelt aus dem Fenster winken zum Beispiel, wenn das Steuergerät versagt, die Scheiben sich auf halber Höhe festfressen, eisiger Dunst ins Fahrzeuginnere dringt und bei Minusgraden innen an der Windschutzscheibe gefriert. Da hilft auch keine Klimaanlage mehr – noch so eine Erfindung, die der Erderwärmung nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hat. Sollte der bemitleidenswerte Fahrer es mit steif gefrorenen Ohren bei mäßiger Geschwindigkeit – Zeit hatte er ja genug gespart – tatsächlich noch in die Werkstatt schaffen, droht der nächste Schock: „Unter Umständen“, lächelt ein Blaumann, „unter Umständen müssen wir das Steuergerät austauschen“. Wir. Ich will gar nicht wissen, was ein Steuergerät kostet. Mich. Außerdem ist Sommer.
Das Steuergerät im Zigarettenautomaten meines Vertrauens jedenfalls funktioniert hervorragend. Entgegen der landläufigen Meinung regelt diese Einheit das Einlesen meiner Kontokarte und den korrekten Auswurf der gewählten Marke. Wer glaubt, dieses Gerät lege den Steuersatz fest, hat meine Theorie vom Untergang des Abendlandes noch nicht begriffen. Der Steuersatz ist in Ordnung. Er liegt bei rund 73 % des Verkaufspreises und setzt sich – beispielsweise bei einer Schachtel Zigaretten für 5 Euro – zusammen aus 2,85 Euro Tabaksteuer und 0,80 Euro Mehrwertsteuer. Der Rest – 1,35 Euro – ist Zigarette.
Der Untergang des Abendlandes liegt im Automaten an sich begründet. Wer jetzt im Morgenland anfängt, hämisch, voller Vor- und Schadenfreude die Hände reibend, zu überlegen, an welchem Mittelmeerstrand er – bei postapokalyptischen Grundstückspreisen – seinen prächtigen Sommerpalast errichten werde, der halte gleich wieder inne: Die Theorie des Untergangs gilt von null Uhr null bis Mitternacht und überall. Es gibt ja auch überall Automaten.
Automaten sparen Zeit und Bewegungsenergie – und damit natürlich ebenso Geld. Ich könnte als Raucher im Kaffeehaus festfrieren, müsste nur ab und zu vor die Tür, um eine durchzuziehen – und käme dabei wie automatisch am Automaten vorbei, der meinen Nachschub bereit hält. Der Weg zum Tabakladen – und zurück – dauerte mindestens sieben Minuten, die Beine und Arme müssten bewegt werden (was, Expertenrufen aus Krankenkassen zufolge, nicht ungesund wäre und speziell Rauchern zu empfehlen), und im Laden wäre zumindest ein Minimum an sprachlicher Kommunikation nötig, falls der Raucher nicht in der Lage ist, präzise zu deuten und die Anzahl der gewünschten Schachteln mit Fingern zu vermitteln – ein Haufen Zeit und Bewegungsenergie.
Die Geschichte mit dem Geld funktioniert folgendermaßen: Während der Mensch im Tabakladen für eine Schachtel meiner favorisierten Zigaretten 4,90 Euro verlangt, nimmt der Automat meines Vertrauens die runde Summe von 5 Euro – mit einem weiteren Unterschied: Die Ladenschachtel enthält 19 Stäbchen, die Automatenschachtel wartet mit 20 Stück auf. Jetzt können Sie rechnen: Dass die automatische Zigarette exakt 0,25 Euro kostet, schaffen wir noch im Kopf. Die Überraschung aber liefert der Taschenrechner: Die erlaufene Zigarette kostet 0,25789 Euro, ist also wesentlich teurer; daraus folgt: Der Automat hilft uns sogar Geld sparen – was zu beweisen war.
Geld, Zeit, Energie: Ich freue mich auf dem Tag, an dem das Steuergerät in meinem Automaten mal nicht so funktioniert, wie es soll, und stattdessen berechnet, mit wie vielen Zigaretten aus dem Automaten ich 0,00789 Euro sparen muss, damit der Mensch im Tabakladen, wenn er denn schon eingespart werden soll, auch was wert ist – und wie lange das erwartungsgemäß dauern wird.
Die Antwort ist einfach: bis zum Untergang des Abendlandes. Grob geschätzt.