„Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan …“

Eine vorweihnachtliche Stimmung kann in diesem Jahr beim FSV Pfaffenhofen wohl nicht mehr aufkommen. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die langjährige Vereinswirtin und Pächterin der Sportgaststätte, Sieglinde Schleibinger, ihre Kündigung durch die Vorstandschaft in adventlicher Zeit. Auch für die Öffentlichkeit war die Kunde davon weit mehr als nur eine Überraschung. Sie erregte über die Kreisstadt hinaus ein nicht geringes Aufsehen, mitunter sogar Empörung über die Methoden der FSV-Führung. Selbst bei der Adventsfeier der Schiedsrichtergruppe Pfaffenhofen und bei anderen Organisationen, die regelmäßig in der Sportgasstätte tagen, wurde sie thematisiert und scharfer Kritik ausgesetzt.

Auch in sozialen Netzwerken, wie Facebook, herrscht ein heftiger Aufruhr ob solcher Maßnahme. Allzu harten Bedingungen, die man der langjährigen Wirtin als Postulat rigoros auferlegte, hätte sie innerhalb einer Woche akzeptieren müssen: einen Vertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren, doppelte Pacht (sie sollte von fünfeinhalbtausend Euro im Jahr ab 01. 04. 2017 auf elftausend Euro angehoben werden), eine horrende Summe für die Neugestaltung des Biergartens und tägliche Öffnung des Lokals. Letzteres hätte sie während der zeitlich überschaubaren Monate, in der 2017 die „Kleine Landesgartenschau“ über die Bühne geht, auf sich genommen. Darüber hinaus wurde ihr als engagierter Fan und stets hilfsbereites Mitglied des Traditionsvereins nicht das geringste Entgegenkommen gezeigt.


Die Wirtin und ihr Ehemann „Wast“

36 Jahre war sie nicht nur für ihren FSV, sondern auch für zahlreiche andere Vereinigungen, bei Familienfesten und sonstigen feierlichen Anlässen eine außerordentlich geschätzte Gastgeberin, ihre Familie gar mehr als vier Jahrzehnte. Die Auflagen waren für sie, auch in Anbetracht ihres Alters (Gleiches gilt für den „Wast“, ihren Ehemann, hinter der Schanktheke.) einfach nicht erfüllbar, auch wenn sie gerne noch eine zumutbare Zeitspanne die Wirtschaft geführt und ihren Gästen ihre allenthalben bekannte vorzügliche bayerische Küche geboten hätte. Das Zitat aus Friedrich Schillers Tragödie „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ (3. Akt, 4. Aufzug) „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen.“ trifft ebenso zu wie seine Abwandlung zur hämischen Redensart „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“

Dass ein Vertragsverhältnis auch in einer Gemeinschaft wie einem Sportverein beendet wird, ist gerade bei den heute nicht mehr übermäßig gefragten Sportgaststätten, die nur tageweise für Stunden öffnen, durchaus ein alltäglicher Vorgang. Weil sich das Vereinsleben zudem stark geändert hat, fehlt es oft an Rentabilität. Der Wirt muss da schon seine Tätigkeit zu einem guten Teil als Hobby betrachten, dem er gerne nachgeht. Die großen Reichtümer sind allein über die Mitglieder vorweg kleiner Sportvereine, wie dem FSV, auch in Anbetracht der hohen Nebenkosten, überhaupt nicht mehr zu erwarten. Aber darum geht es im Fall von Sieglinde Schleibinger nicht in erster Linie. Sie war als Wirtin für ihren FSV stets ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und auch darüber hinaus. Und damit erhält diese Kündigung einen sehr bitteren Nachgeschmack. Es geht hier um die Art und Weise, wie die Vorstandschaft mit einem vertrauten Menschen umspringt, gewissermaßen mit einer Sportkameradin, die sich in den Dienst einer Gemeinschaft mit gleichen Interessen, Anliegen und Zielen gestellt und mit Freude eine wichtige Aufgabe erfüllt hat. Es geht hier um sportliche Fairness, Anstand und Moral.


Watt-Runde im FSV-Heim

Rapid zurückgegangene
Zuschauerzahlen
Gewiss haben es heute ehrenamtliche Führungskräfte in Vereinen des einst sogenannten Amateurbereichs nicht leicht. In zu hohem Maße bestimmen in einer Anspruchsgesellschafft Angebot und Geld ihre Attraktivität. Beim FSV konnte in den achtziger Jahren neben dem Freizeitsport lediglich eine Herzsportgruppe ins Leben gerufen werden. „Wir sind Fußballer! Wir brauchen keine zusätzlichen Abteilungen“, hieß die Parole. Dass sich seither die Anziehungskraft traditioneller Sportarten auf Grund des Profisports stark verlagert hat und Trendsportarten eine immer wichtigere Rolle spielen, hat man nicht wahrnehmen wollen. Und der Fußball allein? Er hat in den unteren Klassen stark an öffentlichem Interesse eingebüßt und trotzdem das Geld zu einem immer wichtiger werdenden Faktor gemacht. Die Sensationen aber erlebt man in den Arenen des Berufssports. Man ist mobil genug, um zusammen mit 20 000 Schlachtenbummlern seinen Dresdener SC zum Spiel der 2. Bundesliga bei den Münchner Löwen begleiten zu können. Die rapid zurückgegangenen Zuschauerzahlen in den unteren Klassen liefern den Beweis.


Städtische Gaststätte – in die Jahre gekommen

Die Zeiten, in denen das Bezirksligaspiel der Pfaffenhofener gegen einen nicht gerade zugkräftigen Gegner wie den FT Gern (am 16. 05. 1982), von Lokalderbys gar nicht zu reden, über 300 Zahlende ins Städtische Stadion lockte, gehören der Vergangenheit an. Beim FSV, der kein Sachvermögen besitzt und von jeher auf Firmenwerbung und Sponsoring angewiesen war, musste man schon immer äußerst sparsam mit Haushaltsmitteln umgehen, um halbwegs über die Runden zu kommen. Zudem ist die Zahl der Mitglieder und damit auch die der Beitragszahler im Vergleich zu den aufstrebenden Vereinen der Ortsteile Pfaffenhofens in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Man tut sich dort freilich ein wenig leichter, weil die Vereine die Dorfgemeinschaft in sehr hohem Maße mittragen oder sie überhaupt gewährleisten. In der Stadt besitzen deren Dienste für die Gesellschaft eher den Charakter von Einzelaktionen. Dieses Defizit war im Übrigen auch einer der Anlässe für die Gründung eines Sportgremiums Pfaffenhofen, um in einer Großfamilie in einem gemeinsamen Sportzentrum die Kräfte zu bündeln und damit in der Öffentlichkeit auch größeres Ansehen zu gewinnen.

Votum der Mitglieder
nicht eingeholt
Das alles aber ist kein Grund dafür, dass die Vorstandschaft des FSV das Vereinsleben in den letzten Jahren in hohem Maße in den von den Mitgliedern umgebauten Schwerathletik­raum des Stadiongebäudes ausgelagert hat. Er ist Geräteraum, Büro, Archiv und dient zugleich ihr und den Spielern für geselliges Beisammensein. Manchen Mitgliedern der älteren Generation, die sich regelmäßig in die Sportgaststätte begeben und auch bei der Weihnachtsfeier anwesend waren, ist eine Reihe von Aktiven der Seniorenmannschaften erst durch den Nikolaus namentlich bekannt gemacht worden. Jenen Alten gebührt offensichtlich über das Watten und Schafkopfen hinaus kaum eine Teilnahme am Vereinsleben, sieht man von den Generalversammlungen ab. Und auch da muss man vorsichtig sein, wenn die Aussage des 1. Vorsitzenden Peter Wittmann, wie sie am 6. Dezember um 15.46 Uhr ins Facebook gestellt wurde, stimmen sollte: „Ab März bin ich eh nur noch 2. Vorstand, dann hat ein Anderer zu sagen.“


Mixed-Teams der alten FSV-Garde (Wer ist wer?)

Weil zu dieser Zeit die Generalversammlung mit Wahlen stattfindet, ist sicherlich die Frage erlaubt: „Wählt sich vielleicht der FSV-Vorstand von jetzt an auch selbst?“ Sollte in einem ins Grundbuch eingetragenen Verein mit Gemeinnützigkeit das demokratische Grundgesetz nicht mehr gelten, dass die Mitgliederversammlung der Souverän ist und nicht die Vorstandschaft? Bei derart wichtigen Entscheidungen wie dem zunächst auf sechs Jahre ausgelegten Pachtvertrag des Vereins mit dem Eigentümer des Stadions, der Stadt Pfaffenhofen, der auch die Sanierung des gesamten Stadiongebäudes und des Sport- und Wirtschaftsbereichs, wozu auch der Biergarten zählt, umfasst und mit erheblichen, von der Stadt gewährten Geldmitteln (110 000 Euro) verbunden ist, hätte die Vorstandschaft des FSV in einer außerordentlichen Versammlung das Votum der Mitglieder einholen und wohl auch die Wirtin als Unterpächter in die Gespräche einbeziehen müssen. Da sie aber davon überzeugt war, besser als eine Mitgliederversammlung zu wissen, „was das Bes­te für den Verein ist“ (s. PK Nr. 279, Freitag, 2. Dezember 2016, S. 21!), hat sie sich freiwillig in ein „sportliches Abseits“ gestellt und vielleicht auch „ihre Schuldigkeit getan“.

von Hellmuth Inderwies