von Lorenz Trapp
In einer ungewohnten Rolle findet sich Theo Abenstein nach den Kommunalwahlen im Frühjahr. Die Ära Prechter ist beendet, und die CSU sieht sich nun im Stadtparlament einem geschlossen auftretenden Bunten Bündnis gegenüber. Der Fraktionsführer der Christlich Sozialen Union nimmt die Herausforderung nicht nur an, er betrachtet die aktuelle Situation vielmehr als einen politischen Wettbewerb um die besten Lösungen für die Stadt. Im Interview mit dem Pfaffenhofener spricht der 62-Jährige, der beruflich als Leiter des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit im Landwirtschaftsministerium tätig ist, über seine politische Karriere, über die gegenwärtige Lage und seine Visionen.
Herr Abenstein, auch ein altgedienter Stadtrat ist nicht als Politiker auf die Welt gekommen. Wie kamen Sie zur Politik?
In der Kindheit hab ich mich sicher noch nicht sehr stark politisch entwickelt. Ich bin aufgewachsen in München, im Nachkriegsbayern, in Ruinenlandschaften. Für mich als Kind war das faszinierend, wir haben keine streng gestylten Abenteuerspielplätze gebraucht. Dafür gab’s in jeder Straße eine andere Bande, und die Auseinandersetzung mit dem anders Handelnden, nicht unbedingt anders Denkenden, war mir gewissermaßen in die Wiege gelegt. Los ging es wohl in der Schule: Ich bin auf dem Humanistischen Gymnasium bildungsmäßig groß geworden, und das hat mich schon sehr geprägt. Sehr schnell bin ich dort zum Theaterspiel gekommen, und das hat mich bis in die Jetztzeit nicht mehr losgelassen. Über einen sehr engagierten Deutschlehrer bin ich auch mit Literatur in Verbindung gekommen, ob das Brecht war oder Dürrenmatt, und auch das hat mein politisches Denken mitbestimmt.
Brecht und Dürrenmatt sind aber nicht unbedingt auf der konservativen Seite anzusiedeln!
Das ist richtig. Aber ich bin ja auch nicht das, und das weiß jeder, der meine politische Arbeit der letzten 30 Jahre verfolgt hat, was man zwangsläufig den Erzkonservativen nennen würde. Ich habe da schon eine politische Bandbreite, die auch von der christlichen Soziallehre beeinflusst ist. Ausschlaggebend für mein politisches Weltbild war wohl dieses Zusammenspiel von griechischen Denkern, deutschsprachigen Dramatikern und religiöser Bildung in einer katholischen Jugendorganisation. Ich habe festgestellt, dass man eine persönliche Grundhaltung braucht, um etwas zu bewegen und sich selbst im Leben zurechtzufinden. Und als ich nach Pfaffenhofen kam, habe ich auch versucht, das umzusetzen.
Was hat sie aus der Großstadt in die Kleinstadt geführt?
Mein Vater ist hier Chef der Sparkasse geworden, und so kam ich mit 19 Jahren nach Pfaffenhofen. Ein Freund aus der Liedertafel, zu der mich ziemlich schnell mein künstlerisches Interesse geführt hatte, hat mich dann für die JU gewonnen, die übrigens gerade Führungsprobleme hatte. So bin ich dann von heute auf morgen Vorsitzender geworden. Als Vorsitzender der Jungen Union ist man auch automatisch im CSU-Vorstand.
Hatten Sie als Newcomer Probleme, sich in der Parteispitze zu etablieren?
Das alles war 1968! Ich war also ein 68er, und ich darf für mich in Anspruch nehmen, diese allgemeine Stimmung in der Gesellschaft, nämlich dass sich etwas verändern muss, damals auch in die Kommunalpolitik getragen zu haben. Nicht unbedingt mit dem großen revolutionären Background, aber doch in diesem 68er Geist habe ich mir dann doch den Zorn der etablierten CSUler zugezogen, als ich eine Podiumsdiskussion veranstaltete, die sich mit links- und rechtstheoretischen Fragen auseinandersetzte. Ich hatte einen SDS-Studenten auf dem Podium, ich hatte einen linken Gewerkschaftler auf dem Podium, und ich hatte natürlich auch einen Theologen dabei! Das war der damalige Pfarrer Feß, der vielleicht auch nicht unbedingt der klassische Theologe für den Raum Pfaffenhofen war! Wir hatten aber ziemlichen Zulauf, die JU ist stark geworden und in die CSU gegangen. Und dort haben wir angefangen, personelle Umbesetzungen vorzunehmen. Zum Einen war es fast ein bisschen Sport, zum Anderen aber auch die Absicht, alte Zöpfe abzuschneiden, auch im konservativen Bereich, und mehr Demokratie zu wagen, wie es damals hieß. Und so war ich dann gewissermaßen von heut auf morgen drin in der politischen Arbeit. Nach anfänglich skeptischen Betrachtungen hat mich sogar Hans Eisenmann, der spätere Landwirtschaftsminister aus Pfaffenhofen, in seinen Mitarbeiterkreis einbezogen, was die Wahlkampfführung anbelangte. Selbst habe ich zwar – allerdings auf nicht sehr aussichtsreichen Plätzen – bei den Kommunalwahlen kandidiert, doch wichtiger war mir, fleißig Wahlkampfarbeit zu betreiben und mich mit dem politischen Gegner auseinanderzusetzen. Ich war damals, glaub ich, öfter in der Zeitung gestanden als Besucher einer SPD-Veranstaltung als mit meinen eigenen Veranstaltungen!
Wann hat es dann für Sie mit dem Stadtratsmandat geklappt?
In den Stadtrat gekommen bin ich 1984. Bürgermeister Anton Schranz durfte auf Grund seines Alters nicht mehr als Bürgermeister kandidieren, und so hat man mich – parteiintern – bewogen, für dieses Amt anzutreten. Ich bin dann gegen den zweiten Kandidaten Josef Schrag zwar durchgefallen, doch als durchgefallener Kandidat auf die Liste gekommen. Bei den Wahlen habe ich für mich persönlich einen guten Erfolg erzielt und bin in den Stadtrat eingezogen. Als Neuling habe ich dann gemeinsam mit Hans Prechter die Fraktionsführung übernommen, und seitdem bin ich in der Fraktionsführung an vorderer Stelle mit dabei. Als Prechter Bürgermeister wurde, habe ich die Fraktionsführung als erster Vorsitzender übernommen und in den letzten 18 Jahren diese Politik mitgestaltet – was nicht immer ganz reibungslos ging. Insider wissen, dass durchaus unterschiedliche Ansätze da waren und Rivalitäten sich entwickelten. Ich war mehr der konzeptionell Planende, Hans Prechter war mehr der Pragmatiker, was sicher auch dazu geführt hat, dass die Entwicklung so gelaufen ist wie wir sie jetzt vorfinden.
Im Wahlkampf war ja vielfach zu hören, dass Hans Prechter nichts mehr in Bewegung bringt. Hat sich die CSU also konzeptionell zu wenig mit Zielen und der Erreichung von Zielen auseinandergesetzt?
Wir haben’s vielleicht nicht richtig verstanden – vielleicht weil wir uns zu sicher waren -, das, was in Gang gesetzt worden ist, auch dem Bürger richtig zu vermitteln. Es ist ja vieles geschehen, aber ich mach mir da selber ein paar Vorwürfe. Schließlich bin ich ja PR-Mann und hätte es wissen müssen: In einer sich wandelnden Gesellschaft muss man einfach auf eine öffentlichkeitswirksame Darstellung der eigenen Leistungen setzen. Es ist zweifellos manches versäumt worden, was man heute sicher anders angehen würde.
Hält nun nach 18 Jahren in der Führungsrolle mit der Rolle der Opposition frischer Wind Einzug in die CSU?
Wir hatten ja bereits zu meinen Anfangszeiten bis 1990 eine Oppositionsphase, wobei man sagen muss, dass die Gemeindeordnung den Begriff Opposition nicht kennt. Wir sind, im Gegensatz zum Landtag als Gesetz gebendes Organ, ein Verwaltungsorgan, und ein Verwaltungsorgan handelt konsensorientiert, trifft Entscheidungen nicht aus politischen Programmen heraus. Aber es ist nun mal so: Je größer die Städte werden, um so mehr spielt die politische Zielsetzung mit rein. In dieser Rolle befinden wir uns jetzt, doch ich habe dem neuen Bürgermeister gegenüber schon zum Ausdruck gebracht, dass wir keine Fundamentalopposition machen, sondern wir werden Alternativen aufzeigen, die möglicherweise die besseren sind, und wir haben neue Köpfe in der Fraktion, die als Vertreter der jüngeren Generation unsere Arbeit beleben.
Sehen Sie das Abschneiden bei der Kommunalwahl als böses Omen für die Landtagswahl im September?
Mit Sicherheit sind Rückwirkungen da. Ich weiß, dass es für die CSU auf Landesebene sicher kein leichtes Arbeiten ist, und es wird auch nicht leicht, einen gewissen Vertrauensverlust bis zum Herbst aufzuarbeiten. Viele Wähler haben am Wahltag den Gang zur Urne einfach vermieden – aus welchen Gründen auch immer. Was mich bedenklicher stimmt, ist, dass offensichtlich der Hang zum Extrem-Wählen steigt. Hier müssen wir auf kommunaler Ebene wieder daran arbeiten, das politische Bewusstsein zu schärfen, weil die Demokratie vom politischen Bürger lebt, nicht von dem, der sich zurückzieht.
Bleiben wir in der Kommunalpolitik. Großes Thema ist ja der Umbau des Hauptplatzes, dessen Dauer den Einzelhändlern nun Umsatzeinbußen beschert. Hat das C im Namen ihrer Partei die Entscheidung gegen die Forderung nach Sonntagsarbeit beeinflusst?
Sicher war das so. Der Hauptplatz ist jetzt das zentrale Thema der Stadtentwicklung. Dass die Umgestaltung die Attraktivität der Stadt steigern wird, ist unbestritten, doch dafür müssen jetzt einige Unannehmlichkeiten in Kauf genommen werden. Wobei man sagen muss: Der Hauptplatz allein kann es nicht sein, der Einzelhandel lebt auch von seinen Angeboten. Auch das Kaufverhalten der Kunden hat sich geändert. Darauf muss auch der Einzelhandel in der Innenstadt reagieren, da müssen neue, kreative Ideen rein, neue Angebote, die sich eben von den Angeboten auf der grünen Wiese unterscheiden.
Das Stadtentwicklungskonzept einer Regensburger Forschungsgruppe hat kürzlich festgestellt, dass die Lage für Pfaffenhofen nicht so rosig ist. Sehen Sie das ebenso?
Der Standort Pfaffenhofen hat kaufkräftiges Potenzial und wir haben immer noch Zuzug, doch diese Klientel legt Wert auf einen gewissen Anspruch, der in Pfaffenhofen z.B. im Premium-Bereich noch nicht befriedigt wird. Man wird auch über die ein oder andere finanzielle Situation am Hauptplatz nachdenken müssen: Wir haben es leider schon erlebt, dass eine vernünftige Geschäftsnutzung wieder eingestellt worden ist, nicht weil der Kundenbesuch nicht stimmte, sondern weil die finanzielle Belastung durch Miete oder Pacht vergleichsweise hoch war.
Haben Sie konkrete Sofortmaßnahmen für die Einzelhandelsentwicklung im Auge?
Wir haben den Verein ProWirtschaft, und wir haben städtischerseits Überlegungen, einen City-Manager zu fördern. Auch Bürgermeister Herker hat schon angekündigt, dass das ein Schwerpunkt seiner Arbeit sein wird, wir werden dies mit Interesse verfolgen und wo immer wir das unterstützen können, werden wir das auch unterstützen. Es ist uns ein Anliegen, dass sich die Innenstadt weiter entwickelt, denn Leben findet innen statt – ein Wortspiel, das man durchaus ernst nehmen muss. Es war immer ein Ansatzpunkt meines politischen Handelns, die Stadt so attraktiv zu gestalten, dass ich und meine Kinder in dieser Stadt auch leben werden wollen und diese Stadt als Heimat empfinden können. Und dazu muss sich auch einiges in dieser Stadt weiterbewegen.
Welche Schwerpunkte hat sich die CSU für die Stadtratsarbeit vorgenommen?
Ich möchte mich auf zwei Schwerpunkte konzentrieren: Der eine ist die Familie, mit all den Maßnahmen, die Familien begleitend und Kinder betreuend erforderlich sind. Hier haben wir in der letzten Sitzung bereits ein Signal gesetzt und in der Standortfrage eines neuen Kindergartens mit Krippe einen Vorschlag gemacht, der erfreulicherweise die Mehrheit im Gremium gefunden hat. Das zweite ist die Bildungsarbeit sowohl im schulischen als auch im vorschulischen Bereich. Darüber hinaus ist mir persönlich immer ein Anliegen, die Erwachsenenbildung zu stärken. Selbstverständlich werden wir auch unser mit Hans Prechter begonnenes Infrastrukturprogramm fortsetzen und Straßen und Kanäle ausbauen und sanieren. Wir betrachten dies auch als Teil des Umweltschutzes, und bei diesem Thema bleiben wir natürlich am Ball.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was wäre das, privat und politisch?
Privat wünsch ich mir, dass die Erfolge meiner Kinder und das Leben in unserer Familie in Harmonie und Gesundheit noch viele Jahre aufrechterhalten werden können. Beruflich wünsch ich mir, dass ich jetzt langsam an meine Seniorenzeit denken und die berufliche wie auch politische Arbeit in einigen Jahren etwas zurückstellen kann, um mir auch ein bisschen was zu gönnen. Politisch wünsch ich mir schlicht und einfach, dass Stagnation nicht Platz greift, sondern dass meine inzwischen mir zur Heimat gewordene Stadt Pfaffenhofen durch einen Wettbewerb der Ideen vorwärts gebracht wird und in ihrer Eigenständigkeit als Mittelzentrum erhalten bleibt. Persönlich freue ich mich darauf, dass ich im nächsten Jahr endlich wieder Theater spielen darf.
Darauf, Herr Abenstein, freuen wir uns auch. Und vielen Dank für das Gespräch!