Können Golfbälle schwimmen? Ein ungelöstes Rätsel zwischen Greens und Osteria
von Lorenz Trapp
Sanft senkt sich die Straße ins Tal. Hinter üppigem Gebüsch verstecken sich Autos, und oben an der Straße von Gerolsbach nach Jetzendorf wehen Fahnen im leichten Wind. Vor mir wiegen sich Wiesen in die wellige Landschaft, gepflegte Rasenflächen werden unterbrochen von Wasserflächen und Sandlöchern, und Menschen mit Stöcken in der Hand ziehen kleine Wagen übers Land – es sind nicht die Gärtner. Fairways und Greens breiten sich vor mir aus, kleine Kugeln fliegen manchmal in den sandigen Bunker, werden Staub aufwirbelnd weiter geschlagen, und: Können Golfbälle im Teich schwimmen? – ungelöstes Rätsel einer gar nicht so geheimnisvollen Welt.
Das Team der Osteria – nicht komplett, aber stets zuvorkommend: Marcello, Hendrik, Anna und Filippo
„Golfclub Gerolsbach“ steht auf dem Schild, und wer sich auf den Weg zum Büro ins Clubhaus macht, passiert ein Schild, das Köstliches verkündet. Antipasto Nuraghe und Antipasto di mare locken, eine Dorade vom Grill, Medaillons mit frischem Spargel machen den Mund wässrig – oder doch lieber wählen zwischen Pasta und Pizza? Schließlich soll auch die Panna cotta oder die Mousse au chocolat noch ein Plätzchen finden – aber man muss ja nicht alles an einem Tag genießen! Doch halt! Wieso verfügt ein Golfplatz über eine Speisekarte? Ganz einfach: Wer Golf spielt, soll auch essen, sagt eine alte schottische Weisheit, und wer, wie ich, (noch) nicht Golf spielt, sollte erst mal einen Schluck zu sich nehmen. In der „Osteria Marcello“ steht Filippo hinter dem Tresen. Die Tische sind gedeckt, und der Mann mit der roten Schürze liest mir mit einem kurzen, scharfen Blick über seine Brillengläser den espresso von den Augen ab: „Prego, signore!“ Perfekt. Dann zeigt er mir freundlich lächelnd den Weg zum Büro des Clubs.
Der Weg führt durch den Shop. Alles, was der Golfer braucht – von Kopf bis Fuß und an die Hand. Eine nette junge Dame berät mich fachkundig in Sachen Ausrüstung, Ausstattung und Trainerstunden. Sie zeigt mir Leihbags, Trollies, Schlägersätze, und freundlich weist sie mich darauf hin, dass die Utensilien ebenso wie Elektro-Carts auch gemietet werden können. Sie bemerkt, dass ich im Kopf die Preise zu einer groben Summe forme, und beruhigt mich sogleich: „Wir veranstalten in regelmäßigen Abständen mit unseren Mitgliedern einen Basar, und da können Sie sich äußerst günstig mit einer Grundausrüstung ausstatten!“
Dietmar Strunz bestätigt dies. Seit 2008 fungiert er als Club-Manager beim Golfclub Gerolsbach. Dietmar Strunz spielt nicht nur Golf, er kennt auch die Branche. Als gebürtiger Rottaler war er zuvor tätig beim größten europäischen Golf-Resort in Bad Griesbach, einer Anlage mit sechs 18-Loch-Anlagen, drei 9-Loch-Anlagen, 35 Golflehrern und einigen integrierten Hotels: „Dort nehmen natürlich auch Leute wie Sepp Maier den Schläger in die Hand“. Er erinnert sich noch gut an die Torwartlegende, die auf den Golfplatz stets ihren Hund mitbrachte: „Herr Batzenhofer heißt er – groß wie ein Kalb!“ Wahrscheinlich durfte der Hund, vermutet Dietmar Strunz und lächelt, mit einem Bayern-Schal um den Hals das Champions-League-Finale in der Arena ansehen …
Die Weite des Golfplatzes scheint die Gedanken sachte und in Ruhe fliegen und landen zu lassen. Von der Terrasse der „Osteria Marcello“ gleitet der Blick über die 18-Loch-Anlage des Golfclubs, eingebettet in die einmalige Hügellandschaft des südlichen Landkreises, die ideale Bedingungen bietet für den „schönsten Sport der Welt“. Dietmar Strunz ist sich der öffentlichen und ökologischen Verantwortung des Golfclubs durchaus bewusst: Erhalt und Pflege des Platzes und der Natur unter bestmöglicher Schonung der natürlichen Ressourcen sind wichtige Prämissen in seinem Aufgabenbereich. Er organisiert die vielfältigen Veranstaltungen, plant die regelmäßigen Turniere und Festivitäten, er betreut die Mitglieder in allen auftauchenden Fragen und kümmert sich auch darum, neue Mitglieder zu gewinnen: „Eines unserer Ziele ist ja, Golf in der Region als Sport für jedermann zu ermöglichen“. Gerade die Jugend wird deshalb mit attraktiven Angeboten gefördert: „Der Club beteiligt sich am Ferienprogramm der Gemeinde, und regelmäßige Schnuppertage ermöglichen unverbindliches und kos-tenfreies Kennenlernen des Sports und der Anlage“.
Die gefürchtete finanzielle Eintrittsbarriere, sagt Dietmar Strunz, wurde ziemlich weit heruntergeschraubt. Wer probieren will, kann das kostenlos auf der Übungsanlage tun und bekommt sogar den Schläger geliehen: „Nur die Bälle müssen bezahlt werden!“ Oft nutzen dieses Angebot bereits Jugendgruppen, und gerade im Jugendbereich macht sich ein Zulauf im Mitgliederstand bemerkbar. Aber auch „Spätberufene“ sind willkommen im Club, dessen Mitglieder – „bunt gemischt“ nennt sie Dietmar Strunz – aus allen Gesellschaftsbereichen kommen: „Wir sind ja kein elitärer Golfclub!“ Knapp 700 Mitglieder betreut er, und Gastspieler müssen – wie überall üblich – die Platzreife nachweisen.
Platzreife, erklärt mir Dietmar Strunz, drückt sich im Handicap aus: „Angenommen, Sie haben Handicap 54, dann dürfen Sie auf unserer Anlage mit Par 72 für die 18 Löcher 54 Schläge mehr brauchen als die festgesetzten 72“. Aha! Er selbst habe Handicap 16, das er natürlich ständig zu verbessern suche. „Ein Schlag unter Par ist ein Birdie – und hilft dabei; ein Schlag über Par ist ein Bogey“, fährt er fort, und als er sieht, dass ich vor Unverständnis meinen imaginären Hut wie Humphrey „Bogey“ Bogart ins Gesicht ziehe, lacht er: „Schon gut, wir sehen uns am Greenhorn-Tag im Juni, da dürfen absolute Anfänger mit erfahrenen Mitgliedern über den Platz gehen!“
Selbst nimmt Dietmar Strunz die Schläger eher selten in die Hand; sein Job als Club-Manager erlaubt es ihm nur manchmal, doch an vier, fünf Turnieren im Jahr nimmt er auf jeden Fall teil: „Schließlich muss ich wissen, wie der Platz ausschaut – und mein Handicap will auch verbessert werden!“ Alles, versichert Dietmar Strunz, hört sich komplizierter an als es ist, und nach der Stableford-Wertung könne sogar ich gegen einen Club-Manager gewinnen – am Greenhorn-Tag wahrscheinlich!
Marcello Cabras an der Pfanne
Zeit für einen weiteren espresso! Filippo hat ihn bereits auf dem Tablett, und Marcello, der Chef der osteria, bringt die Speisekarte. Erst im Frühjahr hat er das Restaurant auf dem Golfplatz übernommen, und sein Lokal ist offen für alle Gäste – nicht nur für Golfer. Marcello Cabras ist in der Gastronomie-Szene kein Unbekannter und als formidabler Koch bekannt. Spielt er Golf? Ein Mal habe er gespielt, sei sogar Sechzehnter geworden – doch sein Reich ist die Küche. Il capo di cucina. Neben den oben erwähnten italienischen Köstlichkeiten bietet er mit seinem Team täglich von 11 Uhr bis 22 Uhr auch rustikale bayerische Schmankerl wie Wurstsalat und Leberkäse mit Spiegelei. Dazu gibt es jeden Tag bis 15 Uhr günstige Mittagsmenüs, wahlweise mit Fisch oder Fleisch – und nicht nur für Golfer.
Dietmar Strunz hat mit Marcello Cabras einen Wirt gefunden, der seine Idee des offenen Golfclubs mitträgt, und als ich mich verabschiede, wehen hinter mir die Fahnen im Abendwind – und ich habe vergessen zu fragen, ob Golfbälle schwimmen können. Doch das lässt sich schnell ändern – am Schnuppertag, am Sonntag, 17. Juni 2012!
Schnuppertag
am Sonntag, 17. Juni 2012
Golfclub Gerolsbach
Tel. 0 84 45 / 799
www.golfclub-gerolsbach.de