Vom scharfen Schnitt der Guillotine hingerichtet wurde der berüchtigte Räuber zwar in Augsburg, zur sauberen Rasur jedoch besuchte er den Salon Bauer – natürlich ohne zu bezahlen.
von Lorenz Trapp
Der sehr geehrten Bewohnerschaft von hier und Umgebung beehre ich mich ergebenst anzuzeigen, daß ich im Hause der Frau Privatier Kramer in der Bahnhofstraße ein Bader- & Fri-seurgeschäft eröffnet habe. Empfehle mich sowohl im Chirurgischen als auch in allen ins Friseurfach einschlägigen Arbeiten und es wird mein eifrigstes Bestreben sein, die verehrten Kundschaften in jeder Beziehung zu befriedigen, um mir das gütige Vertrauen zu erwerben und zu erhalten. – Hochachtungsvollst! Friedrich Blank, appr. Bader und Friseur.
Das waren noch Zeiten! Mit dieser „Geschäfts-Empfehlung“ annoncierte Friedrich Blank im Jahre 1897 sein Metier. Die Münchener Straße hörte noch auf den Namen Bahnhofstraße, und der heutige Friseursalon Bauer wurde erst einmal bekannt unter dem Namen Blank. Friedrich Blank war der Urgroßvater von Chris-tine Lohwasser und Eva Ponetsmüller. Die beiden Damen führen den Salon nun – gemeinsam mit ihrer Mutter Maria Bauer – in vierter Generation, und so können sie stolz sein auf das Prädikat „ältester Fri-seursalon der Stadt“.
Drei Grazien und eine Rose: Christine Lohwasser, Maria Bauer und Eva Ponetsmüller in ihrem Salon (v.l.)
Anekdoten haben einen festen Platz in der Firmengeschichte
„Zähne ziehen, schröpfen, Blutegel setzen“, so beschreibt Christine Lohwasser die Tätigkeit ihres Urgroßvaters, der als approbierter Bader auch viel „auf dem gesundheitlichen Sektor“ zu tun hatte: „Damals hat man halt noch mehr gerauft“, meint sie, und Rasieren und Haareschneiden – nur im Herrenbereich! – nahmen noch nicht den Raum ein, der ihnen heute gehört. Apropos Rasur: Gern erzählt sie die Geschichte, die sich über die Generationen in ihrer Familie als Anekdote einen festen Platz in der Firmengeschichte erobert hat.
Ganz spät am Nachmittag ist noch einer gekommen, Friedrich Blank wollte seinen Laden eigentlich schon zuschließen; es war kalt und dämmerte bereits. Ums Jahr 1900 muss es gewesen sein, und der Mann ist dem Friedrich Blank gleich unheimlich vorgekommen. Doch Pflicht ist Pflicht, und so hat er den Mann, der sich wortlos in den Stuhl setzte und nur mit einer fahrigen Bewegung auf sein Gesicht deutete, sorgfältig rasiert. Dann stand der Mann auf und ging schnurstracks an der Kasse vorbei, doch an der Tür hob er den Arm und drehte sich abrupt um: „Bloß dass du’s weißt: Jetzt hast du den Räuber Kneißl rasiert!“ Und dann war er draußen, auf Nimmerwiedersehen …
Matthias Kneißl war ein berüchtigter Räuber und in ganz Oberbayern gefürchtet, und was wie eine nette Geschichte für den Stammtisch anmutet, nahm vor einigen Jahren eine interessante Wendung. Auch in der biographischen Verfilmung des Räuberlebens fand sich ein Hinweis auf Pfaffenhofen, und selbst Stadtarchivar Andreas Sauer bestätigt, dass der Kneißl Hias zu jener Zeit in der Stadt sein Unwesen getrieben hat. Eva Ponetsmüller erzählt weiter, dass ihr Vater die Kneißl-Anekdote am Leben erhielt, indem er auf die Frage, wie’s ihm den ginge, stets antwortete: „Besser als dem Räuber Kneißl, den ham’s am Montag aufg’hängt!“ Dass der Räuber seinen Kopf an einem Freitag unter der Guillotine verlor, spielte für die Legendenbildung keine Rolle – und dem Räuber war es sicher auch egal.
So „stad“ unters Messer begeben hätte sich der Räuber Kneißl wohl nicht
„Als ich angefangen hab“, erinnert sich Christine Lohwasser, „gab’s viele Kunden, die noch vom ‚alten Fritz‘ erzählt haben, und manche wollten sich immer beim Blank anmelden!“ Eine dieser Geschichten ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: Der alte Fritz Blank saß am Stammtisch im Moosburger Hof, ein paar Häuser weiter, und als er sich spät in der Nacht von den Stammtischbrüdern getrennt hatte und zu Hause in seinem Bett lag, hielt ihn ein scharfer Pfiff vom Einschlafen ab. Erst dachte er sich nichts dabei, doch als das Pfeifen sich ständig wiederholte, immer ungeduldiger und von einem unterdrückten Rufen begleitet wurde, stand er wieder auf, ging zum Fenster und öffnete es. Unten auf der Straße stand ein Stammtischbruder und formulierte eine dringliche Bitte: „Hilf mir, Fritz, du musst mir einen Zahn ziehen!“ – „Welcher tut dir denn weh?“ – „Ist doch egal! Zieh irgendeinen!“ – „Spinnst du?“ – „Nein! Aber wenn ich mir einen Zahn ziehen lasse, bekomm ich noch eine Maß im Moosburger Hof!“
Ob der Zahn tatsächlich gegen eine Maß Bier eingetauscht wurde oder der Stammtischbruder durstig nach Hause wanken musste, ist leider nicht bekannt. Bekannt ist, dass Max Bauer, der Vater von Christine und Eva, das Friseurhandwerk noch bei seinem Großvater lernte, dem alten Fritz. Anschließend ging er nach München, um auch im „Damenfach“ fit zu werden, kehrte in die Heimat zurück und eröffnete im Mai 1958 den neu eingerichteten „Damen- und Herrensalon Max“. In diesem Salon sind Christine und Eva großgeworden. „Wir sind zwar mit dem Geschäft aufgewachsen“, doch ihr Vater habe immer gesagt: „Macht, was ihr wollt, wenn’s euch nur Spaß macht!“ Sie mussten nicht, doch sie wollten im selben Metier tätig werden wie ihr Vater, wie ihr Großvater und wie der Geschäftsgründer Friedrich Blank, der Urgroßvater, um den sich die meisten Geschichten ranken.
Die Schwestern legten die Meisterprüfung im Friseurhandwerk ab, und als sie den Salon übernahmen, kam auch noch der Kosmetik-Bereich dazu. Mit Hilfe ihrer Mutter Maria decken sie deren ganze Breite ab: Körperpflege, Gesichtsbehandlung, Depilation. Die Entfernung der Körperbehaarung nehmen sie mit Heißwachs vor, und dass es Methoden wie Sugaring gibt, die mit speziellen Pasten angeblich schmerzfreier arbeiten, ficht Eva und Christine nicht an; das sei zwar modern, doch sie sehen es pragmatisch und mit Humor: „Die Haare müssen raus – so oder so!“
Der Salon heute
Die Herren entdecken die Vorzüge des Kosmetikstuhls
Es sind nicht nur Damen, die sich in kosmetische Behandlung begeben, auch immer mehr Herren entdecken die Vorzüge und fühlen sich auf dem Kosmetikstuhl total wohl – teilweise mit einer Tendenz zum Ratschen, die Eva und Christine dann mit Fingerspitzengefühl in die richtige Richtung lenken. Es war ein ganz wichtiger Schritt, als ihr Vater noch „Biosthétique“ einführte, eine Haar-,
Haut- und Schönheitspflege mit einem Hauch von Paris, die man nur umsetzen kann, wenn man’s wirklich fundiert lernt: „Wir kennen jetzt sämtliche Hauttypen, und wir wissen, welche Pflanzen und Pflanzenteile in welchem Stadium geerntet werden müssen, um die wertvollsten ätherischen Öle zu gewinnen“. Heute, stellten die beiden Schwestern fest, gehen die Biosthetiker ein bisschen leichtfertiger damit um, und Christine präzisiert: „Anfangs hielt ich Biosthétique fast für Alchemie, ich hatte einen Heidenrespekt vor den Visaromen und gedacht, wenn ich die Öle falsch anwende, fällt mir die Köchin vom Stuhl!“
Gerade abgeschlossen ist der Umbau, nach dem sich der Salon Bauer in neuem Lichte präsentiert. Ganz bewusst aber ließen sie einen Teilbereich von früher stehen und zeigen auf die so genannten „Vorwärtsbecken“. Immer noch gebe es Kunden, die beim Haareschneiden den Kopf nicht nach hinten, sondern – wie früher eben – nach vorne beugen wollen. Ebenfalls nach vorne blicken die beiden Schwestern. Christines Töchter liebäugeln bereits mit dem Friseurberuf; zu ihrer Freude könnte also die lange Familientradition in die fünfte Generation fortgesetzt werden, und Eva beschreibt einen Teil dieser Tradition so: „Wir haben eine lange Kernzeit – lieber eine Stunde länger auflassen als hetzen! Wir leis-ten uns das einfach – ganz in Ruhe“. Und die kann wohl auch der Räuber Kneißl nicht erschüttern …
Salon Bauer, Münchener Straße 15, Tel. 0 84 41 / 96 87