Große Funddichte aus 5000 Jahren / Ausgrabungen in der Auenstraße gehen in die Tiefe

von Claudia Erdenreich

„Man muss den Sachen auf den Grund gehen“, erklärt der leitende Archäologe Dr. Bernhard Ernst die Arbeiten in der Auenstraße. Er und seine rund zehn Mitarbeiter graben bis zum anstehenden Boden, das ist nötig, da in der Auenstraße unter den von KB Wohnbau geplanten Gebäuden eine Tiefgarage entstehen soll.
Die Archäologen und Grabungshelfer von Pro Arch arbeiten seit vergangenen November auf dem rund 1800 Quadratmeter großen Areal, mit mehreren kurzen witterungsbedingten Unterbrechungen. Der Winter mit Schnee, Frost und Nässe erschwert und verzögert Ausgrabungen immer. Es handelt sich dabei um eine der wichtigsten Innenstadtgrabungen in Pfaffenhofen neben den in den letzten Jahren erfolgten Neubauten.

„Pfaffenhofen war ein Negativbeispiel“, sagt Dr. Ernst klar und wiederholt damit nur die Meinung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege aus München. Man hat die Archäologie hier nicht sonderlich ernst genommen – kein Einzelfall in Bayern und trotzdem in jedem einzelnen Fall bedauerlich, zumal Bodendenkmäler dann unwiederbringlich zerstört werden.

funddichte

Die Lage in der Kreisstadt hat sich glücklicherweise ins Gegenteil verkehrt mit der Wende an der Stadtspitze und dem Einsatz der zuständigen Archäologin Dr. Ruth Sandner in Ingolstadt. Bisher wurde wenig bis nichts in Pfaffenhofen gefunden, weil man der Archäologie außer in den letzten drei, vier Jahren keine Bedeutung einräumte, sich nicht darum kümmerte trotz klarer Vorgaben.

„Wir verlieren unsere Gesicht“, mahnt Dr. Ernst, wenn ohne Rücksicht auf die Vergangenheit abgerissen, planiert und überbaut wird. In vielen Städten, auch in Pfaffenhofen, hat nicht etwa der Zweite Weltkrieg die großen Zerstörungen angerichtet, sondern erst die Abbrüche der Nachkriegsjahre bis in die jüngste Vergangenheit.

Zahlreiche Funde aus mehreren Jahrtausenden
Mit den laufenden und sicher auch in Zukunft erfolgenden Grabungen sind auf jeden Fall neue Erkenntnisse für Pfaffenhofen zu erwarten, für die Siedlungsentwicklung, die Besiedelung in der Innenstadt. Das beweisen schon jetzt die Funde aus mehreren tausend Jahren, aus der La-Tène-Zeit, der Hallstattzeit, vermutlich auch aus der Bronzezeit, von denen Dr. Ernst nicht überrascht ist: „Warum sollte es hier keine vorgeschichtliche Siedlung gegeben haben?“, fragt er, die ganze Umgebung ist schließlich voll davon.

Die Ausgrabungen werden von Passanten immer wieder neugierig betrachtet und kommentiert. Mehrere kleine, offene Zelte stehen im südlichen Bereich, dazu ein zwölf mal sechs Meter großes Zelt, das der Bauherr aus einer ehemaligen Gärtnerei zur Verfügung stellte und das die Wintergrabung deutlich erleichterte. Was für Beobachter auf den ersten Blick wild und unübersichtlich wirkt zwischen Erdhaufen, Aushub und Mauerresten, ist akribisch geplant und koordiniert.

Nachdem die Oberfläche bis auf das Planum eins mit den ersten archäologischen Befunden abgetragen wurde, unterteilen die Archäologen das Areal in fünf mal fünf Meter große Quadranten. Diese werden Schritt für Schritt, meist mit Handarbeit, aber auch unterstützt durch einen Kleinbagger ausgegraben.

Die Ausgrabungen sind Pflicht vor Baubeginn, zumindest wenn man wie hier in einer seit dem Mittelalter besiedelten Altstadt mit Befunden rechnen muss. Die Kosten muss der Bauherr tragen, sie fallen in diesem Fall deutlich höher aus als anfangs kalkuliert, da die Grabungen weit länger dauern als geplant, vermutlich sogar bis in den Sommer hinein. Man wird erst nach Ostern überhaupt mit der zweiten, der nördlichen Hälfte der Fläche beginnen, auf der bisher noch die Bürocontainer der Grabungsfirma stehen.

Gefunden wurden bisher zahlreiche Pfostenlöcher, Gräben, Gruben und Mauern. Auch mehrere tiefe Brunnenschächte sind darunter, ein Fassbrunnen, in dem noch das unterste Fass belassen wurde. Er stammt wohl aus der Barockzeit. Die Ziegelbrunnen stehen allesamt auf Holzrahmen zur besseren Gewichtsverteilung. Die Brunnen sind auch für Laien deutlich zu sehen. Dazu kommen Latrinengruben, mit vielfältigen und spannenden Funden, das lassen schon erste Auswertungen erkennen.

Die prähistorischen Funde stammen aus bisher wenigen zeitgleichen Befunden. Es gibt nichts aus dem frühen Mittelalter, kaum etwas aus dem hohen Mittelalter, vereinzelt aus dem 12. und dann verstärkt aus dem 13. Jahrhundert, der Schwerpunkt der mittelalterlichen Funde liegt im 14. und 15. Jahrhundert. Die Bebauungsstruktur ist noch gut erkennbar am alten Wegenetz ausgerichtet, man fand eingetiefte Holzkeller, sogar eine alte Gerberei. Das Haus, in dem angeblich einmal Agnes Bernauer auf ihrem Weg nach Vohburg nächtigte, kann tatsächlich bis ins späte Mittelalter datiert werden, wurde aber sehr häufig umgebaut und verändert. Die sonstige bislang freigelegte Steinbebauung stammt zum größten Teil aus dem 16. bis 18. Jahrhundert.

Die Zahl der Funde in der Auenstraße ist nicht weiter erstaunlich, anders als etwa das Bortenschlager Areal wurde hier nicht so intensiv überbaut und nicht so tief gebaut in der Vergangenheit. Es gab auch Gartenbereiche, die nicht so intensiv genutzt wurden. Die Befunddichte ist trotzdem noch höher als am Anfang angenommen. Bereits jetzt gibt es mehr als 450 Befunde und schon jetzt weit über 1000 Einzelfunde. Dr. Ernst rechnet mit rund 1000 Befunden bis zum Abschluss der Grabung, wobei natürlich auch er nicht weiß, was noch im Boden steckt.

Neue Erkenntnisse für Pfaffenhofens Stadtgeschichte
Im südlichen Teil des Areals ist teils deutlich das Überschwemmungsgebiet der nahen Ilm zu erkennen. Die Funde werden direkt vor Ort erst einmal gereinigt und inventarisiert, danach kommen sie nach Ingolstadt in die Außenstelle des Landesamtes für Denkmalpflege. Eigentümer bleibt aber der Bauherr! Dr. Ernst ist auch hier Realist, er weiß, dass gerade so eine lange und teure Grabung die Bauherren nicht gerade freut, dennoch gibt es keine Alternative, die gesetzlichen Vorgaben sind klar, ebenso die strengen Auflagen zur Dokumentation. Derart große Innenstadtgrabungen sind für die Stadtgeschichte immer erfreulich, bieten unerwartete Einblicke und zahlreiche neue Erkenntnisse. Es bleibt zu hoffen, dass sie in Pfaffenhofen erfreut und nicht nur desinteressiert aufgenommen werden und zudem vielleicht sogar Museumspläne beeinflussen.