Helmut Kilian, gefürchteter Restaurantkritiker, erhält das erste „Goldene Gfrieß“ /
Laudatio von Lorenz Trapp
Es ist ein Bub! Ein Mädchen, würde – und jetzt rutscht uns doch sein Name schon zu Anfang dieser Laudatio so unkontrolliert und Spannung mindernd über die Zunge wie ihm seine vernichtenden Urteile – Helmut Kilian feststellen, wäre ihm lieber. Wir haben nicht erwartet, eher nur bang gehofft, dass er sich so schnell in unserer keuschen Mitte einfinden und unsere Vorstellung von der Welt so vehement durcheinander wirbeln würde, doch die Nominierung (siehe nebenstehenden Artikel) ist so zwingend wie ein welkes Salatblatt, das ein ganzes Restaurant wie ein Fallschirm aus übler Nachrede zudecken kann.
Von Winnetou und Old Shatterhand geschult bauen wir auf unserer Reise durch das an sich ungerechte Leben stets auf das Gute, das, wo immer es sich auch versteckt hat, doch allem Menschlichen eigen sei, und unsere Heroen bleiben auch weiterhin der edle Ritter Don Quijote und, etwas nördlicher auf Wanderschaft, der sagenhafte König Artus, der auf der Suche nach dem Heiligen Gral von noblen Rittern unterstützt wird, die keinen Unfug treiben.
Nun hat der liebe Gott in seiner unendlichen Großzügigkeit auch der Dummheit erlaubt, plausible Sätze zu formulieren, und so wundert es uns nicht, dass sich ob dieses frei zugänglichen Wühltisches etliches Volk einfand, diese Generosität auch weidlich auszunutzen und Applaus heischend munter drauf los zu schreiben. Er, Helmut Kilian, ist einer von vielen, und er hat das Glück, uns auf die Schaufel gesprungen zu sein. Mehr Aufmerksamkeit hat er sich als selbsternannter Restaurantkritiker nicht verdient.
Das „Goldene Gfrieß“ wird verliehen für „Unsinn aus Politik und Kultur“, und wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Die Öse, durch die der Eintritt zu vernünftiger Politik gewährleistet wird, erwies sich evident als zu schmal, um ihn dort unterzubringen, auf Anfrage jedoch bestätigte uns die mittlerweile zu einem Sammelbecken wirr herum schwimmender Dampfplauderer mutierte Kultur, ihn unter ihren Fittichen, unter Kontrolle zu haben. Unsinn, dafür sei ihm gedankt, macht er zweifelsfrei, und in diesem Urteil bestätigt uns ein gewisses Maß an Geschmacklosigkeit und Unverschämtheit in seinen Kritiken, die er nicht nur den Wirten aus dem Raum Pfaffenhofen angedeihen lässt.
Einen Apfel ohne Spiegelei präsentiert Helmut Kilian, der sich mit lukullischer Kritik unseren Preis verdiente
Geschmack, auch wenn wir immer über ihn streiten, sollte man dennoch haben. Helmut Kilian hat schon mal „Grünzeug herunterpopelt, denn es schmeckte nach rein gar nichts“, und „ganz am Schluss“ – nach welcher Menge unverträglichen Getränks gibt er nicht preis – fand er einen „Klumpen“, den er in einem Lokal am Sparkassenplatz der asiatischen Küche zuordnete, „mit widerlichstem Geschmack“. So urteilen Profis. Auf diesem Niveau dürfen sie den Koch auch „Küchenfuzzi“ nennen, wenn ihnen ihr Wortschatz so verschwenderisch aus dem Mund quillt.
Helmut Kilian kann auch anders. Aber nur, wenn’s nicht ums Essen geht. Die Vorfreude, so versucht die abendländische Kultur seit unseren Kindertagen das Vergnügen bei und an den Mahlzeiten aus unserem Leben zu vertreiben, sei ja die schönste Freude, und unser Preisträger macht sich da so zügellos und unbedacht an das weibliche Personal heran, dass Unsereinem Hören und Sehen vergeht.
„Anmachend“ empfand er im selben Lokal die Bedienung, „groß, blond, aufregende Figur“ und „echte“ Freundlichkeit – der Mann ist auch noch Psychologe – trieben diese Frau in Kilians weit aufgerissenen Augen unter die Rubrik „waffenscheinpflichtig, weil sie ihre Attribute … auch noch besonders unterstreicht“. Der Mann hat, wie alle Menschen, viele Probleme, leider hat er auch eines mit seiner Logik, die ihm hier einer Kanone vorwerfen lässt, sich als Kanone zu präsentieren. Seinen Waffenschein vorzulegen fordern wir von einem Spatzen, der mit Kanonen zündelt und die Wirtin unter dem Dach eines Malerfürsten als „knubbelig“ und „zum Anfassen“ abschießt. Nur kucken, mein Herr, nicht Anfassen!
„Und endlich“, seufzt er da, „gibt es wieder Feministinnenschelte“. Ein Masochist? Wenn’s das nur wäre, doch Helmut Kilian möchte austeilen. Als „charmant, witzig, frech, profund“ preist er sich auf seiner Internetseite als „die richtige Adresse“ für eine „Restaurantkritik auf Wunsch“ an, ohne dass die Wirtin, „respektive“ der Wirt, „Honig um den Bart geschmiert bekommt“. Was dem Unsinn, der ja Kriterium für die Vergabe des Preises „Goldenes Gfrieß“ ist, schmeichelt, ist Helmut Kilians Vermutung, seine Lokalberichte seien eine „feine Werbung“ und das bringe „bestimmt neue Kunden“. Denn, so setzt er in leichter Selbstüberschätzung einen Pluspunkt drauf, „mein Schreibstil macht an – sagen meine Leser“. Wir, sagen wir, können auch lesen.
Allerdings müsse sich der Wirt (respektive die Wirtin) auch auf einen „Verriss“ gefasst machen. In so einem „Fall“ werde der Bericht erstmal der Allgemeinheit vorenthalten, damit der Wirt „gegen die Missstände etwas unternehmen kann“. Das nennen wir Großzügigkeit, und Helmut Kilian ist sogar bereit, nach Aufforderung zum „Nachtest“ den Bericht zu aktualisieren. Wenn’s dem Betrieb, was es ihm sein sollte, wurscht ist, kennt er allerdings kein Erbarmen. Sollte der Wirt, genau: auch die Wirtin, dummerweise brav sein, kann er die „aufwendig gestalteten Fotos“, die der Restaurantkritiker zwischen zwei Bissen macht, „lizenzfrei“ übereignet erhalten: „Quasi als Zuawog“.
Wir wissen nicht, was Helmut Kilian unter „lizenzfrei“ versteht. Wir wissen auch nicht, was er an seinen Leistungen als so schwerwiegend empfindet, dass ihm einige Fotos gleich als „Zuawog“ erscheinen, und deshalb begnügen wir uns mit der Freude über den ersten Träger unserer Auszeichnung, die die Vorfreude bei Weitem überwiegt. Das „Goldene Gfrieß“ ziert nun Einen, der auszog, das Fürchten zu lehren und das Fürchten nie gelernt hat. Wie ein Trüffelschwein jagt er durch die wunderschöne Restaurantlandschaft, wo auf Karten bisweilen sogar Trüffeln verzeichnet sind, und findet seine Nase dann keine Trüffel, kann man, mit Nonchalance eingestreut und peripher lateinisch, bei Helmut Kilian lesen: „Nix Tuber“. Wir übersetzen bescheiden in nicht so schreibgewandtes Deutsch: „Weit und breit keine Trüffel im Trüffelland zu finden“.
Es ist ein Bub, unser erster Preisträger. Er glaubt noch glücklich an eine kausale Beziehung zwischen viel Feind’ und viel Ehr’, und ehrenhalber vergeben wir ihm nun diesen Preis, mit dem er sich zu seinem selbst gestrickten Lorbeerkränzchen noch ein Blättchen „Grünzeug“ hinzufügen kann. Den Wirten (respektive den Wirtinnen), seinen Versuchskaninchen, empfehlen wir, nicht traurig zu sein. Je mehr Grünzeug auf dem Kopf, desto weniger Substanz bleibt unter der Kochmütze, die der Franzose, als hätte er’s geahnt, „toque“ zu nennen beliebt. Toqué!
Und wenn uns Helmut Kilian erklärt, seine Kritiken seien keine „Grundsatzerklärungen eines Suppenkaspars“, dann glauben wir ihm einfach nicht. Er hat den Preis verdient, und weil das „Goldene Gfrieß“ nur verliehen wird, also quasi ein Wanderpokal ist, kann es durchaus sein, dass dieser in nicht so ferner Zukunft, auf Aufforderung zum „Nachtest“ sozusagen, noch ein Mal vor ihm landet wie eine Perle.
Wer hier nicht satt geworden ist, kann sich auf www.guat-essen.de/wpblog von der Würdigkeit unseres allerersten Preisträgers selbst überzeugen.