von Lorenz Trapp
Da gibt es also tatsächlich welche, die sich an den Fasching in Pfaffenhofen erinnern können. Fasching, das ist dieses bunte Treiben am Faschingsdienstag, zu dem sich die Stadt immer was einfallen lässt, und das empfindliche Gemüter durchaus auf dem Weg in die Schwermut weiter peitschen könnte, wenn sich auf einem überfüllten Hauptplatz die Zahl der Feiernden als Bruchteil der ausgeschenkten Schnäpse errechnet. Man will es gar nicht so sehen, aber es fällt schwer, beim Kramen in den Erinnerungen jemanden zu finden, der sich in den letzten Jahren tatsächlich auf diesen Nachmittag gefreut hat.
Natürlich gibt es die Faschingsfans, die sich auf den Hauptplatz sehnen, die den Trubel so lieben, wie sie ihn sich gestalten, doch man muss es – so Leid es uns tut – sagen: Vielen Pfaffenhofenern geht das organisierte Treiben an der Backe vorbei. Es muss wohl einen Unterschied geben zu den närrischen Tagen im Rheinland, in „Kölle“, in Düsseldorf und anderswo, wo, so zeigt es uns sogar das Fernsehen live, Krawattenspitzen als Trophäen gehandelt werden und die Stimmung überschwappt wie ein zum Trinkgefäß umfunktionierter Sektkübel. Und: Hauen „die Preußen“ da oben wirklich sechs ganze Tage auf den Kopf“ Und wir hier in Pfaffenhofen bringen nicht mal am Faschingsdienstag ein bisschen Stimmung für alle in die Bude“ Verlässlich ist nur eines: Am Aschermittwoch ist alles vorbei! Das soll uns recht sein.
Der Faschingsmuffel, wenn es ihm schon nicht gefällt auf dem Hauptplatz, soll halt zu Hause sitzen bleiben und die Pantoffeln beim Rosenmontagszug im Fernsehen mitwippen lassen. Und die, denen die bunte Sause auf dem Hauptplatz so richtig am Herzen liegt, werden sich nicht abhalten lassen, wieder von Stand zu Stand zu ziehen, mit der Narrenkappe schräg auf dem Kopf, und unter den buschigen Brauen an der Clowns-Glatze sehen alle Menschen aus wie Brüder – und Schwestern. Ein einig Volk von Faschingsfans.
So einig nun auch wieder nicht. Da kann die Polizeiinspektion der Stadt ein Liedchen – allerdings kein Stimmungslied – singen. So hat der legendäre Faschingsdienstag vor neun Jahren dafür gesorgt, dass sich Stadt, Ordnungshüter und Rettungskräfte, die den zahlreichen Betrunkenen die letzten Stützen in dieser närrischen Zeit boten, zusammengesetzt haben, um dem Ausufern des Treibens wieder Grenzen aufzuzeigen. Denn damals hatten an die 6000 Besucher am Hauptplatz nicht nur eine Sau rausgelassen. Es begann alles wie immer ganz friedlich, doch mit zunehmendem Alkoholpegel schwappte die eingangs ausgelassene Stimmung über in immer aggressiver werdende Auseinandersetzungen. Ein BRK-Mitarbeiter hatte noch die Polizei angefordert mit dem Hinweis, die Stimmung auf dem Hauptplatz brodle und drohe in ungebremste Aggressivität überzukochen, als auch schon zahlreiche Schlägereien vom närrischen Zaun gebrochen wurden. Und so setzte sich das, was sich der normale Faschingsgänger nicht unter Faschingsstimmung vorstellt, bis in die späten Nachtstunden fort, bis die verstärkte Polizeipräsenz die Lage wieder unter Kontrolle brachte. Sicher war auch damals am Aschermittwoch alles vorbei – bis auf ein paar gerichtliche Nachspiele und heilende Platzwunden.
Nicht lange gerätselt wurde über die Ursachen der Gewalttätigkeiten. Nicht nur der ungezügelte Alkoholgenuss sei schuld gewesen, das Ihrige habe auch die laute Techno-Musik beigetragen, die die angetrunkenen Besucher mit knallharter Lautstärke zusätzlich aufgepuscht und zu dem geführt habe, was sich in der schönen Überschrift sammelte: „Suff und Schlägerei statt Gaudi“. Und die Polizei riet der Stadt, das Ende des Faschingstreibens vorzuverlegen.
Ist der Ruf erst ruiniert …
Was diese auch getan hat. Doch noch immer leidet der Ruf des Faschingsdienstags in Pfaffenhofen darunter und bestätigt die alte Weisheit des Wilhelm Busch: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert.“ Außer man tut etwas dagegen. Doch dazu muss man sich eben an der langen Narrennase fassen und sich wieder auf die vernünftigen Beine stellen! Hat der Hauptplatz doch auch andere Tage gesehen, die auf den Fotos zwar noch schwarz-weiß überliefert werden, doch die Erinnerung daran in den allerschönsten Farben schillern lassen. War da nicht auch was mit diesen wundervollen Bällen, die, unter anderen, die Turner im „Bortenschlager“ veranstaltet haben, und die noch heute alle, die dort richtiges Faschings-Feeling erleben durften, mit der Zunge des Genießers schnalzen lassen“ Dass die Vereine hier nicht nur ein bisschen nachgelassen haben, ist bedauerlich, doch die Aufgabe des „Bortenschlager“ hat eine eklatante Lücke in die Pfaffenhofener Faschingskultur gerissen.
Das versichern diejenigen glaubhaft, die damals als Aktive dabei waren, als man noch in der Lage war, Faschingsumzüge zu organisieren. Etliche Vereine machten sich bis in die 70er Jahre die Mühe und bastelten die gewagtesten Faschingswägen, auf denen mit dem goldenen Humor des Volkes alles auf die Spaßschippe genommen wurde, was darauf Platz fand. In den 50er Jahren zückten sogar die Mitarbeiter der Amperwerke eine spitze Nadel, mit der sie in die Politik der sich entwickelnden Atomkraft-Lobby stichelten, und auf einem anderen Wagen prangerte ein Verein die Verschmutzung des Flusses an, indem er den Herren von der Müllabfuhr eine Bresche schlug: „Schont die Müllabfuhr – werft euer Glump in die Ilm!“ Denkt man da nicht schon wieder an die Züge im Norden“ Warum soll Pfaffenhofen nicht wieder dazu in der Lage sein, nicht nur Schnapsstände aufzubauen, sondern auch einen Gaudiwurm durch die Straßen der Innenstadt zu ziehen“ Sicher würde die Stadtverwaltung als übergeordneter Organisator wie in den 50ern dann einen legendären Aufruf an die Teilnehmer lancieren: „Bitte rechtzeitig am Aufstellungsplatz eintreffen, damit vorher noch Stärkungswasser in Empfang genommen werden kann.“ Sic, da hamma’s schon wieder: Stärkungswasser!
Was sein muss, muss eben sein. Trotz allem: Auch heuer wird es wieder richtig losgehen, und die Unerbittlichen werden schon vor zwölf auf dem Hauptplatz warten, bis, wie sollte es anders sein, vor dem Rathaus die Musi’ spielt. Am Faschingsdienstag, dem 5. Februar, von 13.30 bis 18.30 Uhr soll es nämlich auf dem Hauptplatz wieder richtig umtriebig werden – faschingsmäßig eben. Auf der Bühne auf dem unteren Hauptplatz treten Tanzgruppen, Kinder- und Prinzengarden auf. Zwischen Rathaus und Marienbrunnen werden außerdem viele Vereine und Gastronomen mit ihren Imbiss-, Süßwaren- und Getränkeständen für das leibliche Wohl der Faschingsfans sorgen.
Büchsenwerfen für die Narren
Zudem können die Närrinnen und Narren beim Büchsenwerfen ihre Zielsicherheit testen. Wollten wir es übertreiben, könnten wir die, die auf Grund unkontrollierten Alkoholgenusses nicht mehr treffen, einfach bitten, sich selbst des Feldes zu verweisen. Schließlich will die Stadt einen vernünftigen Faschingsausklang feiern, und die Erwachsenen könnten doch den Kindern zeigen, wie heiß närrisches Treiben sein kann und dass die Hände nicht am Schnapsglas kleben bleiben müssen. Die kleinen Maschkera sind nämlich auch eingeladen. Für sie werden auf dem oberen Hauptplatz ein Kinderkarussell und die Ponyreitbahn aufgebaut. Dazu hat die Stadtverwaltung festgelegt, dass beim Faschingstreiben nichtalkoholische Getränke billiger angeboten werden müssen als Bier und Schnaps. Alternativen sind also da, und am Vormittag schon steht der Fischwagen am Marienbrunnen, um den beliebten Aschermittwochs-Fisch anzubieten. Denn am Aschermittwoch ist alles vorbei.
Halt, nicht alles! Es stehen ja Wahlen vor der Tür, und da kann es durchaus sein, dass das närrische Treiben seine Fortsetzung findet. Vielleicht werden wieder Grabsteine auf den Platz transferiert, und das Pflaster, das noch gar nicht existiert, wird die Gemüter weiter erregen. Versunken betrachtet der Faschingsgast den Hauptplatzboden und sinniert, wie er vermeiden kann, dass hier irgendwann ein von Kinderhand gemeißelter Stein zum Liegen kommt, während sich an der Naht seines edlen Designer-Kostüms gerade ein Faden löst, den auf der anderen Seite des Planeten die zarten Hände eines Mädchens hoffentlich fachgerecht gezogen haben. Gibt es einen Wahlkampf mit Pflastersteinen?
Am Aschermittwoch, wenn alle den Kopf wieder frei haben, geht’s dann richtig los. Möglicherweise hat man ja schon vorher die Idee, das Treiben am Faschingsdienstag auf der gesperrten „guten Stube“ der Stadt als Testsituation für die Verkehrsführung um den Hauptplatz herum zu betrachten. Das Testergebnis hätte wohl keine Signifikanz: Am Faschingsdienstag ruht der Verkehr, und zudem bietet das Treiben noch einen Vorteil: Es darf geraucht werden. Dann also Helau und hinein ins Vergnügen!