Die Arbeitslosigkeit im Landkreis tendiert zur Vollbeschäftigung, der alte Bahnhof erstrahlt in neuem Glanze und das Pfaffenhofener Stadtsäckel ist prall gefüllt – das muss gefeiert werden, am besten bei Starkbier und Krustenbraten. Ein zünftiges Idyll. Doch wie ist das mit dem Idyll zumeist“ Trügerisch, genau, und schon schneidet die erste Pointe durch die rauchgeschwängerte Festhallenluft, um gnadenlos das falsche Antlitz zu enthüllen.
Der echte Pfaffenhofener ahnt, welche Szenerie hier beschrieben wird: die Stachelbären treten pünktlich zur Starkbierzeit wieder auf die Bühne in Stockers Festhalle an der Trabrennbahn. Bereits zum neunten Mal sorgen sie mit ihrem Kabarett-Programm „Mir, Ihr und Bier … auf der Trabrennbahn“ dafür, dass ihre Stacheln nicht nur der königlich-bayrischen Staatspolitik ein Dorn im Hintern der großen Aussitzer sind, sondern auch die Lokal-Politik einmal jährlich ihr Fett wegkriegt. Besonders reizvoll dabei: da die Abende in der Festhalle im Verbund mit den Dellnhauser Musikanten und Reinhard Haiplik zu den Highlights des Jahres gehören, muss sich auch die politische Lokalprominenz hier zeigen. Jeder kann dann sehen, wer von den Abgestraften es schafft, seine gute Mine nicht zu verlieren, und wem es zuviel wird. Den Titel „Stockerberg“ hat sich die Veranstaltung also wahrlich verdient.
Bürgermeister Hans Prechter musste als Stadtoberhaupt sowieso anwesend sein, schließlich war er für den Anstich verantwortlich, der vor Beginn des Kabaretts über die Bühne ging. Da war der Bürgermeister auch noch bester Laune und ließ nach drei Schlägen den Gerstensaft erfolgreich sprudeln. Zu diesem Zeitpunkt konnte er sich aber schon nicht mehr sicher sein, die gute Stimmung zu behalten. Die stechenden Hiebe der letzten Jahre waren ihm sicher noch gut in Erinnerung und so meinte er auch in Richtung Publikum mit einem leicht gequälten Lächeln: „Na, mal schauen, was heut‘ noch kommt.“
Dass die lokalen Politgrößen nicht umsonst gezittert hatten, bewiesen die Stachelbären gleich in den ersten Minuten mit wilden Rundumschlägen gegen die Querelen der Hauptplatzgestaltung, das Chaos am Bahnhof und das Tauziehen um den dritten Notarztwagen für den Landkreis. „Planung ist in Pfaffenhofen doch ein Fremdwort.“ Dieser stachlige und eher bierernste als ironisch gemeinte Spruch erntete den ersten begeisterten Szenen-Applaus und bezog sich natürlich auf die Bauarbeiten rund um den Bahnhof. „Baupläne gibt’s in Pfaffenhofen, damit man nachher schauen kann, was man vorher vergessen hat.“
Selbst die Nachfolge von Bürgermeister Hans Prechter diskutierten die Stachelbären eifrig auf der Bühne. Für einen Kronprinzen sei in Pfaffenhofen doch längst gesorgt. Gespannte Stille im Publikum, die sich dann in schallendes Gelächter auflöst, als die Stachelbären ihren Tipp bekannt geben: „Franz Schmuttermayr.“ Wahrscheinlich aber wolle Prechter, so die Stachelbären weiter, die Fertigstellung des Hauptplatzes noch unbedingt als Stadtoberhaupt erleben. Das bedeute dann aber wohl, Prechter bleibt bis 2024.
Doch nicht nur die Lokalpolitik, auch typische Stadtszenen, wie man sie sich in Pfaffenhofen vorstellen könnte, nahmen die Bären aufs Korn. Herrlich der Dialog zwischen einem prolligen Weibsbild und einem lokalen Literatur- und Kulturvergeistigten. Er versucht sie mit geistigen Ergüssen zu betören. Sie aber schwärmt von ihrem Freund und dessen Begeisterung für deftige Volksfestprügeleien. So schön also kann man in Pfaffenhofen aneinander vorbeireden und -leben.
Ihre lokal und global wildernden Kabarett-Streifzüge brachten den Stachligen in Bayern schon lange vor Bruno den Ruf als Problembären ein. Egal, ob geächtet von der Politik zwecks Majestätsbeleidigung der bayrischen Ikone FJS oder vom Heimatblatt mit Nichtbeachtung gestraft aufgrund krittelnder Hiebe gegen dieses – die Stachelbären ließen sich nicht beirren und konnten bis heute von den Jägern und Schergen der über den Freistaat wachenden Ministerien nicht erlegt werden. Im Gegenteil, ihr Ruhm wuchs unaufhörlich. Auftritte bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft oder in der renommierten Drehleiher zeugen davon. 1995 wagten Pfaffenhofener Stadtpolitiker mit der Verleihung des Kulturförderpreises gar „einen Annäherungsversuch.“ Dass die Stachelbären sich nicht verfangen, dass sie von ihrem jetzigen internationalen Programm „Hotel Europa“ problemlos auf Lokales umschalten können (Stachelbär Volker Bergmeister: „Da hilft auch die Routine.“) und die Kommunalpolitik gewarnt sein sollte, das haben die Stachelbären bei der Premiere ihres Programms wieder unter Beweis gestellt.
Sie selbst waren sich da scheinbar nicht so sicher. Denn wer die Festhalle in der Pause verließ, konnte von Außen in den Backstage-Raum hinter der Bühne blicken. Angespannt und konzentriert lief Volker Bergmeister dort auf und ab, die noch recht frischen und nach der Pause folgenden Texte nochmals rezitierend. Michael Eberle nutzte die Pause, um draußen schnell eine Zigarette zu rauchen. Einen vorbeikommenden Zuschauer fragte er unsicher, obwohl ihm dieser zur ersten Hälfte des Programms gratuliert hatte: „Wie kommt‘s an, wie ist die Stimmung im Saal““ Hier sei es ihm nochmals versichert. Gut war sie, deftig, aufgeheizt und aufgestachelt. Julian Knapp