von Lorenz Trapp
Am Anfang stehen, wie immer, zwei Worte: „O’zapft is’!“ Dann nimmt das Schicksal seinen Lauf. Das Volksfest öffnet seine Tore (und hält sie selbstverständlich sperrangelweit offen vom 6. bis zum 17. September 2013). Selbst schuld ist, wer sich nicht verführen lässt von den Gerüchen, die die Nasen in Richtung „Wies’n“ lenken wollen. Steckerlfisch und gebrannte Mandeln, Zuckerwatte und Brathendl, eine einzigartige Mischung, die in der Luft schwebt und die Phantasie beflügelt – und von den immer moderner, schneller und waghalsiger werdenden Fahrgeschäften auf den wackligen Boden der Tatsachen zurückgestaucht wird. Und das, was wohlwollende Bierdimpfl ehemals Bierzelt nannten, ist mittlerweile ein zweistöckiger bavarischer Tempel, dem edlen Gerstensaft geweiht.
Erfahrungsgemäß schmeckt die dritte Maß noch besser als die zweite, und die Nachbarn am Tisch werden sympathische Leute. Auf der Bühne lädt die „Musi“ zum Schunkeln ein, und ewig möchte man weiterschaukeln auf der gar nicht mehr so harten Bank, wenn nicht – dem Tempelherrn sei Dank – die Kapelle auch mal „ein Prosit der Gemütlichkeit“ spielen würde, denn da braucht man seine Arme wieder für die Maß, und urplötzlich und schluckend überrascht man sich dann selbst: Jetzt ist sie doch tatsächlich da, die Gemütlichkeit.
Aber früher war’s auch schön. Jünger war man halt, und ins Bierzelt kam man nur, wenn man vom Opa oder den Eltern einen finanziellen Nachschub organisieren musste. Da hat dann grad eine junge Dame von Liebesleid und Weh gesungen, oder vielleicht ein Lied von den Bergen. Egal. Man musste wieder raus. Schließlich wartete draußen am Auto-Scooter dieses Mädchen mit den braunen Haaren. Widerspenstig waren sie, die Haare und das Mädchen, aber wunderschön, und mit einer neuen Fahrt sollte alles besser werden. Heute wundert man sich, dass das unkontrollierte Heben des Hinterns beim Zusammenstoß dieser elektrischen Kleinwagen so viel Freude machen konnte – und so viel Glück stiften. Verliebter als aus dem Volksfest kam man nirgends heraus. Es sei denn, die Angehimmelte wollte drei, vier, fünf Mal hintereinander Schiffschaukeln und vorher noch Zuckerwatte essen. Trotzdem, als Junger kam man da schon durch, und Seemann wollte man ja eh nicht werden.
Apropos Seemann: Der Herr, der sich auf unserem Bild die Hand vors Gesicht hält, ist Bürgermeister Thomas Herker. Gerüchten zufolge ließ er sich während seines Urlaubs, den er auf einer Insel, also quasi auf See verbrachte, einen Seemannsbart wachsen. Wir sind gespannt, ob sich der Seebär bis zum offiziellen Anzapfen hält oder sich doch alles in Wohlgefallen und Seemannsgarn auflöst. Nochmal egal.
Kennen Sie den Unterschied zwischen Seemannsgarn, Jägerlatein und Schauermärchen? Es gibt keinen, und wenn ich den alten Reichskanzler Otto von Bismarck falsch zitiere, brechen herrliche Zeiten an: „Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Volksfests und nach der Jagd.“ Mit der Jagd kenne ich mich nicht aus; aber bald haben wir Volksfest, und bald haben wir Wahl. Sie wissen schon, Landtagswahl, 15. September, eine komplette Woche Volksfest vor der Wahl! Wohin also mit den Mandatsjägern?
Die Welt ist gerecht, am gerechtesten ist die Wahlprognose, und weil wir heuer gleich drei Bierzelte haben, verteilen wir die Damen und Herren unserer Wahl nach Stimmenanteil – über den Daumen gepeilt proportional zum Fassungsvermögen des Tempels. Karl Straub zum Stiftl; Markus Käser zur Stockerhof-Schänke; Claudia Jung und Kerstin Schnapp in die Weißbierhütte; Andreas Peter, Stefan Gröller, Rainer Daschner und Richard Fischer müssen sich ihr eigenes Zelt mitbringen. Sollte ich jemanden vergessen haben, nicht traurig sein: Auto-Scooter-Fahren kann wunderbar erleichtern.
Ach ja, Sie wissen schon noch, dass Prognosen zu Schall und Rauch werden können? Genau, Sie nämlich haben das letzte, das entscheidende Kreuzerl in der Hand, und das sollte nicht das letzte auf Ihrem Bierdeckel sein. Wer die Wahl hat, der sollte auch! Und dann ein Prosit!