Kunst im öffentlichen Raum“ hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten zu einem traditionellen Phänomen auf Straßen und Plätzen unserer Städte entwickelt, um das Leben aller Menschen durch die Begegnung mit einem kulturellen Angebot zu bereichern. Amtsgebäude mit „Kunst am Bau“ zu schmücken, ist durch die Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 zu einem öffentlichen Auftrag geworden, als man nach dem 1. Weltkrieg die wirtschaftliche Not bildender Künstler lindern wollte.
Dass jedoch staatliche Behörden, die mit solchem Metier nur wenig oder allenfalls indirekt zu tun haben, ihre Besucher mit der Präsentation von Kunst beglücken, ist eine noch sehr junge Installation unserer Zeit. Das Finanzamt Pfaffenhofen gehört ohne Zweifel zur Avantgarde derartigen Fortschritts und ist in seiner Art der Vermittlung hierzulande wohl einzigartig.
Kulturtempel seit 2004
Als das neue Gebäude 2004 an der Schirmbeckstraße 5 fertiggestellt war, hatte man nicht nur der Raumnot der in dieser Dienststelle arbeitenden Staatsdiener Abhilfe geschaffen, sondern auch einen Kulturtempel errichtet und damit der Kreisstadt Pfaffenhofen in ihrem Mangel an Präsentationsmöglichkeiten für bildende Kunst einen außerordentlich wichtigen Dienst erwiesen. Denn diese verfügte bis dahin ja nur über wenig geeignete und allenfalls sporadisch nutzbare Klassenräume im Erdgeschoss einer ehemaligen, bis heute sehr vielseitig genutzten Mädchenschule, die 1979 in „Haus der Begegnung“ umgetauft worden war. Erst 2006 gelang es auf Grund vielseitiger druckvoller Initiativen, einer großzügigen Spende der Sparda-Bank und der Eigenleistung von Künstlern, da etatmäßige Mittel nicht genehmigt wurden, einen dieser Klassenräume in eine ständige städtische Galerie umzuwandeln. Trotz einer für die Kultur aufbereiteten Fabrikhalle gibt es bis zum heutigen Tag in Pfaffenhofen kein einziges Gebäude, das den im neuen Finanzamt vorhandenen vorzüglichen Bedingungen für die Präsentation bildender Kunst nur annähernd gleichkommt: Umfangreiche Wandflächen in den großzügigen Foyers und breiten Gängen von vier Etagen, günstige Lichtverhältnisse, ein vorzüglich ausgestatteter Vortragsraum, ein heller, geschmackvoll angelegter Innenhof und ein weites Gartengelände für Skulpturen, genügend Parkplätze für Besucher usw. Das sind die Voraussetzungen dafür, dass nun im dreizehnten Jahr nach Bezug dieses Gebäudes mit der 50. Kunstausstellung ein Jubiläum gefeiert werden kann.
Manuela Clarin: “Moderne Kommunikation“
Für den gegenwärtigen stellvertretenden Amtsleiter Franz Peter, Initiator und Kurator dieses Projekts, und seinen Kunstkreis aus Kolleginnen und Kollegen sollte die Organisation dieses Events im Laufe der Zeit zu einem Akt der Selbstbestätigung ihrer außerdienstlichen gemeinnützigen Arbeit geworden sein. Sie müssen sich seit langem nicht mehr darum bemühen, Künstlerinnen und Künstler in ein Finanzamt zu locken. Der ausgezeichnete Ruf, der den Ausstellungen, die jährlich viermal über die Bühne gehen, vorauseilt, hat zu einem Überangebot von Interessierten geführt. Wenn auch nach wie vor bei deren Auswahl Landkreis und Region besondere Berücksichtigung finden, so gastierten im Laufe der Zeit auch immer wieder international bedeutende Protagonisten aus ganz Europa, ja der ganzen Welt mit ihren Werken in der Schirmbeckstraße in Pfaffenhofen. Neben hiesigen Schulen, Kunst- und Fotokreisen präsentierten Nachwuchskünstler und profilierte Kunstschaffende aus Ungarn und Italien ihre Werke, eine internationale Künstlergemeinschaft führte unter dem Neologismus „Orgtecnocity – Ambiente und Gemeinschaft“ eine Baustelle von visionären Ideen einer utopischen Stadt mit ihren zukünftigen Lebensverhältnissen vor Augen. Diese Wanderausstellung nahm von hier aus ihren Weg durch die ganze Welt. Akribische Vielfalt der Genres „Bildende Kunst“ und „Fotografie“ kennzeichnete allenthalben die Vergangenheit.
Die 50. Kunstausstellung steht demzufolge auch unter dem Thema „Pfaffenhofen, mitten in Bayern und mitten in Europa“ und versteht sich somit als eine Art von Rückschau, Synthese und Bilanz vergangener Präsentationen. 19 Mitglieder der „Vereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler – Fachgruppe Bildende Kunst in ver.di Bayern“ (VBK), die in München beheimatet ist und sich mit ihrer Initiative „Kunst, Kultur, Respekt“ gegen jeglichen Rassismus wendet, werden mit etwa 50 Exponaten vertreten sein. Die Organisation obliegt ihrem Kontaktmann Serio Digitalino, dessen Werk bereits in mehreren Ausstellungen in der Kreisstadt zu sehen war. Zuletzt begeisterte er Viertklässler der hiesigen Grundschulen mit seinem Projekt „Kunst schafft Gemeinschaft“, wobei von den Kindern Bilder zu ihrer Heimatstadt geschaffen und hernach im Rathaus vorgestellt wurden. Seit 1977 lebt der vielseitige Süditaliener aus Matera (Provinz Basilicata) in München. Eine zweite Abteilung werden ca. 75 Künstlerinnen und Künstler aus dem Landkreis, aus Bayern, Europa und anderen Kontinente bilden, die in den letzten zwölf Jahren an den Ausstellungen im Finanzamt beteiligt waren.
Hermann Kreileder: „Finanzamt“
Da finden sich zahlreiche allenthalben bekannte Namen darunter, die seit Jahren zur Pfaffenhofener Kunstszene gehören: Gabriele Beer, Max Biller, Beatrix Eitel, Clemens Fehringer, Barbara Hantel-Gaugler, Robert Herzog, Ernst Hillisch, Helga John, Ingrid Kreidenweis, Alexander und Hermann Kreileder, Gerhard Kreitmair, Rita Möderle, Doris Prütting, Anton Ritzer, Rainer Schlamp, Angelika Schweiger, Sophie Spieß, Susanne Spieß-Geiser, Klaus Tutsch, und nicht zuletzt Heike und Manfred Habl u. v. a. Da begegnet man mit Joachim Graf, einem Holz- und Linolschneider aus München, mit dem Grafikdesigner Peter Syr und der Malerin Christine Nkrumah in Pfaffenhofen ganz neuen Namen. Mit Gemeinschaftsarbeiten sind Regens Wagner und die Grund- und Mittelschule aus Hohenwart, die Realschule Manching und das Schyren-Gymnasium vertreten. Sie präsentieren dem Besucher neu entstandene Werke zum o. a. Rahmenthema. Dass es bei solcher Vielzahl auch an der Vielfalt von Motiven und Stilformen nicht fehlt, versteht sich. Eine nicht ganz leichte Aufgabe für die einstigen Kunsterzieher am Schyren-Gymnasium, Manfred Leeb und Heribert Washuber, selbst aktive Künstler, für diese Jubiläumsausstellung eine adäquate Komposition und Anordnung der Exponate zu finden!
Ernst Hillisch: „180° Pfaffenhofen“
Die neue Amtsleiterin, Eva Ehrensberger, die im Juni letzten Jahres ihren Dienst in Pfaffenhofen antrat, hat nicht nur eine Finanzbehörde mit 130 Mitarbeitern, sondern zugleich ein Haus übernommen, in dem nicht nur die Verwaltung von Steuern, sondern auch Kunst und Kultur zwischenzeitlich zu einem Emblem geworden sind. Über seine grundsätzliche Funktion hinaus unterbreitet es der Öffentlichkeit mit seinen Ausstellungen ein verlockendes und anregendes Angebot. Für manchen Besucher werden damit vielleicht auch gewisse Barrieren abgebaut, wenn er es betritt. Mit Sicherheit leistet es aber einen Beitrag bei der Zusammenführung und Integration von Menschen in Pfaffenhofen und über die bayerischen Grenzen hinaus bis nach Europa, wenn durch die Kunst vielfältiges kulturelles Gedankengut vermittelt wird. Bei der Eröffnung durch die Amtsleiterin und durch den früheren Kulturreferenten der Stadt Pfaffenhofen, Hellmuth Inderwies, wird gerade das Rahmenthema der Jubiläumsausstellung sicherlich eine besondere Rolle spielen.
Dauer der Ausstellung: 27.01.2017 bis 31.03.2017. Sie kann ansonsten zu den üblichen Öffnungszeiten des Servicezentrums des Finanzamts, werktags von 7.30 Uhr bis 14.30 Uhr, am langen Donnerstag bis 17.30 Uhr und am Freitag bis 12.30 Uhr oder zusätzlich nach telefonischer Anmeldung und Absprache besucht werden.
Barbara Hantel-Gaugler: „Pfaffenhofen“
Text: von Hellmuth Inderwies