Von der einzigen Pfaffenhofnerin bei den G8-Demos, den möglichen Gründen für das lokale Desinteresse und den Ansichten im Stadtrat
von Julian Knapp
Kein einziger der zehntausenden Polizisten, die aus ganz Deutschland zum Schutz des umzäunten G8-Gipfels in Heiligendamm zusammengezogen werden, kommt von der Dienststelle Pfaffenhofen. Das versicherte Dienstellenleiter Robert Brenner. Bei den Demonstrationen auf der anderen Seite des Zauns von Heiligendamm wird Pfaffenhofen zumindest durch eine Person vertreten sein. Die 20-jährige Hanna Schratt will gemeinsam mit einer Freundin aus München an den Protesten teilnehmen. „Weil es wichtig ist, dass wir zusammen- und besonders zu den benachteiligten Ländern in der 3. Welt halten. Die G8 hat ihnen gegenüber lange Zeit eine unfaire Wirtschaftspolitik gefördert“, erklärt Hanna ihre Motivation. Außerdem hofft sie auf regen Austausch mit anderen Globalisierungskritikern, und auch die Forderung nach konsequentem Klimaschutz ist Hanna Schratt als Vorsitzende der Grünen Jugend in Pfaffenhofen im Rahmen der Proteste wichtig.
Für ihre Ansichten und ihr Auftreten im Punker-Outfit werde sie nicht nur von Erwachsenen in Pfaffenhofen oft schief angesehen. Auch Gleichaltrige würden sie als Öko mit völlig übertriebenen Ansichten abtun. „Is‘ doch alles nicht so schlimm“, „Da kannst du doch eh nix dran ändern“ und „Aha, für sowas interessierst die sich also“ – das seien unter den negativen Reaktionen auf ihr Engagement die typischsten Kommentare. Eine Umfrage unter den Stadträten Pfaffenhofens zum Thema Heiligendamm lässt fast den Eindruck entstehen, die Erwachsenen hätten mehr Verständnis für Hannas Engagement.
SPD-Frau Erika Thalmeier hält die Sicherheitsmaßnahmen beim G8-Gipfel für übertrieben, was sie „bei dem Innenminister“ aber auch nicht verwundere. Überhaupt gehe die Bundes-SPD bei der inneren Sicherheit zu viel Kompromisse ein. Auch Reinhard Haiplik von der ÖDP glaubt, trotz Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis in Heiligendamm, eine Neigung zu übertriebenen Maßnahmen zu erkennen. Er warnt vor einer Aushöhlung der Grundrechte: grundsätzliche Demonstrationsverbote stünden der demokratischen Nachkriegstradition entgegen. Hellmuth Inderwies von den Freien Wählern wägt ebenfalls ab. Eine größere Transparenz der G8-Gipfel wäre gut. Und obwohl eine Abstimmung der wirtschaftlich stärksten Nationen untereinander Sinn mache, dürften diese nie den sozialen Gedanken außer Acht lassen, wirtschaftlicher Imperialismus könne vermieden werden. Auch CSU-Fraktionsführer Theo Abenstein steht den Demonstranten und ihrer Kritik grundsätzlich offen gegenüber. Nur sollten sowohl Demonstranten als auch besonders die Medien darauf achten, bei der Berichterstattung wirklich die Inhalte der Globalisierungskritiker zu transportieren und nicht emotional aufgeladene Bilder von eskalierender Gewalt, wie gerade in Hamburg geschehen. Am deutlichsten sympathisiert mit den Gipfelkritikern natürlich die grüne Stadträtin und Mutter von Hanna, Monika Schratt. Sie ist sich sicher: „Die überzogenen Sicherheitsmaßnahmen ziehen Gewalttäter doch erst an.“
Um das Wohl ihrer Tochter bei den Demos macht sich Monika Schratt keine zu großen Sorgen. „Die Hanna ist schlau genug, sich von den falschen Leuten dort fernzuhalten.“ Sie selbst fährt nicht nach Heiligendamm. Ihre Generation habe viel demonstriert, jetzt sei die Jugend dran. Doch wo bleibt diese in Pfaffenhofen. Die „üblichen Verdächtigen“ kommen nicht in Frage, denn eine Attac- oder Antifa-Gruppe gibt es nicht in der Stadt. Auf eine Anfrage im stark frequentierten Internetforum Pafnet kommt lediglich der Tipp: „Frag doch mal bei der Grünen Jugend.“ Aufschlussreicher erweist sich der Versuch, im Pafnet-Forum „Kultur/Politik“ angesichts von Sonderbussen aus vielen bayrischen Kleinstädten provokant nach den Gründen für die geringe Beteiligung in Pfaffenhofen zu fragen: “ (…) was ist mit Euch anderen“ Widerstand zwecklos“ Zu weit“ Zu teuer“ Zu viel Polizei““
„Zu wenig Konstruktivität“, meint der User „Kampfbrot“ daraufhin. Ein anderer weist auf die Schnüffelproben-Methoden im Vorfeld hin. Da hätte man den Aufruf im Forum leicht für eine getarnte Polizeimaßnahme halten können. Dann meldet sich der User „Bandit“, der im Foren-Bereich „Kultur/Politik“ sehr aktiv und politisch eindeutig zu verorten ist. Offen bekennt er dort, Gewerkschaften zu hassen. Bei der Telekom gehe es bergab, da deren Arbeiter „lieber daheim grillen wollen anstatt zu malochen.“ Bewußt wurden in dem für diesen Artikel initiierten Forum einige Seitenhiebe auf „Bandit“ abgegeben, und so dauert es nicht lange, bis er sich empört zu Wort meldet. Am interessantesten ist seine Begründung für die geringe Demo-Beteiligung: “ (…) warum sich hier niemand findet“ Hier wohnen halt nur rechtsschaffene bürger“. Besonders lustig und vielleicht freud‘scher Natur erscheint der Tippfehler „rechtsschaffene“.
Hannah Schratt erklärt sich derartige Einstellungen damit, dass manche Altersgenossen zu sehr verwöhnt seien. „Die glauben, es läuft alles immer so weiter, und suchen nur für sich das Beste.“ Sie aber hat gerade erst erlebt, wie Proteste wirken können. Eine Demo in München gegen Neuregelungen des Bafögs für Berufsoberschulen brachte zunächst ein Jahr Aufschub vor finanziell einschneidenden Änderungen. Durch die größere Aufmerksamkeit für die Themen der Globalisierungskritiker am Rande des G8-Gipfels hofft sie, auch mal die „reinen Pro7-Glotzer“ zu erreichen. Und was immer es auch bewegen möge, sie freue sich jedenfalls auf die Proteste, Veranstaltungen und Aktionen mit Gleichgesinnten.