Göbelsbacher Kunstfest feierte 25. Jubiläum

Globalisierungswahn und Veränderungssyndrom verleihen in der Gegenwart dem Kulturbegriff eine gänzlich neue Bedeutung, die vor allem auch den Charakter der Vermittlung von Kunst in sehr hohem Maße beeinträchtigt. Die Sucht nach absoluter Neuerung, vermeintlicher Aktualität und Progressivität sowie übertriebene Selbstgefälligkeit der Protagonisten stellen zusammen mit einem schwindenden geschichtlichen Bewusstsein die Pflege von Tradition ins Abseits.

Letzteres gilt heute durchaus auch für eine Vielzahl von noch regelmäßig unter gleichem Motto durchgeführten kulturellen Veranstaltungen. Oft spielen nur mehr ihr Augenblickseffekt und ihr wirtschaftlicher Stellenwert eine Rolle. Die Erinnerung an ihre ursprüngliche Intention und ihr Sinn und Zweck sind nicht selten verloren gegangen, ihr Name und ihre Bezeichnung zu einer für die Werbung missbrauchten Worthülse geschrumpft, ganz im Sinne von Johann Wolfgang von Goethe: „Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.“ (Faust I, V. 1976)

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Die Werkstatt des „Meisters“ Lenz Prütting

Wohltuend unterscheidet sich derzeit noch das jährliche „Kunstfest“ in Göbelsbach von nicht wenigen „kulturellen Eintagsfliegen“ der Stadt Pfaffenhofen. Zum 25. Mal ging es heuer auf dem „Troobartl-Hof“ der Künstlerfamilie Prütting über die Bühne, baute in diesem Vierteljahrhundert stets auf Bewährtes auf und hat in dieser Zeit auf solchem Fundament sichtliche Fortschritte gemacht und an „Vernunft und Wohltat“ hinzugewonnen. Man kann in bestem Sinne von einem Beispiel echter Kulturtradition sprechen, bei der ohne das Wissen um die Vergangenheit keine Gegenwart verständlich und keine Zukunft mit positiver Entwicklung möglich ist. Während der Glanz der goldenen und silbernen Medaillen des einst zu den schönsten Dörfern Bayerns und Deutschlands gekürten Ortes allmählich zu verblassen droht, hatte der historische Troobartl-Hof sein sonntägliches Gewand der Kunst angelegt und erstrahlte auch heuer auf seine ganz besondere Art und Weise.

In stilvoll restaurierten rustikalen Räumlichkeiten und in einem der schönsten und stets wieder mit neuen Elementen versehenen Privatgärten Bayerns huldigte man mitten in einer idyllischen Naturlandschaft denen, deren Werk Intuition, Wissen und Erkenntnis, Ästhetik, Kreativität und Können voraussetzt. Es handelte sich um 24 mit Bedacht ausgewählte Künstler aus der Region, aber auch von weit her, denen eine Möglichkeit geboten wurde, sich selbst und ihre vielfältigen niveauvollen Arbeiten bildender Kunst einem zahlreichen Publikum zu präsentieren: Keramik und Schmuck, Skulpturen, Trachten, sakrale und profane Gegenstände, Goldschmiede- und Holzarbeiten, Malerei usw. bildeten die verschiedensten Genres, gut auf einander abgestimmt. Und das geschah nicht in der Form üblicher trivialer Kunstmärkte, sondern im Stil eines wirklichen „Kunstfests“ mit dem entsprechenden Ambiente. Und es ist und war auch in der Vergangenheit deshalb eine besondere Hommage an die Kunst, weil hier an dieser Stätte die Bewohner und Eigentümer, Doris und Lenz Prütting, als Veranstalter selbst der Kunst untrennbar verbunden und verpflichtet sind.

Eine Scheune wurde in eine 
Ausstellungshalle verwandelt
Den Prolog dieses langjährigen Festivals bildete allerdings nach dem Erwerb der Immobilie im Jahr 1976 zunächst die Restaurierung des ziemlich verwahrlosten bäuerlichen „Troobartl-Hofs“, der allenthalben als eine ländliche Ruine angesehen wurde, und die Neuanlage des verwilderten Gartens, damit sie eine der Kunst würdige Gestalt annahmen. Nicht wenige sahen allein schon darin ein allzu gewagtes Abenteuer, das, wie man glaubte, die neuen Eigentümer überforderte und keinen erfreulichen Ausgang nehmen werde. Musste doch von ihnen das Gebäude trocken gelegt, eine Drainage gebaut, das Dach ausgebessert bzw. erneuert, eine Heizung installiert, ein Kuhstall in ein Wohnzimmer, eine Scheune in eine Ausstellungshalle mit Atelier und Werkstatt verwandelt werden usw. usw.

Als letztere vom Hausherrn fertig gestellt worden war, verschlug es vor Staunen einem sachkundigen Besucher derart die Sprache, dass er nur mehr imstande war, vor dessen „Kunstwerk“ den Hut zu ziehen. Man hatte allenthalben das handwerkliche Können und vor allem auch die Kondition des promovierten Theatermanns und Philosophen Lenz Prütting wie das Engagement und die Geduld seiner Familie gründlich unterschätzt. Und man hatte vor allem nicht vermutet, dass gerade Künstler einen Blick für Möglichkeiten besitzen, die auch noch in dem alten, nahezu verfallenen Bauernanwesen steckten. Gemeinsam haben sie in vielen Jahren für sich ein Künstlerheim und mit ihrer privaten Bürgerinitiative, so mag man es nennen, eine öffentliche Bühne für die Kunst geschaffen, die Aura und Atmosphäre besitzt und das Kulturleben Pfaffenhofens und der Region in all den Jahren in hohem Maße bereichert hat. Sie erfuhren dabei von keinem Sponsor, von keinem Bürgermeister oder öffentlichem Kulturamt, von keinem Kulturverein oder Kulturmanager – auch nicht für das jährlich veranstaltete Kunstfest – irgendeine Unterstützung.

Wert- und nutzlose Dinge als Impuls und Intuition für Malerei
Dass das Ehepaar selbst mit eigenen Werken einen wesentlichen Beitrag hierfür geleistet hat und leistet, gehört zu den weiteren Besonderheiten. Die Produktionsweise von Doris Prüttings Bildern ähnelt der Arbeitsweise ihres Mannes, als er bei der Restauration der Gebäude gewissenhaft darauf achtete, den alten Bestand so weit wie möglich zu erhalten und auch scheinbar Unbrauchbares zu sanieren und wieder mit einer Funktion zu versehen. Sie nutzt wert- und nutzlose Dinge, die achtlos weggeworfen oder entsorgt werden als Impuls und Intuition für ihre Malerei. Verformte Blechteile, abgenutzte Beilagscheiben, Stofffetzen usw. sind vielfach Ausgangs- und Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens und erhalten in neuem Zusammenhang einen neuen Sinn. Vielfach sind es auch alte Rahmen, zu denen sie, wie sie sagt, ein Bild malt und so eine Einheit von Bild und Rahmen schafft. Es entstehen auf diese Weise zumeist Werke, die den Betrachter in eine märchenhafte positive Traumwelt versetzen, ihn nostalgisch frühere Zeiten erleben lassen. Vorweg die auf die Leinwand gebannten warmen Farben des Bernsteins aus dem Samland, wo die Künstlerin herstammt, besitzen eine solche Wirkung. Dass ein Geisteswissenschaftler wie Lenz Prütting durchaus auch herausragende kunsthandwerkliche Fähigkeiten besitzen kann, zeigt sich beim Kunstfest vor allem an seinen mit großem Aufwand gefertigten Messern. Aus Norwegen oder Schweden bezieht er Klingen aus ausgewähltem Stahl und formt dazu stilvolle Griffe aus edlen Materialien. Die fertigen Produkte bestechen nicht nur durch ihre vollendete Form und ihre Ästhetik, sondern bewähren sich auch einzigartig bei der täglichen Verwendung in der Küche.

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Doris Prütting, Gebautes I

Aufrichtige Künstler, wie sie in Göbelsbach auftreten, sind Meister zielgerichteter Verwandlung herkömmlicher, traditioneller Gegebenheiten und sinngebende Erneuerer. Und eben das zeichnete auch das 25. Kunstfest auf dem Troobartl-Hof aus: Es unterschied sich in der Qualität des künstlerischen Angebots und in der heute oft recht flachen, einfallslosen und nur auf Sensation und Kommerz ausgerichteten Kunstvermittlung, der neben „nachhaltiger Kunst“ oft auch ein ansprechendes Ambiente fehlt. Wer beim Kunst- und Kulturbetrieb mit der Tradition gänzlich bricht, indem er neue Kulturvereine gründet, um alte in Vergessenheit geraten zu lassen, Museen einmottet, weil er unfähig ist, auf ihrer Basis Zeitgemäßes zu schaffen oder mit der Vergangenheit lediglich aus ideologischen Gründen bricht und sich selbst für den kulturellen Nabel der Welt hält, der gerät allzu leicht in den Ruch der Profillosigkeit und nimmt allenthalben einen Identitätsverlust leichtfertig in Kauf. Der Aphorismus des französischen Philosophen Jean Jaurès „Tradition heißt nicht, Asche verwahren, sondern eine Flamme am Brennen halten.“ gilt in ganz besonderem Maße für die Kultur eines Volkes.

(Text von Hellmuth Inderwies)