Der Hallertauer 2015 in neuem Erscheinungsbild

von Hellmuth Inderwies

Nicht nur der Euro, der am 1. Januar 2002 als Bargeld eingeführt wurde, braucht gegenwärtig aufgrund der Fälschungssicherheit, des Verschleißes und seiner Gestaltung wieder einmal ein neues Gewand. Inzwischen sind hierzulande auch einige regionale Währungen so sehr in die Jahre gekommen, dass ihre Gutscheine von Zeit zu Zeit ersetzt werden müssen. Denn sie besitzen, wie auch der „Hallertauer“, etwa das gleiche Alter.


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Dabei erscheint es auf den ersten Blick schon ein wenig paradox, dass man im Zuge der Globalisierung einen einheitlichen europaweiten Euro schuf und damit die lästigen Umrechnungstabellen in den EU-Ländern der Vergangenheit angehörten, gleichzeitig aber ein gänzlich entgegengesetzter Regionalisierungsprozess, der einer Vielzahl räumlich begrenzter Währungszonen einen unerwarteten Aufschwung erleben ließ, ausgelöst wurde. Im Chiemgau vollzog sich der Auftakt hierzu. Ein Lehrer griff zusammen mit seinen Schülern eine derartige Möglichkeit der Geldzirkulation auf, wie sie bereits in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise (1929) und der darauf folgenden Deflationspolitik wirksam praktiziert worden war und später, vor allem in Zeiten der DM, fast gänzlich in Vergessenheit geriet. Sie wollten auf diese Weise ihre Schule finanziell unterstützen: Euros wurden im Verhältnis eins zu eins gegen sog. „Chiemgauer“ eingetauscht und damit Rechnungen bei den für das Projekt geworbenen Unternehmen und Geschäften beglichen, die bei jedem Einkauf einen Teil ihres Umsatzes, der hierdurch eine erhebliche Steigerung erfuhr, der Schule spendeten. Heute kann sich der „Chiemgauer“ mit etwa 3000 Mitgliedern und über 600 Akzeptanzstellen als größte deutsche Regionalwährung präsentieren.

Als Manfred „Mensch“ Mayer zwei Jahre später, nämlich am 11. November 2004, den „Hallertauer“ ins Wirtschaftsleben der Region einführte, hatte er dieses wegweisende bayerische Modell als Beispiel vor Augen, wobei die Theorie von der „Sozialen Skulptur“, wie sie der deutsche Aktionskünstler und Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf, Joseph Beuys, aufgestellt hat, zum Impuls und zur Triebfeder seines Handelns wurde. Dessen erweiterten Kunstbegriff, dass jeder Mensch ein Künstler sei und als solcher in der Demokratie den gesellschaftlichen Prozess vorweg in Politik und Wirtschaft kreativ mitgestalten könne, ergänzte er mit der Devise „Jeder ist ein Hallertauer!“. In der Homepage seines Vereins für nachhaltiges Wirtschaften e. V. ist zu lesen: „Wie die fleißigen Bienen für ihre Gemeinschaft Honig erzeugen, so erzeugen die Mitglieder der Sozialen Skulptur HALLERTAUER als Mittel und Medium ihrer Gemeinwohlwirtschaft ihre – im wahrsten Sinne des Wortes – GUT(e)SCHEIN(e), die HALLERTAUER.“ Und eben diese Gutscheine bieten die Chance, die regionalen Lebensbedingungen mitzugestalten und ihnen zu einer höheren Qualität zu verhelfen.

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Sie dienen dazu, dass das Geld und damit die Kaufkraft dem regionalen Wirtschaftsraum mit seinen kleinen und mittelständischen Unternehmen erhalten bleiben und ihn beleben und nicht in nationale oder globale Großkonzerne bzw. Finanzmärkte abwandern. Und sie können der Intensität ihres Einsatzes entsprechend auch dazu beitragen, dass Arbeitsplätze und Erwerbsmöglichkeiten vor Ort gesichert werden, zumal das Geld sich in ständigem Umlauf befindet und nicht z. B. auf Grund von Zinserträgen bei Banken gehortet wird oder lediglich Spekulationsobjekten an der Börse dient. Zudem wird damit eine gewisse Unabhängigkeit von überregionalen Prozessen besonders in Zeiten globaler Wirtschaftskrisen erreicht, die Vernetzung der Unternehmen intensiviert und auch die Identität der Bevölkerung mit den eigenen heimatlichen Lebensverhältnissen gestärkt. In der Tat kann eine Regiowährung auf diese Weise sowohl zielgerichtete Ergänzung wie auch Alternative in einem begrenzten Wirtschaftsraum zum Euro sein.

In etwa 125 Geschäften und Betrieben (s. Homepage des Vereins: www.hallertauer-regional.de) wird der „Hallertauer“ (H), den man im Verhältnis 1:1 gegen den Euro eintauschen kann (2 % dienen der Deckung der Unkosten für die komplette Organisation und Abwicklung der Regiowährung), gegenwärtig als Zahlungsmittel entgegengenommen. Auf dem hiesigen Geldmarkt befinden sich derzeit 264235 H, die bei dreimaligem Umlauf etwa 790000 Euro an den regionalen Wirtschaftsraum binden. Dies schafft über den Beitrag der Unternehmen, die Um­laufsicherungsgebühr (Zum Quartalsende verliert der Hallertauer 2 % seines Wertes, die durch den Kauf von Quartalsmarken beim Verein wieder ausgeglichen werden können.), sowie den Verlust beim Rückkauf von Euros etwa drei Prozent an Geldwert, der als Fördermittel kulturellen, sozialen und ökologischen Projekten dient. Diese steigerten sich von Jahr zu Jahr.

Bisher gingen fast 7.500,– H/Euro an gemeinnützige Verbände, soziale Einrichtungen, Sport- und Kunstvereine, Jugendparlament und Kindergärten usw. und kamen nicht zuletzt dem Aufbau eines InterKulturGartens zugute. An seiner Gestaltung kann im Sinne der ethischen Ausrichtung der Permakultur, die als Grundprinzip ein ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiges Wirtschaften proklamiert, jeder mitwirken und an ihm teilhaben und so nach Joseph Beuys sein eigentliches Kapital, nämlich Kreativität, nutzbar machen. Ehrfurcht und Achtung vor der Natur, die Verpflichtung sie zu schützen und zu pflegen und in harmonischer Symbiose mit ihr zu leben und daraus Gewinn zu ziehen, bilden das Resümee, das die Gartenregeln fordern. Dieses interkulturelle Projekt wird im Rahmen der Kleinen Landesgartenschau auch in besonderem Maße das Motto „Natur in der Stadt Pfaffenhofen 2017“ in Erscheinung treten lassen. Weil es zudem das Gemeinschaftsgefühl und den menschlichen Zusammenhalt der Beteiligten außerordentlich stärkt, ist es gegenwärtig das Kernstück jener Sozialen Skulptur, wie sie Joseph Beuys definiert hat.

Enge innere Bindung an die Hallertau
Deren idealistischen Zielsetzungen entspricht auch die stilvolle Gestaltung der bisherigen Gutscheine in vollem Maße. Dass bislang als Thematik die Kunst im Mittelpunkt stand, versteht sich angesichts des geistigen Vaters von selbst. Auch das neue Regiogeld lässt Künstler in Erscheinung treten, die eine enge innere Bindung an die Hallertau besitzen, sich mit ihr identifizieren und hier allenthalben bekannt sind (s. Bilder!). In der Vernissage zur Ausstellung „Hallertauer  –  Gut(e)-Schein(e)-Serie 2015“ werden ihre Werke am Freitag, 6. März 2015, um 19.30 Uhr im Festsaal des Rathauses vorgestellt (Laudator: Hellmuth Inderwies). Der erweiterte Kunstbegriff von Joseph Beuys, dass Künstler nicht nur der ist, dessen schöpferische Arbeit den schönen Künsten gilt, sondern ein jeder, der sich um das Gesamtwohl der Gesellschaft und ihres Lebensraums aktiv und nachhaltig bemüht, wird hierbei eine zentrale Rolle spielen.