In der Gegenwart trägt die Kunst allzu viele Gesichter zur Schau, die sehr schnell verblassen und in Vergessenheit geraten, weil sie lediglich den Modegeschmack ihrer Zeit zum Ausdruck bringen. Vieles von dem, was heute an Malerei und Bildhauerei, an Literatur und Musik usw. auf den Markt geworfen wird, besitzt nicht selten das Wesen einer Eintagsfliege. Seine Bedeutung überdauert oft kaum die Lebenszeit des Künstlers oder fällt spätestens in der Nachwelt unversehens durch das Raster zeitloser kritischer Wertnormen.Kunst muss Denkanstöße geben und motivieren, sie ist Triebkraft des Geistes und Erbauung der Seele. Und eben das kennzeichnet jenes Happening, das ihr zu Ehren jährlich auf dem Troobartl-Hof in Göbelsbach über die Bühne geht. Es ist eine Hommage an seriöses und aufrichtiges künstlerisches Schaffen, kein obligater Kunstmarkt, sondern in der Tat ein Kunstfest. In stilvoll restaurierten rustikalen Räumen und einem der schönsten und stets wieder mit neuen Elementen versehenen Privatgärten Bayerns huldigt man jenen, deren Werk Intuition, Wissen und Erkenntnis, Ästhetik und Kreativität und vor allem auch handwerkliches Können voraussetzt.
Eigentlich dachte das hier beheimatete Künstlerehepaar Doris und Lenz Prütting im letzten Jahr daran, dieses Meeting der Kunstfreunde, das zu den herausragenden Veranstaltungen des Pfaffenhofener Kulturkalenders gehört, mit dem 25jährigen Jubiläum zu beenden. Man ist ja doch in einem Alter angelangt, in dem Gemeindienste solchen Ausmaßes gewiss nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit betrachtet werden können. Denn die Vorbereitungen hierfür sind sehr umfangreich. Gilt es doch, 20 bis 30 namhafte Künstler zu verpflichten, Programme zu erstellen, Einladungen zu verschicken, Werbung zu betreiben, zahlreiche Parkplätze in der Umgebung zur Verfügung zu stellen, das Haus, Nebengebäude und Garten auf Hochglanz zu bringen und für eine Bewirtung der Gäste zu sorgen, damit sie jenes unnachahmliche Schauspiel von „Kunst und Natur“, das man ihnen hier bislang Jahr für Jahr geboten hat, so richtig genießen können. Aber das Tätigkeitswort „aufhören“ scheint am Troobartl-Hof eine eher negative Bedeutung zu besitzen.
Dabei durfte der Hausherr Lenz Prütting nach einer schmerzhaften Schulterverletzung, die er sich bei der Arbeit zugezogen hatte, heuer allenfalls einen einarmigen Beitrag leisten, was der sprichwörtlichen Aktivität seines Wesens nicht gerade förderlich war. Man merkte es ihm an. Und da zudem sein stilvoll angelegter idyllischer Garten die Voraussetzung dafür bietet, dass die Exponate einen adäquaten Kontext besitzen, war er auch noch von der Wetterlage, die sich heuer bot, nicht gerade angetan. Sie erwies sich wegen des Dauerregens als wenig erfreulich. Er musste sich, weitgehend zur Untätigkeit verurteilt, in seine Künstlerwerkstatt zurückziehen, in der er sonst formvollendete Messer fertigt, die auch im alltäglichen Gebrauch eine außerordentlich hohe Qualität besitzen. Aus Skandinavien bezieht der promovierte Philosoph und Theaterwissenschaftler die wertvollen Klingen und formt dazu stilvolle Griffe aus edlen Materialien. Allein schon deswegen lohnt es sich, nach Göbelsbach zu fahren. Die Witterung hielt manchen potentiellen Besucher heuer freilich davon ab.
Das Kunstfest der Prüttings besitzt auch deshalb einen besonderen Charakter, weil die Veranstalter und Organisatoren in diesem Rahmen ihre eigenen Kunstwerke präsentieren. Die Ölgemälde von Doris Prütting sind nicht nur in ihrem Atelier zu besichtigen, sie gehören zur Ausstattung und Dekoration der gesamten Szene. Die Natur bietet die Themen und Inhalte ihrer Arbeiten. Das Universum mit seinen Gestirnen, die Tageszeiten und die Landschaft mit ihren Tieren, Pflanzen und Stimmungen stehen im Mittelpunkt. „Erinnerung“ heißt ihr Leitmotiv. Und in diese Erinnerung mischt sich auch Sagen- und Märchenhaftes. In antiken Rahmen, die sie sammelt, werden die Impressionen ins Bild umgesetzt und so eine harmonische Einheit geschaffen.
Vielfältige Kunst der unterschiedlichsten Genres war auch dieses Mal in den früheren landwirtschaftlichen Gebäuden, von Lenz Prütting für diesen Zweck umgebaut und umgestaltet, und im gepflegten Garten zu besichtigen, teilweise wegen des unablässigen Regens unter Zeltdächern. 21 Künstler, die wie in der Vergangenheit teilweise von weit her anreisten, waren während der gesamten Ausstellungsdauer persönlich anwesend. Sie suchten das Gespräch und unterhielten sich, was in der Kunstszene sonst nicht generell der Fall ist, sehr gerne mit den Besuchern über ihr Werk: Skulpturen und Plastiken aus verschiedenen Materialien (Josef Brummer, Gabriele Hallek, Bärbel Hefter, Manfred Knappe, Martina Wagner, Bernd Thomas Zimmermann), Keramikarbeiten (Rupert Grottenthaler, Brigitte Künzel, Elke Lugmair), Unikatschmuck in Gold und Silber (Doris Endres, Cornelia Keller, Angelika Reinhardt), Kunstgewerbliches verschiedenster Art (Ute Natzer, Anni Platz, Irmgard Schmidt-Adl) und Textilkunst (Gisela Helmes-Kronschnabl, Renate Forster, Olga Geiser, Conny Kagerer, Gisela Starczewski, Anna Widmann). Letztere, die vor allem in ostasiatischen Ländern wie China und Japan auf eine lange Tradition zurückblicken kann, erlebt gegenwärtig als typische Frauenkunst auch in Europa eine Renaissance. Eine Vielzahl von Ausstellungen, vor allem in Deutschland und in der Schweiz, mag dafür als Beleg gesehen werden. Zuletzt erregte die Japanerin Chiharu Shiota, die 2015 ihr Land auf der Biennale in Venedig vertrat, mit ihren abstrakten Arbeiten weltweit Aufsehen und fand in der Kunstkritik höchste Anerkennung. Sie lebt in Berlin und hat sich am Prenzlauer Berg ein Atelier eingerichtet.
Nicht nur das Alter des Kunstfests der Prüttings auf dem im Einklang mit der Landschaft restaurierten Troobartl-Hof lässt den Besucher stets einen Hauch von Geschichtlichkeit empfinden, sondern vor allem auch das hier präsentierte künstlerische Werk. Es biedert sich nicht an und schreit nicht nach Sensation, sondern es steht in der Tradition kulturgeschichtlicher Entwicklung und besitzt zugleich innovativen Charakter. Beides zusammen, Ausstellungsort und Exponate, bildet eine harmonische Einheit und gleicht einer Schaubühne, „wo sich Vergnügen mit Unterricht, Ruhe mit Anstrengung, Kurzweil mit Bildung gattet“, um Friedrich Schillers Worte zu gebrauchen. Dass ein derartiges Kunstevent, das der Öffentlichkeit gänzlich auf Grund privater Initiative und privaten Risikos geboten wird, in den letzten Jahren bei den offiziellen Kulturdezernenten Pfaffenhofens wenig Beachtung gefunden hat, überrascht allerdings ein wenig. Umso mehr war das Künstlerehepaar Prütting erfreut, dass es sich der 1. Bürgermeister Thomas Herker nicht nehmen ließ, das Kunstfest bei strömenden Regen zu besuchen und damit wohl auch seine Wertschätzung für das Engagement und die Mitwirkung jener Bürger zum Ausdruck brachte, die zur Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens der Stadt einen nicht unwesentlichen Beitrag leisten.
von Hellmuth Inderwies