Von Tribal bis Old School: Wenn Kunst unter die Haut geht Bene Goder tätowiert seit zwölf Jahren erfolgreich in der Zaubernadel

von Claudia Erdenreich 

Noch vor einer Generation hatten sie etwas halbseidenes, fast unanständiges: Tätowierungen trugen Gefängnisinsassen, Seefahrer und Rocker, aber zumindest offiziell keine anständigen, gutbürgerlichen Reihenhausbesitzer. Dabei ist der Wunsch nach den Körperbildern Jahrtausende alt und zieht sich durch alle Kulturen. Die Ansichten zum dauerhaften Körperschmuck haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten mit Körperkult und Individualisierung gründlich gewandelt. Gesellschaftsfähig sind die Tattoos geworden, heute erblickt man am Badestrand die Mehrzahl mit einer Tätowierung. Quer durch alle Altersschichten und gesellschaftliche Klassen ziehen sich die bunten Motive, gänzlich losgelöst von Halbwelt oder Gefahr.

Bene Goder hatte schon immer eine Leidenschaft fürs Tätowieren, ging bei den guten und großen der Branche in die Lehre. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker erfüllte sich mit dem eigenen Studio einen langjährigen Traum. Vor zwölf Jahren öffnete die Zaubernadel, seit fünf Jahren steht sein Laden in der Löwenstraße, hell und einladend. Anfangs war es gar nicht so leicht, einen passenden Standort zu finden, die Vorurteile gegen sein Handwerk waren noch tief verankert in den Köpfen der Vermieter. Dabei brachte er nicht nur das Geld für den Laden mit, sondern ist solider als mancher Konservative. Seit 34 Jahren ist der gebürtige Sendlinger mit derselben Frau verheiratet, sehr glücklich verheiratet, wie er betont, und die Liebe, mit der er von seiner Frau spricht, lässt daran keinen Zweifel. Ehrensache war es für den damals 18-jährigen, die 16-jährige schwangere Freundin zu heiraten und er liefert gleich das Rezept für die gelungene Ehe dazu: Miteinander lachen können! Der wild anmutende Tätowierer hat Kinder und schon Enkelkinder, ein Haus in Geisenfeld und einen Hund. Die Frau macht das Büro und den Einkauf, und auch der Sohn ist bereits im Geschäft, hier unterscheidet ihn nichts vom den Familienbetrieben der Nachbarschaft. Mit Andi und Alex betreuen zwei langjährige Mitarbeiter die Kunden, Alex, der Piercer ist sogar Heilpraktiker, damit jeder Stich an der richtigen Stelle sitzt.

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Erfolg vom ersten Tattoo an: Nadelkünstler Bene Goder ist mit Gelassenheit im Laden präsent

Kunst am Körper ist
längst gesellschaftsfähig
Selbst am ganzen Körper tätowiert machte Bene Goder hier sein Hobby zum Erfolg und sich in ganz Deutschland einen Namen. Der Laden lief von Anfang an, was er seiner raumfüllend-sympathischen Person verdankt und mehr noch seiner Kunstfertigkeit. Er zaubert mit den Tätowiernadeln echte Kunstwerke, leistet präzise Feinst-arbeit. Der Laden wurde schnell zum Selbstläufer, Mundpropaganda bringt immer neue Kunden. Zu ihm kommen sie alle, Hausfrauen und Manager, Sportgrößen und Biker, ein Modezar war auch schon da. Sie kommen aus ganz Deutschland, und sie kommen immer wieder. Sechzig Prozent sind Stammkunden. Tätowieren ist eine Sucht, wer einmal anfängt macht meist weiter. 74 war seine älteste Kundin und Bene erfüllte ihr neben dem Tattoo gleich noch einen zweiten Wunsch: Eine richtig lange Ausfahrt mit dem Trike, stilvoll am Sonntagnachmittag.

Die Leute kommen gern in seinen Laden, weil er, stets bestens gelaunt, auf eine Tasse Kaffee und ein gepflegtes Gespräch immer Zeit hat. Hier gibt es von Anfang an für alle nur das „Du“. Ehen wurden schon gestiftet in der Zaubernadel, erzählt er stolz und zeigt die Regale voller Geschenke. Die Frauen haben nachgezogen, verrät der Fachmann, heute sind sie sogar die Mutigeren und wagen größere Tattoos. Seine Motive sind plastisch, wirken fast dreidimensional und faszinierend vielfältig: König Ludwig geht genauso wie klassische Rosen, keltische Runen oder abstrakte Muster.

Fröhlich und offen geht es in seinem hellen Laden zu, auf den blauen Ledersofas kann man in aller Ruhe die Motive bewundern. Eine Mutter begleitet ihre junge Tochter zur ersten Tätowierung, auch das keine Seltenheit, hier kommen oft Eltern mit ihren Kindern.

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Die letzte Entscheidung
trifft der Tätowierer
Dann greift Bene so manches Mal mit pädagogischem Donnerwort ein und dem erfahrenen Tätowierer glaubt auch der wild entschlossenste Jugendliche deutlich mehr als den eigenen Eltern. Mit einem kleinen chinesischen Zeichen im Nacken oder einem Symbol auf dem Schulterblatt gestaltet sich die Lehrstellensuche deutlich einfacher als mit einem martialischen Zeichen auf der Hand oder im Gesicht, und der späteren Karriere als Vorstandsvorsitzender steht auch nichts im Weg. Denn trotz modernster Medizin: Tätowierungen sind für das ganze Leben. Und weil so ein Tattoo das ganze Leben hält, möchte er es in möglichst angenehmer Atmosphäre erschaffen. Er berät und konzipiert, der Kundenwunsch zählt, aber die letzte Entscheidung trifft der Inhaber. Solange es dem Stil des Hauses entspricht, der von Präzision und hoher Qualität geprägt ist, zaubert Bene alle Wünsche unter die Haut. Sein Geschäft basiert auf Ehrlichkeit, wozu auch einmal ein klares Nein gehört. Nur eines lehnt Bene Goder kategorisch ab: Motive der rechten Szene tätowiert er nicht.

Frauen beweisen mehr
Mut bei Tätowierungen
Nicht nur Hygiene ist oberste Maxime in seinem Laden, auch Diskretion. Ein Tätowierer erfährt viel in den Vorgesprächen und den teils stundenlangen Sitzungen, in denen das gewählte Motiv unter die Haut geht. Er kennt die banalen, die freudigen und die traurigen Anlässe für ein Tattoo, mal ist es ein überstandener Unfall, mal eine neue Liebe und oft einfach die Freude am Bild. Er nimmt sich Zeit, ohne Vorgespräch gibt es keine Tätowierung. Vorab ist ein Abzug auf der Haut zu bewundern, damit der Kunde das Bild am eigenen Körper erspüren kann, bevor die Zaubernadel ansetzt. Ein Tattoo ist wie eine Schürfwunde und ist nach wenigen Tagen verheilt. Heute kommen die meisten Menschen mit sehr konkreten Vorstellungen, derzeit geht der Trend wieder hin zur „old school“.

Die Lebensfreude ist dem Bene anzusehen, der Schalk im Nacken bei aller Gemütlichkeit auch. Er hat alles, was er sich wünscht, betont er, vor allem Gesundheit und eine wundervolle Familie, und er lebt seine Träume und freut sich über jede gelungene Tätowierung.

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